Steuersünder II
Helmut Marrat
Hamburg (Weltexpresso) - Über Alice Schwarzer zu schreiben, ist für mich nicht einfach. Sicher, es wäre einfach und schnell abgetan, wenn ich lästern wollte(Die trägt ja die schwarzen Kassen schon in ihrem Namen, und so fort.). Aber das will ich nicht. Warum? Wer sollte es denn statt ihrer machen?
Wer würde sich, wenn auch teilweise etwas lautstark und breit, um die Rechte benachteiligter Frauen kümmern, wenn nicht sie? Was also würde aus diesen Ideen, ohne sie? Es könnte sein, daß hierin der Grund für die auffällige Zurückhaltung der Medien, in dieser Angelegenheit (immerhin eine Straftat) zu finden ist. Am letzten Montag gab es allerdings ein "Hart aber fair". Dort saßen im Studio drei Politiker (Göring -Eckardt von den Grünen, der FDP-Mann Kubicki und der NRW-Finanzminister Walter Borjans von der SPD), ein Journalist (Ernst Elitz) und dieTV Produzentin Gisela Marx, hier als enge Freundin Schwarzers vorgestellt.
Marx moderierte vor Jahren einmal die Sendung "Leute" aus dem Cafe Kranzler in Berlin, ein seinerzeit riesiger Nachkriegsbau, direkt am Kurfürstendamm, der die alte Tradition der vielen Cafes in letzten Rückzugsgeschäften weiterführte. Dazu der Name, dessen berühmtester Vorläufer vor dem Krieg wohl an der Ecke Friedrichsstraße/ Unter den Linden, zu finden war, doch das lag jetzt in der sogenannten Hauptstadt der DDR. Jedenfalls mühte man sich im Westen noch Jahre, die Idee zu pflegen, und Wolfgang Menge wollte mit seiner Sendung dem Cafe angeblich helfen. Heute gibt es übrigens nur noch die mit gestreiften Markisen geschmückte Rotunde auf dem Dach, und unten irgendeinen Allerwelts-Klamottenladen. Gisela Marx war, so hieß es, mit Menge befreundet und verstärkte mit Elke Heidenreich die Moderatorinnenriege.
Irgendwann soll sich Frau Heidenreich aber abgesetzt haben, denn die ebenfalls aus Köln anreisende Marx habe einen enervierenden herrischen Ton an sich. Und so reiste sie davon. Bei Plasberg nun wirkte Frau Marx eher gedämpft, während die an und für sich geschätzte Frau Göring-Eckardt von den vielen muslimischen Frauen zu berichten wußte, die angeblich voll Stolz ihr Kopftuch trügen. Die aber leider Schwarzer wiederholt "niedergemacht" habe. Zeigt dies vielleicht, wie wichtig Alice Schwarzer dennoch ist?
Es soll hier nicht diese Sendung nacherzählt werden, denn jeder kann sie sich im Internet nachträglich ansehen. Es soll um die Frage gehen: Wie kommt es, daß die politische Klasse immer noch unterwegs ist, den Bürgern einzureden, der Staat habe zu wenig Geld und an anderer Stelle in den Nachrichten gemeldet wird, die öffentliche Hand erziele Einnahmen in Rekord-Höhe?
Über Alice Schwarzer zu sprechen, ist einfacher. Fast jeder äußert sich dazu, von enttäuscht bis spöttisch, wobei die Frauen, die ich fragte, sich häufiger enttäuscht zeigten und die Männer fast erleichtert. Jedenfalls fielen die Kommentare anders aus, als im Gästebuch ihrer gut gestalteten Internetseite.
In diesem Gästebuch schienen sich alle unterschiedslos positiv zu äußern. Ob Männer, von denen mehr aufgeführt wurden, als man bei Alice Schwarzer vermuten würde. (Und da wird doch vermutlich nicht gefiltert oder multipliziert , wie es beim ADAC passiert sein soll). Oder Frauen.
Viel Bewunderung für Alice Schwarzer. Und kann man sich vorstellen, soll man sich wünschen, daß es jetzt damit vorbei ist?
Noch ein, keinesfalls böse gemeinter Nachsatz: Als ich von der Spiegelmeldung hörte, dachte ich: Nach all den Herren mal die erste Frau, die Steuern hinterzog. Doch das stimmte nicht. Es gab vorher schon andere Fälle, auch nicht zu beweisende oder bewiesene Verdachtsmomente. Und einen der ersten betraf nun ausgerechnet Verena Pooth, mit der sich Alice Schwarzer einst in der Unterhaltungssendung "Kerner"über die Rolle der Frau stritt. Sicher ein Zufall, doch jetzt führte das nicht eingehaltene Steuergeheimnis beide gewissermaßen wieder zueinander.