Siegrid Püschel
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Pro Tag verschwinden 150 Arten von unserem Planeten. In ein paar Jahrzehnten werden eine Million Arten unwiederbringlich verloren sein – Pflanzen, Tiere, vor allem Insekten. Zum Welttag des Artenschutzes am Mittwoch, 3. März, verspricht Umweltdezernentin Rosemarie Heilig noch mehr Wildnis in Frankfurt: „Artenschutz beginnt bei jedem von uns. Der Erhalt der Lebensräume von Pflanzen und Tieren ist eine zentrale Aufgabe der Stadtentwicklung.“
Das größte einzelne Naturschutzprojekt läuft derzeit in Fechenheim: Die Renaturierung des Mainbogens, die dem Fluss wieder eine natürliche Auenlandschaft mit Altarmen und Tümpeln zurückgibt. Ein weiteres wichtiges Artenschutzprojekt erstreckt sich über das gesamte Stadtgebiet. So hat das Grünflächenamt in Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden und Biologinnen und Biologen bereits mehr als 400 Hektar Wildwiesen angelegt, weitere 32 Hektar werden derzeit geprüft oder sind bereits in Planung. Wiesen sind ein besonders wertvoller Lebensraum. Etwa die Hälfte aller in Deutschland beheimateten Pflanzenarten und 55 Prozent der Arten auf der „Roten Liste“ kommen hier vor. Auch Staudenbeete – wie gerade auf der Ruhrorter Werft bei der EZB – haben einen hohen ökologischen Wert für Insekten, Käfer und Schmetterlinge. Überdies sind sie schön anzusehen.
Urban Gardening-Projekte, jedes von Privatleuten gebaute Insektenhotel oder eine Trockenmauer für Eidechsen tragen genauso zum Schutz der Arten bei wie städtische Begrünungs-Programme. Es müsse aber noch viel mehr in der Stadtplanung getan werden, sagt Heilig, denn „die größte direkte Gefahr der Biodiversität ist unser Hunger nach Land. Wir müssen die Stadt vom Grün denken. Aber noch immer schlägt Baurecht Baumrecht. Das müssen wir umkehren, bevor es zu spät ist.“
Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen und sie muss Möglichkeiten der Teilhabe bieten, sagt Umweltdezernentin Heilig. „Der Schutz unserer Pflanzen und Tiere muss uns allen gemeinsam gleich wichtig sein.“ Wie das gelingen kann, zeigt in Frankfurt etwa das Projekt „Städte wagen Wildnis – Vielfalt erleben“. Ein gemeinsames Projekt mit den Städten Hannover und Dessau-Roßlau sowie drei Wissenschaftspartnern – in Frankfurt sind dies Senckenberg – und das Netzwerk BioFrankfurt. Neben dem Beitrag zur Förderung der Arten- und Biotopvielfalt in der Stadt leisten Wildnis-Lotsinnen und -Lotsen Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Kinder und Erwachsene lernen bei Führungen und im Rahmen des Grünen Klassenzimmers den Wert der Wildnis zu schätzen und ihre Vielfalt zu erleben. „Auf den Projektflächen im Nordpark Bonames und am Fuße des Monte Scherbelino können wir zeigen, was geschieht, wenn sich die Natur weitgehend frei entfalten kann. Da fühlt sich der seltene Eisvogel genauso wohl, wie der Biber oder der Flussregenpfeifer. Wir beobachten Wildbienen, Heuschrecken und Tagfalter, aber auch viele Pionierpflanzen“, erläutert die Umweltdezernentin.
Frankfurt ist weltweit wahrscheinlich die einzige Stadt mit gleich drei botanischen Gärten: Dem Palmengarten, der gerade seinen 150. Jahrestag feiert, dem Botanischen Garten an der Siesmayerstraße und dem neuen Wissenschaftsgarten der Goethe-Universität auf dem Riedberg. Während sich die Sammlungen des Palmengartens auf Pflanzen andere Klimazonen konzentrieren, werden im Botanischen Garten rund 500 gefährdete oder vom Aussterben bedrohte einheimische Arten kultiviert. „Eine einzigartige Schatzkammer, in der sich Raritäten wie etwa Steifer Lauch finden lassen, der nur an zwei Standorten in Deutschland vorkommt. Oder auch das Sand-Zwerggras. Gemeinsam mit dem zuständigen Forstamt wurde es erfolgreich in der Schwanheimer Düne wiederangesiedelt“, sagt Heilig.
Diese Vielfalt der Pflanzen schlägt sich auch nieder in den Beobachtungen der Bürgerwissenschaftsplattform iNaturalist: Seit dem Start des gemeinsamen Projekts von Palmengarten, Botanischem Garten und Wissenschaftsgarten der Goethe-Universität im November 2018 wurden 820 wildlebende Tier- und Pilz-Arten in gezählt und bestimmt. Den größten Teil machen mit zwei Dritteln die Insekten aus. Viele von ihnen sind heimisch, andere aus der Ferne zugezogen, nicht wenige von ihnen selten. „Biodiversität zu schützen wird uns helfen, uns an den Klimawandel anzupassen, Klimafolgen abzumildern und Optionen für die Zukunft zu erhalten. Lassen Sie uns heute daran erinnern, was wir an den restlichen 364 Tagen des Jahres tun müssen“, sagt die Umweltdezernentin.
Foto:
Artenreichtum mitten in der Stadt: Insektenwiese an der Stresemannallee
©stadt-frankfurt.Grünflächenamt
Bienen sind bedroht
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