inforadio.deDer Staat will das Geld der Reichen nicht – Zuschrift einer Hausfrau

Adele Hübner – Neuwerk

Insel Neuwerk (Weltexpresso) – Sehr geehrte Redaktion,  ein Kellner aus Duhnen hat mir dieser Tage erzählt, dass reiche Leute ihr Geld beim Staat nicht loswerden, weil der es nicht haben will. Ich sagte, das könnte er vielleicht seiner Großmutter erzählen aber doch nicht mir. Er hätte das in einer seriösen Zeitung gelesen, die ein Feriengast liegengelassen hatte, gab mir der Kellner zu Antwort und kramte das zerknitterte Blatt aus der Tasche.

Zu Hause habe ich alles durchgelesen und kam aus dem Staunen nicht raus.  Da haben sich doch wirklich ein paar Reiche zusammengetan, die vom Staat verlangen, dass er ihnen mehr Geld abnimmt.  Unter anderem verlangen sie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und strengere Regeln gegen Steuerhinterziehung. Da fragte man sich doch, ob die noch alle Sinne beieinander haben, bis ich merkte, dass einige von denen ein schlechtes Gewissen haben, weil ihnen sogar während der Corona-Zeit noch mehr Geld zugeflossen ist als sonst.  Jetzt wissen sie nicht wohin damit.

Nun sind wir ja mitten im Wahlkampf und mir kommt es so vor, als hätte ich das mit der Vermögenssteuer auch schon von anderen gehört. Tatsächlich  wollen die Sozialdemokraten  so etwas Ähnliches einführen.  Viel Geld bedeute auch viel Macht und das rüttle an den Fundamenten einer demokratischen Struktur. Die Linke fordert klipp und klar die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, und zwar solle sie gezielt die Vermögensmillionäre treffen. Die Grünen reden ganz  allgemein von einem gerechten Steuersystem, bei dem jeder seinen angemessenen Beitrag leiste. CDU und FDP lehnen eine Vermögenssteuer grundsätzlich ab. Sie verursache hohe Kosten und bringe wenig Nutzen. Das Bundesverfassungsgericht habe sie schon vor vielen Jahren gekippt, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße.

Das  lassen die Reichen mit den Spendierhosen nicht gelten. Einer von ihnen sagte, so steht es in der Zeitung, der Erhebungsaufwand betrage drei Prozent der Einnahmen. Und selbst wenn es zehn Prozent seien, wäre das kein Grund, die Steuer nicht zu erheben. Er könne sehr wütend werden, wenn er Ungerechtigkeit erlebe.  Früher seien Managergehälter  zwanzig Mal so hoch gewesen, wie ein Durchschnittseinkommen, heute seien sie bis zu tausend Mal so hoch. Warum werde den Menschen, die auf unsere Geld aufpassten, so viel mehr Geld gezahlt als denen, die auf unsere Kinder aufpassen, frage er sich.

Wie ich gelesen habe, haben bereits vor einigen Jahren einige Superreiche aus sieben Ländern öffentlich verlangt, der Staat möge sie höher besteuern. Passiert ist nichts Auch bei uns wird nichts passieren.  Nach dem Karlsruher Spruch verzichtete  der damalige Finanzminister Waigel von der CSU auf die Vermögenssteuer und damit auf sechs Milliarden Mark jährlich.

Am Problem selbst, der immer tiefer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich und den damit einhergehenden Gefahren für die Demokratie hat sich seither nichts geändert. Jeder weiß das, und es steht  auch jetzt wieder in der Zeitung. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung besitzen zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland zwei Drittel des Nettovermögens, das oberste Prozent allein 35 Prozent.

Wenn ich den Kellner aus Duhnen demnächst wieder treffe, muss ich mit  ihm darüber noch einmal reden. In der Zwischenzeit hoffe  ich, dass nicht allzu viele Leser ihres geschätzten Blattes den lockenden Tönen aus dem Land  der Reichen und Schönen auf den Leim gehen. Und wieder einmal muss ich Heinrich Heine  zitieren, der schon vor fast zweihundert Jahren  erkannt hat, worauf es ankommt: „Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, / was fleißige Hände erwarben. / Es wächst hienieden Brot genug / für alle Menschenkinder, / auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, / und Zuckererbsen nicht minder. / Ja, Zuckererbsen für jedermann, / sobald die Schoten platzen! / Den Himmel überlassen wir / den Engeln und den Spatzen.“

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