Klaus Jürgen Schmidt
Nienburg/Weser (Weltexpresso) – Dass die grüne Farbe des Adventskranzes für „Hoffnung“ steht und die rote Farbe seiner Kerzen für “Liebe“, dafür müsste ich nicht den Predigt-Text lesen, den ich dieser Tage aus Valetta erhielt. Dorthin hat es das Ehepaar Edinger verschlagen: Elke, Lehrerin und Klaus-Peter – eigentlich schon im Ruhestand – noch'mal in einem Auslandseinsatz beim „Tourismuspfarramt der Evangelischen Kirche Deutschland“ in der Hauptstadt von Malta. https://andreasgemeinde-malta.de/
Wir kennen uns aus Harare, der Hauptstadt von Zimbabwe, wo er mir, dem Journalisten, in der Rolle des Pfarrers der deutschen Gemeinde, zusammen mit dem deutschen Botschafter, als „Rettender Engel“ aus einer Polizeizelle helfen konnte. In seiner Adventspredigt erfahre ich nun von einem Journalisten, dem kein „Rettender Engel“ half.
Über das für den Adventsgottesdienst ausgewählte Lied lese ich in Klaus-Peters Text:
> „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt“ – heißt es da. Mit anderen Worten: Gott ist nicht auf triumphale Weise in unserer Welt gegenwärtig, so dass alles Dunkel einfach verbannt wäre. Er ist vielmehr gegenwärtig in dieser Dunkelheit, mitten im Leid und Schmerz. Er ist gegenwärtig als ein kleines, überhaupt nicht aufdringliches Licht – und da müssen wir schon genau hinschauen, sonst ist es leicht zu übersehen. Der Dichter dieses wunderschönen und trostvollen Advents-Chorals,
Jochen Klepper, Pfarrer und Dichter, war sich sehr wohl bewusst, was er da komponiert hat: er hatte das Dunkel übler Mächte ganz hautnah wahrnehmen müssen, die Dunkelheit des Unrechts, die Dunkelheit des Rassenwahns, als zu Beginn der 40er Jahre im letzten Jahrhundert das Hitlerregime den grausamen Plan gefasst hatte, alle jüdischen Mitmenschen und andere Minderheiten in Europa zu vernichten. Kleppers jüdische Frau stand ebenfalls auf der Deportationsliste ins Konzentrationslager. Mit einer ihrer beiden Töchter (die zweite hatte es zuvor nach England geschafft) konnten sie den Gedanken nicht ertragen, voneinander getrennt zu werden und all die Erniedrigungen und Folterungen und Entmenschlichungen über sich ergehen zu lassen. Sie hatten nur eine Hoffnung – und das war dieses kleine Licht in der Dunkelheit. Das Licht sagte ihnen, dass die Gerechtigkeit schließlich siegen wird – wenn nicht in diesem Leben, dann im kommenden. Und bevor die Gestapo vor der Haustüre stand und die Ehefrau und Mutter abführen würde, schieden sie miteinander aus diesem Leben. In seinem Abschiedsbrief drückte Jochen Klepper eben diese Hoffnung aus, wie er sie in seinem Lied gedichtet hatte: der Morgenstern wird sie bescheinen – in ihrem neuen Leben. <
> Joachim Georg Wilhelm Klepper, 1903 geboren in Schlesien, war ein deutscher Theologe, der als Journalist und Schriftsteller arbeitete. Er ist einer der bedeutendsten Dichter geistlicher Lieder des 20. Jahrhunderts, < erfahre ich bei Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Jochen_Klepper
Womit ich nicht klar komme, ist die Tatsache, dass ich noch nie etwas von diesem Schicksal gehört habe, und das kann nicht nur daran liegen, dass ich kaum Kirchenlieder singe.
In Berlin gibt es an drei Wohnhäusern Gedenktafeln, dort wird er „Journalist, Publizist, Dichter“ genannt.
Am 11. Dezember 2014 wurden vor seinem ehemaligen Wohnhaus, Berlin-Nikolassee, Teutonenstraße 23, Stolpersteine für ihn und seine Familie verlegt. Sein Gedenktag am 11. Dezember ist nicht im offiziellen Evangelischen Namenskalender enthalten.
