WELT Corona-Update
Hamburg (Weltexpresso) - „Die dritte Welle scheint gebrochen“ – das sind hoffnungsvolle Worte von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Ende der Woche. Doch das „aber" verkündet der Minister gleich dazu: „Steigender Optimismus darf nicht dazu führen, dass wir uns bei Kontakten und Abstand nicht mehr an die Regeln halten.“
Auch beim Impftempo dürfe nicht nachgelassen werden: „Allein nächste Woche werden eine Million Dosen AstraZeneca an Hausarztpraxen ausgeliefert“. Besser man werde damit geimpft als gar nicht, so der Minister.
Den besonderen Anreiz dafür haben Bund und Länder nun geschaffen: Alle Altersgruppen dürfen sich – ungeachtet der Priorisierung – mit AstraZeneca impfen lassen. Was es dabei zu beachten gibt, das erfahren Sie hier:
https://www.welt.de/gesundheit/plus230920213/AstraZeneca-Alles-was-Sie-jetzt-wissen-sollten.html?sc_src=email_603809&sc_lid=49524146&sc_uid=raKDXZXdCb&sc_llid=17618&sc_cid=603809&cid=email.crm.redaktion.newsletter.corona
Zugleich lässt Deutschland 94 Prozent des Impfstoffs von Johnson & Johnson einfach auf Halde liegen, berichtet unser Redakteur Jan Klauth.
Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz befindet sich im Abwärtstrend und kommt am Freitag auf 125,7. Vor genau einer Woche lag sie noch bei 153,4. Ob diese sinkende Tendenz mit der „Corona-Notbremse" und den nächtlichen Ausgangssperren zusammenhängt, das analysiert WELT-Redakteur Sebastian Beug hier:
https://www.welt.de/wissenschaft/plus230946591/Corona-in-Zahlen-Sehen-wir-den-Effekt-der-Ausgangssperre.html?cid=email.crm.redaktion.newsletter.corona
Regional am stärksten betroffen ist der Saale-Orla-Kreis in Thüringen, der Erzgebirgskreis in Sachsen und Coburg in Bayern. Eine interaktive Grafik – mit den Inzidenzen pro Region – finden Sie auf welt.de.
DAS GESPRÄCH DER WOCHE
Norbert Kunz (im Foto) ist der Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes. Im Interview mit WELT erzählt er, wie er über die ersten Öffnungsschritte im Tourismus denkt – und unter welchen Bedingungen auch nicht vollständig Geimpfte Urlaub machen könnten.
WELT: Herr Kunz, die ersten Bundesländer öffnen nach und nach wieder für Touristen. Genügt das, um die Tourismusbranche wieder zu beleben?
Kunz: Zunächst einmal sind die Öffnungen ein hervorragendes Signal. Es zeigt, dass sicheres Reisen unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Die Infektionszahlen sinken und werden hoffentlich weiter abnehmen. Der Tourismus wartet seit mehr als sechs Monaten auf eine Öffnungsperspektive. Umso mehr freut es mich, dass die Bundesländer nun von ihrer Kompetenz und Möglichkeit Gebrauch machen, um zu regeln, was bei stabilen Inzidenzwerten unter 100 passiert. Denn die Tourismusbranche liegt am Boden. Zudem haben viele Kommunen starke Ausfälle bei der Gewerbesteuer verzeichnet, bei Betrieben und Gemeinden ist ein Investitionsstau entstanden. Es bräuchte daher dringend ein zusätzliches Tourismus-Wiederaufbauprogramm vom Bund.
WELT: Nun gehen die Bundesländer unterschiedlich vor, mit eigenen Regeln und Zeitplänen. Ist das nicht eher schädlich?
Kunz: Was die Perspektive anbelangt, ist das unterschiedliche Handhaben überhaupt nicht schädlich. Im nächsten Schritt muss es darum gehen, dass die Öffnungsschritte der Länder koordiniert werden, zu einem bundeseinheitlichen Rahmen. Denn am Ende werden die Reisenden nicht verstehen können, warum in dem einen Bundesland das eine gilt und in dem anderen etwas anderes. Mit Blick auf den Sommer können wir uns nicht 16 Landesregelungen leisten.
WELT: Was wäre aus Ihrer Sicht bei einem bundeseinheitlichen Konzept wichtig?
Kunz: Zum einen, dass Geimpfte und Genesene ihre Grundrechte zurückbekommen, denn dazu gehört am Ende auch das Reisen. Das wird nun auch in der Politik so gesehen. Zum anderen, dass auch Getestete in die Konzepte mit einbezogen werden müssen. Für die Branche bedeuten die unterschiedlichen Regelungen eine große Herausforderung, denn viele Reisende haben vorab zahlreiche Fragen. Urlauber möchten schließlich wissen, was vor Ort geöffnet und erlaubt ist. Wir hoffen natürlich, dass sich nun nach und nach alles klärt und auch Deutschland als Reiseland wieder hochfahren kann.
WELT: Besteht die Gefahr, dass sich deutsche Urlauber lieber in die Nachbarländer orientieren?
Kunz: Deutschland ist das beliebteste Reiseziel der Deutschen und war es auch schon vor der Krise. Zum Tourismus zählen Tagesausflüge, Wandertouren und nicht nur die klassische Übernachtungsreise. Aber Reisen verbindet die Menschen über die Grenzen hinweg, Europa ist zusammengewachsen. Da sehe ich kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander. Ich freue mich sehr, wenn auch innerhalb Europas wieder gereist werden kann. Das bedeutet auch, dass die europäischen Gäste wieder nach Deutschland kommen können. Die Zahlen im Jahr 2020 waren für uns in der Tourismusbranche sehr bedrückend, auch wegen der geschlossenen Grenzen. In dem Jahr haben uns 58 Millionen Übernachtungen ausländischer Gäste gefehlt. Vor der Pandemie hatten wir zehn Rekordjahre in Folge. Wir verzeichneten ungefähr 500 Millionen Übernachtungen in- und ausländischer Gäste in Deutschland, waren Spitzenreiter in Europa – noch vor Spanien und Italien.
WELT: In Mecklenburg-Vorpommern sind Unter-16-Jährige derzeit von der Einreise ausgeschlossen, da sie noch nicht geimpft werden können. Was könnte unternommen werden, um Familien nicht abzuschrecken?
Kunz: Die Lösung hier lautet, dass Geimpfte, Getestete und Genesene gleichgestellt werden. Mit Blick auf die Sommerferien ist dies wichtig für all diejenigen, die kein Impfangebot bekommen. Sie können häufig nur übers Testen ein Urlaubsangebot erhalten. In den Modellprojekten in Eckernförde oder an der Schlei wurde zudem deutlich, dass das Infektionsgeschehen durch diese Touristen nicht zugenommen hat.
Fortsetzung folgt
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Kunz; Quelle: DTV
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