quelle gett imagesKundenservice der WELT zu Corona vom letzten Freitag, Serie: 34. 2

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Das Coronavirus ist tückisch: Selbst Menschen mit nur schwachen Infektionssymptomen kann es über Monate und Jahre zusetzen. Einer der Hauptverdächtigen als Verursacher der Beschwerden sind sogenannte Autoantikörper: Abwehrproteine des Patienten, die sich nicht nur gegen das Virus, sondern auch gegen körpereigene Zellen und Organe richten. Was ist dran an diesem Verdacht? Und welche Rolle spielt die Blutwäsche dabei? Autorin Gerlinde Felix hat für WELT ein Gespräch mit dem Rheumatologen und Autoantikörper-Experten Andreas Radbruch geführt.

WELT: Herr Professor Radbruch, was genau sind Autoantikörper? Können Sie uns das erklären?

Radbruch: Normale Antikörper bildet das Immunsystem, um Bakterien und Viren wie das Coronavirus Sars-CoV-2 zu bekämpfen. Kleine Antikörperfabriken, die Plasmazellen, produzieren diese Proteine. Jeweils passgenau zu einer als fremd erkannten Struktur, auf die sie zielen; das so genannte Antigen, das den jeweiligen Erreger kennzeichnet. Autoantikörper richten sich gegen sogenannte Autoantigene. Und damit gegen körpereigene Strukturen wie Rezeptoren und Botenstoffe. Sie docken an ein solches Autoantigen an und markieren es für bestimmte Immunzellen. Woraufhin diese tätig werden und aufräumen. Das kann Folgen für Nerven oder andere Strukturen haben, abhängig davon, wo genau sich das Antigen befindet.


WELT: Zu den Eigenschaften, die das Coronavirus so gefährlich machen, gehört auch die heftige Immunantwort, die es auslöst. Selbst Monate nach der Ansteckung werden noch Antikörper gegen den Erreger gebildet – darunter auch solche Autoantikörper. Welche Folgen kann das kurz- und langfristig haben?

Radbruch: Autoantikörper können sich bei Covid 19 zum Beispiel gegen bestimmte Botenstoffe richten, die Interferone. Typ1-Interferone beispielsweise hemmen die Virusvermehrung und warnen bislang nicht infizierte Nachbarzellen vor den Viren. Das ermöglicht diesen, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wenn das Virus es geschafft hat, über Nasen, Rachen und Lunge in das Innere des Körpers vorzudringen, sind die Interferone Teil der nächsten Verteidigungslinie. Blockieren nun aber Autoantikörper das Interferon vom Typ 1, schwächt das die Immunabwehr merklich. Das ist ein sehr reales Problem bei Covid 19.


WELT: Warum?

Radbruch: Etwa vier Prozent der über 70-Jährigen haben derartige Autoantikörper. Sie produzieren zwar Interferon, aber die Autoantikörper machen es wirkungslos. Unter den Intensivpatienten sind 10 bis 20 Prozent betroffen. Genau sie zählen zu den Kranken, die leider eine schlechte Prognose haben.


WELT: Wie kommt es zur Bildung von Autoantikörpern bei Infizierten?

Radbruch: Es handelt sich schlichtweg um einen Unfall bei der Immunreaktion. Und zwar bei jenem Prozess, bei dem die Antikörper weiter optimiert werden. Wenn das Immunsystem beispielsweise gegen Sars-CoV-2 Antikörper bildet, dann können zufällig auch solche Autoantikörper entstehen. Je heftiger die Abwehr reagiert, desto leichter passiert das. Die Plasmazellen, die sie herstellen, sind kurzlebig und sterben bald wieder ab. Gelangen solche Plasmazellen aber ins Knochenmark, bevor die zuständigen Kontrollmechanismen sie aussortieren können, werden die Plasmazellen langlebig. Dann produzieren sie diese Autoantikörper immer weiter. Und das macht langfristig krank.


WELT: Gibt es denn trotzdem schon Therapien?

Radbruch: Es gibt Erfahrungsberichte, die zeigen, dass sich Verfahren, mit denen sich Autoantikörper aus dem Körper entfernen lassen, positiv auf die Beschwerden auswirken. Allerdings gilt das nur dann, wenn die Autoantikörper nicht ständig nachproduziert werden.


