Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Dem Kirschbaum hinter der Hecke auf der anderen Straßenseite scheint dieser Morgen nicht zu gefallen. Missmutig schüttelt er seine Krone, wenn der Novemberwind an seinen goldfarbenen Blättern zerrt, die ihm dieses Jahr zu einer Glanzrolle im herbstlichen Farbenspiel verholfen haben.
Jetzt dominiert das jahreszeitliche Grau. Regentropfen malen in den Pfützen auf dem Bürgersteig unermüdlich kleine Kreise und an den Fensterscheiben rinnt das lang ersehnte Nass in langen Bahnen auf die müde Erde. Amseln huschen auf der Suche nach den Resten von Fallobst unter den Zweigen des japanischen Schlitzahorns hin und her. An den kahlen Ästen der Sternmagnolie sprießen aus der Rinde zaghaft hunderte neuer Knospen als Vorboten des nächsten Frühlings.
Was für ein Wunder, dass der winterliche Frost ihnen nichts anhaben kann. Wie lange werden ihm die Blätter des Kirschbaums widerstehen?
Merkwürdig wie die Farben sich auch bei bedecktem Himmel verändern.
Ein paar Tage noch, dann hängen weihnachtliche Lichterketten in den Zweigen als Verheißung einer besseren Zeit.
PS. Der Kirschbaum im November ohne Regen
Klage und Hoffnung
Wie ein Grabstein steht die Stille
zwischen Baum und Strauch im Garten;
hingemäht des Sommers Fülle –
jetzt beginnt das lange Warten.
Aus der grauen Wolkendecke
taumelt Schnee auf Zaun und Ranke;
schwarz die Amsel in der Hecke,
wie ein finsterer Gedanke.
Banges Herz – genug der Klage!
Wollen lieber daran denken,
dass die nächsten Frühlingstage
wieder neuen Mut uns schenken.
K.N. 1993
Fotos:
©K.N.
©K.N.