planet wissen.de neuDAS JÜDISCHE LOGBUCH im März

Yves Kugelmann

Basel (Weltexpresso) -  Vor dem Staat sind alle Juden gleich. Das war im jüdischen Staat bisher nicht der Fall. Nun ist dies die Quintessenz des Urteils von Israels Oberstem Gerichtshof, das die jüdische Wirklichkeit mittelfristig stark verändern könnte. Denn in der Konsequenz hebt es die innerjüdische Zweiklassengesellschaft auf und akzeptiert – im Gegensatz zu den jüdischen Gemeinden – alle Jüdinnen und Juden als gleichwertig.

Das säkulare Recht Israels konfrontiert nun die konservative Auslegung des halachischen Rechts mit dem Urteil und fordert die orthodoxen Rabbinerverbände heraus. Denn konservative jüdische Verbände bereits weltweit haben Bedenken am Urteil angemeldet. Allerdings zeigt etwa die Entwicklung gerade in der amerikanischen jüdischen Gemeinschaft, die sozusagen die im Holocaust gestoppte europäische jüdische Reformbewegung nach dem Krieg breit praktiziert, dass jüdische Vielfalt nicht zum Schaden, sondern zur Prosperität des jüdischen Lebens und Lernens geführt hat.

Längst ist jüdische Bildung, Lernen, Erziehung weit über orthodoxe Talmudschulen hinaus im Wachsen begriffen. In Zeiten allerdings, da der Ethnie-Diskurs weltweit virulent ist, wird das Urteil aus Israel noch spannende Diskussionen zeitigen. Israel auf jeden Fall bekennt sich zu einem aufgeklärten Menschenbild und beendet zumindest formal innerjüdische Ausgrenzung von bestimmten Juden. Und es deutet an, dass die Frage «Wer ist jüdisch?» nicht mehr nur eine religiöse ist, ohne dass allerdings viele offenen Fragen konkret schon beantwortet wären. Während gerade in Europa viele einen Rückgang der jüdischen Bevölkerung beklagen, kann dieser Entscheid eine Kehrtwende bedeuten.

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Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 5.3. 2021
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.