WELT Corona-Update
Hamburg (Weltexpresso) - Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, spricht zum Ende der Woche von einer „Trendumkehr". Leider keiner positiven, denn die Corona-Neuinfektionen steigen wieder. Das RKI registrierte am Freitag 9.997 neue Fälle innerhalb von einem Tag. Vor genau einer Woche meldete das RKI noch 9113 Fälle. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag bundesweit unterdessen bei 62,6 – und ist damit höher als am Vortag (61,7).
Das sind nicht die besten Argumente für den Corona-Gipfel am kommenden Mittwoch, von dem sich viele Menschen Lockerungen erhoffen. Zeitgleich werden die Rufe nach dem Einbeziehen von weiteren Kriterien – abseits der Inzidenzen – lauter. Dazu gehört, dass regionale Unterschiede stärker berücksichtigt werden könnten oder Schnelltests verstärkt eingesetzt werden.
Am Freitag erneuerten mehrere Wirtschaftsverbände den Druck auf die Regierung: Die fehlende Perspektive und die täglich wachsende Ungewissheit treiben Händler in „Wut und Verzweiflung“, schrieb der Handelsverband Deutschland (HDE) in einem Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Immerhin: Geringverdiener, Langzeitarbeitslose und Sozialhilfebezieher erhalten in der Corona-Krise nun weitere Unterstützung. Der Bundestag billigte dazu ein Hilfspaket, das einen Zuschuss zur Grundsicherung vorsieht – von einmalig 150 Euro.
Die meisten Neuinfektionen gibt es momentan in Thüringen, wo die Sieben-Tage-Inzidenz bei 121 liegt, gefolgt von Sachsen-Anhalt (85,5) und Bremen (78). Das geringste Infektionsgeschehen meldet aktuell Baden-Württemberg (48,5), gefolgt von Schleswig-Holstein (50,8) und Rheinland-Pfalz (52,9).
DAS GESPRÄCH DER WOCHE
Camilla Rothe (im Foto) ist Ärztin und die Leiterin der Ambulanz für Tropen- und Reisemedizin am Universitätsklinikum in München (LMU). Im Interview mit WELT spricht sie über Impf-Nachweise und die Bedeutung, die diesen auf Reisen zukommt.
WELT: Frau Rothe, derzeit sind Corona-Impfnachweise für Reisen in der Diskussion. Neu ist der Gedanke nicht: In Asien oder Afrika setzen Länder bestimmte Impfungen längst voraus. Was müssen Sie bei der Corona-Impfung dokumentieren?
Rothe: Wir als impfende Ärzte haben bisher keine besonderen Auflagen bekommen. Wir dokumentieren eine Corona-Impfung wie zum Beispiel eine Grippe-Impfung. Das heißt, dass wir das Impfdatum und den Namen der Krankheit notieren, den Aufkleber vom Impfstoff hinzufügen, unterschreiben und einen Stempel machen. Von Impfstoff zu Impfstoff variiert es, ab wann man genau geschützt ist. Ich selbst verimpfe den Impfstoff von BioNTech/Pfizer. Da sagt der Hersteller, dass man eine Woche nach der zweiten Impfung ausreichend geschützt ist.
WELT: Und bei den anderen Herstellern variiert dieser Zeitraum?
Rothe: Nur geringfügig. Als Faustregel – auch bei anderen Impfstoffen – gilt, dass man zwei Wochen nach der zuletzt erforderlichen Impfung geschützt ist. Dann ist die Immunantwort in der Regel gewährleistet.
WELT: Wie lange hält die Immunität beim Corona-Impfstoff an?
Rothe: Das kann man bisher noch nicht sagen. Ein Freund hat mir seine grüne israelische Impfkarte geschickt. Dort wird eine Immunität beim BioNtech/Pfizer-Impfstoff aktuell für sechs Monate nach der zweiten Impfung bescheinigt. Ich vermute, dass das re-evaluiert wird, sobald wir mehr serologische Daten haben. Aber: Wir müssen diese Daten in Deutschland noch nicht im Impfpass dokumentieren.
WELT: Sind die Impf-Dokumentationen fälschungssicher?
Rothe: Da muss man differenzieren. Der Gelbfieber-Nachweis ist leider überhaupt nicht fälschungssicher. In vielen insbesondere afrikanischen Ländern werden Impfpässe auf der Straße verkauft, in denen die Impfung schon eingetragen ist. Der Impfpass ist günstiger als eine Impfung. In Nigeria hat man gut darauf reagiert und einen elektronischen Impfpass eingeführt, wodurch das Fälschen der Nachweise schwieriger wird. Von deutschen Fälschungen weiß ich nichts, aber ich denke, dass es nicht schwer wäre, diese zu fälschen. Impfungen werden nicht zentral registriert. Allerdings bleibt die Frage, was man damit erreichen möchte: Niemand will auf Reisen erkranken. Wer eine minimale Einsicht hat, dass die Impfung wirklich schützt, hat daran kein Interesse.
WELT: Glauben Sie, dass es bei der Einreise in bestimmte Länder einen Unterschied machen wird, mit welchem Corona-Impfstoff jemand geimpft wurde?
Rothe: Das wäre nicht seriös und auch nicht logisch. Offiziell zugelassene Impfstoffe sind aus meiner Sicht gleich zu werten. Es könnte aber einen Unterschied bei der Dauer des Impfzertifikats und der Immunität machen. Bei den Meningokokken-Impfstoffen gibt es zum Beispiel unterschiedliche Produkte, die wiederum unterschiedlich lang halten. Ein Impfstoff wirkt für drei Jahre und ein anderer für fünf – und das muss man auch in den Impfpass eintragen.
WELT: Bei der Corona-Impfung weiß man derzeit noch gar nicht genau, ob eine geimpfte Person nicht mehr ansteckend ist. Kann diese Unsicherheit in einem Impf-Nachweis berücksichtigt werden?
Rothe: Ich wüsste nicht wie. Man müsste nun gezielte Studien machen und schauen, ob es zum Beispiel Unterschiede gibt bei denjenigen, die frisch geimpft sind und denjenigen, deren Impfung schon länger her ist. Das ist auch der Grund, weswegen man frisch gegen Polio geimpft sein muss, wenn man aus Afghanistan ausreist. Bei Polio scheidet ein frisch geimpfter Mensch als Überträger aus.
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