> Bleibende Bedeutung kommt den Tagebuchaufzeichnungen Kleppers zu, in denen er eine akribisch genaue, beklemmenden „Anatomie“ des nationalsozialistischen Systems leistet“, < auch das lese ich erst jetzt bei Wikipedia.
https://www.meine-kirchenzeitung.de/c-feuilleton/kinofilm-ueber-jochen-klepper-geplant_a13804
> Meine weitere Recherche ergibt: Der Regisseur Benjamin Martins plant einen Spielfilm über die letzten Lebensstunden des evangelischen Schriftstellers und Liederdichters Jochen Klepper (1903–1942), der von den Nationalsozialisten gemeinsam mit seiner jüdischen Frau und deren Tochter in den Suizid getrieben wurde. Der kammerspielartige Kinofilm »Schattenstunde« thematisiere eine bisher kaum beachtete Seite der nationalsozialistischen Judenverfolgung, sagte der Speyerer Filmemacher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Film, der auf den Tagebucheinträgen Kleppers beruht, soll 2020 bundesweit in die Kinos kommen. <
Wegen der Corona-Krise wurde der Filmstart auf Herbst/Winter 2021 verlegt, erfahre ich schliesslich nach komplizierter Recherche im Internet: https://www.herbsthundfilme.de/schattenstunde
Und das wird zu sehen sein:
> Dem Publikum von Schattenstunde bietet sich ein sehr ungewöhnliches Kinoerlebnis. Denn die Leinwände der Kinosäle werden nicht, wie bei anderen Filmen, im Ganzen bespielt. Jochen Klepper wurde durch die Nationalsozialisten im ehemaligen Dritten Reich immer weiter in die Enge getrieben und sein Leben mehr und mehr eingeschränkt. Symbolisch gibt der Regisseur Benjamin Martins diese Enge an das Publikum weiter, indem er das Blickfeld der Zuschauer einschränkt. So wird der Film in den Kinos als Quadrat zu sehen sein. Die Leinwände bleiben an den Seiten schwarz. Und auch im Film selbst, bleibt sich der Regisseur in seiner Symbolik treu. Denn der Wohnraum der Familie Klepper, der im Verlauf des Films immer kleiner und enger wird, zeigt sich dem Zuschauer ebenfalls als Quadrat. <
Und wie kam der Film zustande?
> „Herbsthund Filme“ gründete die Initiative mit dem Titel „Speyer macht sich stark“ mit dem Ziel, Jugendliche für die benannten Themen zu sensibilisieren. Das Medium „Film“ soll den Zugang erleichtern, um an Schulen, in Vereinen und kirchlichen Institutionen über Rechtspopulismus und Fremdenhass zu sprechen. Bei generationsübergreifenden Begegnungen wird der Film „Schattenstunde“ als Basis für den Brückenschlag zwischen Nazideutschland und dem heutigen Deutschland verstanden. Mit dem Begreifen unserer Vergangenheit, soll der Blick auf die Gegenwart und die Zukunft gerichtet werden, sodass sich ein jeder über die Wichtigkeit seiner Rolle in unserer Gesellschaft klar wird. Die Entstehung des Films und die daraus resultierenden sozialen Projekte, wurde, neben vieler wunderbarer Privatpersonen, von Unternehmen, Stiftungen und Institutionen (vorrangig aus Speyer und der Rhein/Main Region) unterstützt. <
Danke, Klaus-Peter, für den bei mir erfolgten Denkanstoß, den ich hiermit weiterreiche – mit für mich noch offenen Fragen: Warum würdigt die Evangelische Kirche als Institution Joachim Georg Wilhelm Klepper nur als Komponist und Texter sakraler Lieder? Und nicht als Warner in Zeiten neuer rechtsradikaler Umtriebe?
Fotos:
angegebene Webseiten / Wikipedia
„Licht in dunkler Nacht“, Eine Romanbiografie über Jochen Klepper von Elisabeth Eberle.
www.jochen-klepper.elisabeth-e.de
„Jochen Klepper“, Eine umfassende Biografie und ein ausführliches Porträt über Jochen Klepper und seine Familie von Markus Baum (Neufeld Verlag)
www.neufeld-verlag.de/de/jochen-klepper.html