WELT: Was sind das für Verfahren?

Radbruch: Es geht einmal um eine Blutwäsche, bei der man das Blut außerhalb des Körpers reinigt. Bei anderen Autoimmunerkrankungen hat sich diese Therapie bereits bewährt. Wie gut sie jedoch bei langanhaltenden Covid-Beschwerden hilft, wissen wir noch nicht genau. Die Autoantikörper werden, vereinfacht dargestellt, bei diesem mehrstündigen Verfahren aus dem Blut herausgefischt, anschließend wird das gereinigte Blut wieder in den Körper zurückgeleitet. Es gibt einige klinische Zentren, die dieses recht teure Verfahren selbstzahlenden Covid-Patienten anbieten.

Das gesamte Interview mit Professor Radbruch in ungekürzter Länge lesen Sie auf welt.de.


der blick auf die anderen reinerDER BLICK AUF DIE ANDEREN

Quelle: dpa/picture alliance/ Reiner Bernhardt

Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern werden die Corona-Maßnahmen nach und nach analysiert und ausgewertet. In Dänemark steht dabei eine ungewöhnliche Aktion im Fokus, durch die nun erneut die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen unter Druck geraten ist. Es geht um Nerze (im Foto). Frederiksens Regierung hatte Anfang November 2020 angeordnet, dass die über 15 Millionen Zuchtnerze im Land gekeult, also getötet, werden müssen. Als Begründung hieß es damals, der Schritt diene als Schutzmaßnahme, da die Tiere das Coronavirus in sich trügen und es in ihnen mutiere. Die Nerze waren zur Pelzproduktion gezüchtet worden, bei der Dänemark damals einer der Weltmarktführer war.

Wie sich später herausstellte, hatte für die Massenkeulung zu dem Zeitpunkt aber die nötige Rechtsgrundlage gefehlt. Diese wurde erst im Nachhinein geschaffen. Der damalige Lebensmittelminister Mogens Jensen trat im Zuge der Kontroverse zurück. Hinzu kam außerdem, dass viele Nerze nur notdürftig verscharrt wurden – und die Kadaver später wieder an die Oberfläche kamen.

Nun, anderthalb Jahre nach dem radikalen Nerz-Beschluss, hat eine Untersuchungskommission deutliche Kritik am Vorgehen der Regierung und der Behörden geäußert. Die Aussagen der Ministerpräsidentin auf der damaligen Pressekonferenz, als sie den Schritt verkündete, seien „objektiv betrachtet grob irreführend“ gewesen. Absichtliches Verschweigen warf sie der Regierungschefin aber nicht vor.

Frederiksen weist Kritik weiter von sich: Durch den Untersuchungsbericht bekräftigten sich ihre Aussagen, dass sie als Ministerpräsidentin nicht gewusst habe, dass damals die rechtliche Grundlage für den Schritt gefehlt habe. Sie habe ihre Wahrheitspflicht eingehalten und nicht beabsichtigt gehabt, etwas zu sagen, was nicht korrekt war, betonte Frederiksen am Freitag. Zugleich entschuldigte sie sich für die gemachten Fehler und explizit bei den betroffenen Nerzzüchtern.

Die besagten Züchter haben millionenschwere Ausgleichszahlungen aus Steuergeldern erhalten. Laut dem „Guardian" ist die Nerzzüchtung bis mindestens 2023 in Dänemark verboten; die meisten Nerzzüchter zeigen kein Interesse, ihr Geschäft weiterzuführen. Lediglich 15 Züchter erwägen, wieder in die Nerzzüchtung einzusteigen, der Rest gehe inzwischen anderen Berufen nach.


lichtblick dittrichDER LICHTBLICK

Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Seit dieser Woche gibt es keine kostenlosen Corona-Schnelltests für alle mehr – dies als „gut" oder „schlecht" zu bewerten, das überlasse ich Ihnen. Durch die neue Testverordnung steht fest: Nur unter bestimmten Bedingungen ist ein Schnelltest fortan kostenlos, andernfalls zahlt man drei Euro oder den vollen Preis. Doch die Botschaft, die dahintersteckt, ist immerhin eine gute: Die Coronalage ist nicht mehr so schlimm, dass die regelmäßig angebotenen kostenlosen Coronatests für alle Bürger notwendig sind.


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Quelle: Getty Images