Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg

 

Helmut Marrat

 

Hamburg (Weltexpresso) - Natürlich ist Hamburg eine schöne Stadt. Sie gilt als beliebt. Der Hafen, und so fort. Und wenn man Ortsfremde schwärmen hört, so freut das einen sicherlich, auch wenn schnell klar wird, daß diese Stadt für vieles steht, nur für eines nicht: für Kultur. Was ungerecht ist, denn die Sammlung der Kunsthalle etwa, wie hier die Gemäldegalerie norddeutsch zurückhaltend heißt, ist die schlechteste nicht.

Hamburg hat zwei große Sprechbühnen, das derzeit durch technische Probleme von sich reden machende Schauspielhaus und das Thalia Theater. Zudem finden sich noch einige propere Privattheater. Unter ihnen ist das Ernst-Deutsch-Theater, mit einem immerhin 700 Plätze fassenden Zuschauerraum das größte Privattheater der Bundesrepublik, was in heutiger Zeit eine nicht ganz leichte Aufgabe ist.. Erinnert sei nur daran, daß Staatstheater schon seit Jahren mit einiger Raffinesse daran gegangen sind, ihre Zuschauerräume zu verkleinern. (So steigerte schon manche Bühne ihre prozentuelle Platzauslastung und sorgte dafür, daß die immer geringere Menge an Zuschauern sich nicht allzu verloren vorkam).

 

Das Ernst-Deutsch-Theater hingegen kann seit Jahrzehnten auf ein treues Publikum zählen. Es sind, wie man so sagt, reelle Leute. Doch auch die sind durchaus anspruchsvoll und es ist schon ein Können, ein erfolgreiches Programm Jahr für Jahr auf die Beine zu stellen. Isabell Vertes Schütter gelingt dies mit bewundernswertem Geschick.Es gibt an diesem Theater übrigens kein festes Ensemble, sondern man engagiert die Schauspieler von Stück zu Stück.

 

Nun gab es einmal Jahre, wo es als Karriereknick galt, wenn man hier auftrat, so wie es vor Urzeiten einmal Will Quadflieg widerfuhr, als er, nach dem Tode von Gustaf Gründgens irgendwie heimatlos geworden war und also im Ernst-Deutsch-Theater Zwischenstation machen mußte. Doch diese Zeiten sind offenbar lange vorbei.

 

Der Schauspieler Volker Lechtenbrink war zwischenzeitlich sogar interemistisch Intendant des EDTs, doch längst arbeitet er nur noch als allerdings geschätzter Gastschauspieler.Ein Name, der Publikum anlockt. Man kann sagen, daß er immer dann gut ist, wenn er sich zurücknehmen muß. Vor ein paar Jahren spielte er an diesem Theater den Hauptmann von Köpenick, und dort setzte er sich gewissermaßen von seiner Rolle ab, lieferte die historische Bewertung gleich mit, was dann dazu führte, daß einem der Darsteller lediglich übereitel vorkam. In dieser aktuellen Arbeit nunwirkt es so, als sei er durch den Regisseur (Andreas Kaufmann) gebremst worden, vielleicht sogar veunsichert. Jedenfalls spielt er geradezu vorsichtig, ein wenig zögerlich, und das paßt.

 

Lechtenbrink ist ohnedies ein wirkungsvoller Darsteller. Er mißt sich in dieser Rolle immerhin an so berühmten Vorgängern wie James Stewart und hält stand. Es ist ja eine tolle Geschichte. Ein Mann, namens Dowd (Zweifel?) lebt mit einem nur ihm sichtbarem zwei Meter großen Hasen, den er sich als Begleiter erkoren hat, weshalb auch immer, und jetzt wurde er in eine Klinik gebracht, wo man ihm den "Harvey" durch eine Spritze nehmen möchte. Seine Schwester fühlt sich entschlossen. Sie will sich nicht länger blamieren mit einem Bruder, der allen stets den ihnen zweifellos nicht sichtbaren Hasen vorstellt. Doch nun belehrt sie der Taxichauffeur (gut: Jessica Kosmalla), daß ihr Bruder mit dem Hasen auch seine Gutmütigkeit, verlöre, und also verhindert sie in letzter Minute die Aktion. Maria Hartmann (vor Jahren einmal das Gretchen an Boy Goberts Thaliatheater. und später lange Zeit am Berliner Schillertheater) hat, genau besehen, die schwerste Partie des Theaterstücks, doch sie glückt ihr. Was auch deswegen nicht unwichtig ist, weil diese Rolle das hysterische Gegenbild zum stets ruhigen Bruder sein soll, so hysterisch übrigens, daß sie beinah selbst für verrückt erklärt wird. Man sieht, der Fall Mollath ist nicht weit, wenngleich hier andere Motive vorherrschen.

 

Ohnehin lebt Schauspiel ja, der Oper ähnlich, von seiner Musik und, den stimmenden/stimmigen Ton zu treffen, ist eigentlich Grundvoraussetzung. Volker Lechtenbrink trifft ihn. Er wird einem dadurch lange in Erinnerung bleiben.