Bremer ehren ihren Nachbarn Kurt Nelhiebel

Klaus Jürgen Schmidt

Nienburg/Weser (Weltexpresso) – Man kann „haben“ und man kann „hausen“. Dann trifft es sich gut, wenn man ein „Haus hat“ in Habenhausen, hinter'm Deich auf der linken Seite der Weser in Bremen.

Vor gut 350 Jahren war es besser, in der Bremer Gegend nicht links, sonder rechts von der Weser ein Haus zu haben. Bei Wikipedia lesen wir warum:

„Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1648 expandierte das Königreich Schweden immer stärker. Es gewann die Gebiete von Finnland und des heutigen Estland, Teile Norwegens und auch Norddeutschlands hinzu. Im Frieden von Brömsebro hatte es von Dänemark das Bistum Bremen erworben – ein Anspruch, der durch den Westfälischen Frieden 1648 bestätigt wurde. Im Jahre 1658 erreichte Schweden mit dem Frieden von Roskilde den Höhepunkt seiner territorialen Ausdehnung.

Auf der anderen Seite hatte die Stadt Bremen erst mit dem am 1. Juni 1646 ausgestellten Linzer Diplom eine urkundliche Bestätigung des Status einer Freien Reichsstadt und damit der Unabhängigkeit vom Bistum erhalten. Diese Urkunde wurde von schwedischer Seite nicht anerkannt.1666 erreichte die 10.000 Mann starke Armee unter Führung des Feldmarschalls Carl Gustav Wrangel Bremen. Auch diese Stadt, welche strategisch günstig an Handelsstraßen lag, sollte für die schwedische Krone (dem zu dieser Zeit machthabenden Monarchen Karl XI.) eingenommen werden. Zunächst versuchte es Wrangel – wie schon in den Jahren zuvor – mit Verhandlungen. Doch diese Gespräche scheiterten wie alle vorherigen ebenfalls. Im Sommer kam es im Stadtgebiet zum ersten Mal zu kleineren Kampfhandlungen. Daraufhin zogen sich die Angreifer zurück und begannen die Stadt zu belagern. Wrangels Hauptquartier lag nun in einem stattlichen Bauernhaus (später als „Schwedenscheune“ bezeichnet) in Habenhausen, einem kleinen Dorf südöstlich der Stadtgrenze.

Die etwa 6000 Verteidiger waren gut gerüstet, und auch die Schutzanlagen waren erst zwei Jahre zuvor ausgebessert worden und zählten nun zu den modernsten in Europa. Bremen hatte zudem starke Verbündete – wie etwa Dänemark, Brandenburg-Preußen, Herzogtum Braunschweig-Lüneburg und Landgrafschaft Hessen-Kassel, denen die schwedische Machtentfaltung missfiel – und die deshalb weitere 6.000 Soldaten als Verstärkung schickten.
Von der plötzlichen Übermacht überrascht und auch nicht auf einen längeren Kampf vorbereitet, musste Wrangel die Belagerung schließlich aufgeben. Am 15. November 1666 schlossen Bremen und Schweden in Wrangels Hauptquartier den Frieden von Habenhausen.“

An Wrangels Hauptquartier, an die „Schwedenscheune“ erinnert nur noch eine Gedenktafel, sie war 1938 vom Blitz getroffen und nicht zu retten gewesen. Im Dezember 2006 wurde die Habenhauser Schaffergesellschaft von sieben Gründungsmitgliedern ins Leben gerufen. Mittlerweile gehören ihr 120 Männer und Frauen an. Der Zweck der Gesellschaft ist in der Satzung wie folgt definiert:„Die Habenhauser Schaffergesellschaft fördert und unterstützt in jeder Hinsicht den baulichen und künstlerischen Ausbau der Simon-Petrus-Kirche in Habenhausen und die dort geschehende kirchliche, kulturelle und soziale Arbeit. Dies geschieht im Wesentlichen durch die Beschaffung finanzieller Mittel, insbesondere anlässlich des von der Habenhauser Schaffergesellschaft ausgerichteten Habenhauser Schaffermahls und durch die Durchführung von kulturellen Veranstaltungen (Ausstellungen, Konzerte, Lesungen) in der Simon-Petrus-Kirche.“ Und dann fiel den Habenhausener Schaffern in diesem Jahr auf, dass bei ihnen hinter'm Deich jemand wohnt und schreibt, der drüben auf der anderen Seite der Weser schon den „Villa Ichon-Friedenspreis“ und im Rathaus das Große Bundesverdienstkreuz erhalten hatte, und auf „facebook“ teilten sie mit:

„Die Habenhauser Schaffergesellschaft ist stolz und glücklich, den Habenhauser Friedenspreis in diesem Jahr an den ehemaligen Nachrichtenchef von Radio Bremen, Kurt Nelhiebel, zu vergeben. Die kleine Festlichkeit anläßlich der Preisvergabe findet statt am Mittwoch, 11. November, um 19 h. Wegen der Corona-Regeln dürfen wir in diesem Jahr nur eine überschaubare Menge von höchstens 66 Personen in der Simon-Petrus-Kirche begrüßen.“

Der Preis sollte natürlich nicht an den „Erfinder der Plattdeutschen Nachrichten bei Radio Bremen“ vergeben werden. Kurt Nelhiebel ist „Weltexpresso“-Lesern sehr gut bekannt. Im April 2016 schrieb er:

„Die Quintessenz meiner Arbeit bestand in dem Wunsch, die Verantwortlichen für das, was während des Zweiten Weltkriegs und hinterher geschah, ein für alle Mal in der Versenkung verschwinden zu sehen. Nicht nur weil die Gerechtigkeit das verlangte, sondern auch weil ich das als Vorsorge für die Zukunft für notwendig hielt. Deshalb mein Kampf gegen das Vergessen, deshalb die Erinnerung an Auschwitz und an die Ursachen der Vertreibung. Dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht unwiderruflich von den Schuldigen getrennt, sondern sie in Gnaden aufgenommen hat und ihnen, ausgerechnet ihnen, den Aufbau eines demokratischen Staates anvertraute und ihn damit, sicher ungewollt, mit dem Nazi-Ungeist infizierte, während seine Gegner von der Mitwirkung am Neuaufbau ausgeschlossen wurden, dass also eine Selbstreinigung niemals stattgefunden hat, das ist die Last, die ich mit mir herumschleppe. Das kurze Gedächtnis der Menschen ist das Mistbeet, auf dem neues Unheil gedeihen kann.“


Ein nicht mensch-gemachtes Unheil verhinderte am 11. November 2020 die Nachbar-Ehrung:
>> Habenhauser Friedenspreis 2020, 19:00 Uhr, Simon-Petrus-Kirche Habenhausen
Muss Corona-bedingt leider ausfallen!! << https://www.simon-petrus.de/kalender

Die Nachbarn kennen den Weg zu Kurt Nelhiebel hinter'm Deich. ...
 
... Von diesem Deich, auf dem er gern spazieren geht, ist das Bremer Weser-Stadion gut zu erkennen, und Kurt Nelhiebel hätte gefallen, was es da 2013 zu sehen gab:



FOTOS: KJS / Habenhauser Schaffer / 11freunde.de
© Klaus Jürgen Schmidt

Info:
„NELHIEBELS WELT“- Audio-Collagen von Klaus Jürgen Schmidt:
http://www.radiobridge.net/heimatbruecke.html