gernot marxKundenservice der WELT zu Corona vom letzten Freitag, 23. 1

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Die einen lockern, die anderen zurren ihre Corona-Maßnahmen nach – wie etwa in Thüringen. Dort ist die 7-Tage-Inzidenz mit 288,9 auf den bundesweit höchsten Wert gestiegen, erreichte zugleich den zweithöchsten Punkt seit Pandemiebeginn im März 2020. Und so verschärft das Bundesland die Regeln, führt eine neue Corona-Verordnung ein.

Mit der Neufassung werden das 2G- oder 3G-plus-Modell auch auf Restaurants, Gaststätten und religiöse Zusammenkünfte ausgeweitet. Das bedeutet, dass in diesen Bereichen nur noch Zugang hat, wer geimpft oder genesen ist oder einen negativen PCR-Test vorweisen kann. Die neuen Regeln sollen von Samstag an gelten – ab dann wird es auch umfangreichere Impfangebote geben.

Auch in Bayern steigen die Corona-Fälle und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte an, dass Schüler nach den Herbstferien – also ab dem 8. November – wieder mit Masken im Unterricht rechnen müssten. Eine finale Entscheidung dazu fällt in der kommenden Woche. In Nordrhein-Westfalen wurde die Schul-Maskenpflicht gerade abgeschafft.

Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz steigt momentan wieder schnell an, teilweise sogar sprunghaft. Am Freitag kam sie auf 139,2 – vor einer Woche lag sie noch bei 95,1. In der Grafik unten lassen sich die regionalen Unterschiede sehr gut erkennen:


Bildschirmfoto 2021 10 31 um 21.44.55Die Corona-Auffrischimpfungen könnten helfen, trotz steigender Infektionszahlen besser geschützt durch Herbst und Winter zu kommen. Welche Personen sich nun eine neue Dosis holen sollten, das können Sie unserem Überblick hier entnehmen.

Zugleich steht in den USA der erste Impfstoff für Kinder, also für die Fünf- bis Elfjährigen, kurz vor der Zulassung. Es handelt sich um das Vakzin von BioNTech/Pfizer – in einer deutlich geringeren Dosis als für Erwachsene. Was das für uns in Deutschland bedeutet – und wie sich Corona-Impfungen bei Kindern auswirken könnten, das erfahren Sie hier.



DAS GESPRÄCH DER WOCHE

Auf den Intensivstationen in Deutschland stehen Tausende Intensivbetten weniger zur Verfügung als noch vor einem Jahr. Woran das liegt und wie jetzt gegengesteuert werden muss, das bespricht Intensivmediziner-Präsident Gernot Marx (im Foto) im Interview mit unserer WELT-Redakteurin Kaja Klapsa.


WELT: Herr Marx, wie ist derzeit die Situation auf den Intensivstationen im Vergleich zum vergangenen Winter?

Marx: Wir haben 22.000 Intensivbetten in Deutschland, von denen aktuell 2.600 frei sind. Das Problem: Im Vergleich zum letzten Herbst hat sich die Lage deutlich verändert. Da hatten wir insgesamt noch 26.500 Intensivbetten. Insgesamt sind jetzt also 4.500 Betten weniger betriebsbereit als noch vor knapp einem Jahr. Das ist angesichts der rasant ansteigenden Neuinfektionsrate besorgniserregend. Denn wir wissen, dass trotz der Impfungen eine steigende Inzidenz mit zeitlichem Verzug auch zu mehr Intensivpatienten führen wird.


WELT: Wie kommt es dazu, dass 4.500 Betten weniger bereitstehen?

Marx: Die Intensivstationen waren vor der Pandemie schon sehr belastet. Corona hat die Arbeit in den letzten anderthalb Jahren aber so massiv erschwert, dass viele Pfleger ihre Arbeitszeit reduziert haben, also etwa von 100 auf 80 Prozent gegangen sind. Einige haben den Beruf auch ganz verlassen. Das führt dazu, dass ein Teil der Betten gesperrt werden musste. Da steht dann das Beatmungsgerät mit der ganzen Technik, aber das Pflegepersonal fehlt, um es zu bedienen. Also kann dort auch kein schwerstkranker Patient im Bett liegen und behandelt werden.


WELT: Wie sollte man jetzt reagieren, um die Pfleger zu überzeugen, doch wieder Vollzeit zu arbeiten?

Marx: Kurzfristig könnte man etwa die Wochenend- und Nachtdiensttätigkeiten steuerlich begünstigen oder sogar netto wie brutto auszahlen. Das wäre ein Signal der Wertschätzung, verbunden mit einer konkreten Maßnahme und politisch sofort zu realisieren. Ansonsten bleibt uns nur noch die Möglichkeit, das Personal in den Krankenhäusern zu verlegen und planbare Operationen zu verschieben.


WELT: Droht tatsächlich eine Einschränkung der Versorgung?

Marx: Das ist je nach Standort unterschiedlich. In Bayern ist die Lage jetzt schon angespannt. Auch in Baden-Württemberg stehen von 119 Kliniken 64 auf Rot. Die Entwicklung ist größtenteils auf die reduzierte Bettenkapazität zurückzuführen. Wir rechnen damit, dass bald viele Grippefälle dazu kommen werden. Zudem sind viele Kinder relativ schwer vom RSV-Virus betroffen und müssen zunehmend in Kliniken behandelt werden. Der Raum für große Operationen wird immer kleiner. Das macht uns wirklich Sorgen.

Fortsetzung folgt


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Info:
Aufgrund der erhöhten Coronafälle nehmen wir unsere Berichterstattung über die Lage von Corona in Deutschland und der Welt wieder auf!