bakerdeutschlandfunkDAS JÜDISCHE LOGBUCH, Anfang Dezember

Yves Kugelmann

Paris, (Weltexpresso)  -  «Masal Tov!» rufen vier sephardische Juden am Nebentisch. Zwei junge Männer, zwei junge Frauen. Einer orthodox gekleidet mit Kippa. Soeben ist im Café Flore ein Tablet runtergefallen mit entsprechend vielen Scherben. Sie sind auf dem Weg zu einem Chanukka-Anlass und machen KaffeePause im Literaten-Café in Saint-Germain-des-Prés. Das dritte Chanukkalicht wird gezündet.

Längst ist es dunkel geworden. Im einen oder anderen Fenster eine Chanukkia. Die Strassen sind überfüllt. Die Boutiquen sind fürs Weihnachtsgeschäft gerüstet mit aufwendigen Schaufensterinszenierungen und Beleuchtungen. In Richtung St. Michel staut sich der Abendverkehr. Dann beginnen die Glocken zu Leuten. Der Weg zum Pariser Panthéon ist für den Strassenverkehr blockiert. Ein Sarg der legendären 1975 in Paris verstorbenen afroamerikanischen Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin wird in die nationale Ruhmeshalle von Frankreichs Heldinnen und Helden überführt. Vereint mit Voltaire, Victor Hugo, Simone Veil oder mit den «Justes de France», jenen Judenrettern, die kollektiv geehrt im Panthéon geehrt sind.

Es ist ein bewegende symbolträchtige, laizistische Zeremonie für die aus den USA verstoßene Baker, in der Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nochmals die geteilten Werte der französischen Gesellschaft in Erinnerung ruft. Die Gebeine von Baker allerdings blieben auf Wunsch der Familie auf dem Friedhof in Monaco.

Kurz zuvor hat der rechtsextreme Éric Zemmour im Internet seine Kandidatur für die bevorstehenden Präsidentschaftskandidatur im Frühjahr 2022 bekanntgegeben. Ein Kontrast, wie er nicht größer sein könnte. Baker, Einwanderin, Bürgerrechtlerin, Widerstandskämpferin, zu Beginn Enfant terrible in Frankreichs Salons, verkörperte den französischen Geist gegen die Besatzung. Ab 1939 spielte Baker eine wichtige Rolle im Widerstand des Zweiten Weltkriegs. Sie nutzte ihren Status als Künstlerin, um der französischen Armee vertrauliche Informationen zuzuspielen und spionierte im Auftrag der alliierten Streitkräfte. Ein Engagement, das auf ein bewegtes Leben folgte.

Zurück in den USA wurde Baker Opfer der rassistischen Diskriminierung von Schwarzen im öffentlichen Leben. Anfang der 1960er-Jahre reiste sie erneut nach Amerika, um die Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King zu unterstützen. Sie adoptierte zwölf Kinder unterschiedlicher Herkunft und Religion als Symbol für Toleranz. Baker starb im April 1975 in Paris im Alter von 68 Jahren. Begraben wurde sie in Monaco. Das Datum für den Einzug in den Pariser Ruhmestempel wurde nicht zufällig gewählt, denn am 30. November 1937 hatte Baker den jüdischen Industriellen Jean Lion geheiratet, wodurch sie Französin, Europäerin und somit Weltbürgerin wurde. Emmanuel Macron sagt in seiner Ansprach mit dem Anspruch des europäischen Leaders: «Mit Ihnen, Josephine Baker, zieht heute eine gewisse Idee der Freiheit ins Panthéon ein, eine Idee von einem Fest. Als Amerikanerin wurden Sie geboren, aber es gab wohl niemanden, der französischer war als Sie. Mein Land, das ist Paris, haben Sie gesagt.» Und er schließt: «Mein Frankreich, das ist Josephine.»


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Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 3. Dezember 2021
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.