gesprach deAus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom 6. 1., Teil 2

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Die ungarische Forscherin Katalin Karikó (im Foto) hat unter anderem den Weg für die neuartigen Impfstoffe gegen Corona geebnet. Bis vor Kurzem hat sie bei Biontech gearbeitet. Sie erhält viele Zuschriften – und muss mit absurden Irrtümern aufräumen. Im Interview mit unserer Wirtschaftsredakteurin Anja Ettel und Chefredakteurin Jennifer Wilton hat die Forscherin erklärt, welche Irrtümer das sind und was sie über Impfnebenwirkungen weiß.

WELT AM SONNTAG: Seit drei Jahren leben wir nun mit Corona. Wie viel Angst macht Ihnen das Virus noch?

Karikó: Corona macht mir keine Angst mehr. Ich bin mittlerweile viermal geimpft, für das fünfte Mal hatte ich nur noch keine Zeit bisher.


WELT AM SONNTAG: Ist die Pandemie vorbei?

Karikó: Nein, nein, das Virus ist weiterhin da, und es verändert sich weiter. Aber durch die mehrfachen Impfungen ist das Repertoire an Antikörpern gestiegen, die auf verschiedene Stellen des viralen Spike-Proteins zielen. Das ist der wirkliche Grund, warum die Menschen unter neuen Varianten wie Omikron nicht mehr so krank werden. Es ist ein Irrtum zu glauben, das Virus sei milder geworden. Omikron ist nicht mild, es kann ungeimpfte Menschen weiterhin schwer krank machen und sogar töten. Dass jetzt deutlich weniger Menschen an Covid sterben als vorher, liegt daran, dass mittlerweile so viele durch die Impfungen geschützt sind.


WELT AM SONNTAG: Das sehen viele Impfgegner anders.

Karikó: Die Impfung ist neu, deshalb gibt es viele Unsicherheiten. Ich bekomme zum Beispiel jeden Tag viele Mails von Menschen, die mir über ihre Erfahrungen mit Comirnaty (der Impfstoff von Biontech/Pfizer, Anm. d. Red.) schreiben. Ich helfe da gern, auf Beleidigungen antworte ich allerdings nicht.


WELT AM SONNTAG: Was schreiben die Menschen Ihnen?

Karikó: Kürzlich schrieb mir eine Frau, dass bei ihr zwei Tage nach der Impfung eine große Geschwulst an der Brust aufgetaucht sei. Die Impfung habe den Krebs ausgelöst, war ihre Schlussfolgerung. Aber der Krebs war vorher schon da, nur hat die Impfung dem Immunsystem einen Extrakick versetzt, sodass sich die Immunabwehrzellen in großer Zahl auf den Feind gestürzt haben. Wahrscheinlich kam es deshalb zu dieser raschen Schwellung. Auch wenn das Impfgegnern unwahrscheinlich vorkommen mag: Das Vakzin hat ihr dadurch vermutlich sogar geholfen, den Krebs schneller zu entdecken. Es gibt auch Frauen, die mir berichten, dass sie nach der Impfung plötzlich schwanger geworden sind, obwohl sie das vorher jahrelang nicht konnten. Tatsächlich ist der Effekt von Impfungen auf den Menstruationszyklus mittlerweile gut erforscht, das betrifft aber alle Impfungen, nicht nur mRNA-Vakzine.


WELT AM SONNTAG: Viele Ärzte und Patienten berichten über einen Anstieg von Gürtelrose-Infektionen. Sehen Sie da auch einen Zusammenhang?

Karikó:
Eine Impfung sorgt für einen kräftigen Schub für das Immunsystem, aber natürlich nur für eine gewisse Zeit. Danach schaltet die Immunabwehr wieder einen Gang zurück. In dieser Phase kann es unter ungünstigen Umständen durchaus vorkommen, dass bei Menschen mit ohnehin angeschlagenem Immunsystem eine schlummernde Infektion durchbricht. Inwieweit das bei Gürtelrose der Fall ist, wird man noch genauer untersuchen müssen.


WELT AM SONNTAG: Kürzlich hat in Deutschland eine Studie des Pathologen Peter Schirmacher für Aufregung gesorgt. Demnach kann es nach einer mRNA-Impfung bei manchen Menschen zu einer potenziell tödlichen Myokarditis kommen. Wie groß ist die Gefahr wirklich?


Karikó: Ich kenne diese Studie nicht. Klar ist, dass jede Impfung Nebenwirkungen hat. Man muss dazu auch wissen, dass nicht der Impfstoff für den eigentlichen Schutz sorgt, sondern die Reaktion des eigenen Immunsystems auf die Impfung. Während der Pandemie sind sehr viele Menschen geimpft worden, mit ganz unterschiedlichen und teilweise auch seltenen medizinischen Leiden. Natürlich hat man vorher nicht explizit jeden Sonderfall untersuchen können. Deshalb kann es vorkommen, dass bei einer sehr großen Zahl an geimpften Personen bestimmte Nebenwirkungen auch erst nach einer gewissen Zeit sichtbar werden. Das betrifft insbesondere die Wirkstoffverstärker von Impfungen, im Fall der mRNA-Impfungen also die Lipidnanopartikel. Natürlich muss man das alles weiter genau untersuchen, aber das wird ja auch gemacht.

Das gesamte Interview mit der Forscherin Katalin Karikó lesen Sie hier.


DER BLICK AUF DIE ANDEREN


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In den letzten Tagen wurde viel über die Corona-Entwicklung in China gesprochen: Dort breiten sich seit Anfang Dezember die Omikron-Varianten BA.5.2 und BF.7 rasant aus. Einer Analyse des chinesischen Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention zufolge sollen diese besagten beiden Varianten 97 Prozent der neuen Infektionen in China ausmachen – es sei also keine neue Mutation entstanden.

Dennoch haben die USA und die Europäische Union zur Vorsicht aufgerufen und Testungen eingeführt beziehungsweise empfohlen. Voraussichtlich ab Montag greifen verschärfte Einreiseregeln für Reisende aus China, wenn sie nach Deutschland möchten. Die kurzfristig geänderte Einreiseverordnung soll laut Bundesgesundheitsministerium noch an diesem Freitag vom Bundeskabinett beschlossen werden. Deutschland setzt mit der Testpflicht die Empfehlung der Europäischen Union um. Gesundheitsexperten der 27 EU-Staaten hatten am Mittwochabend nach Beratungen nachdrücklich dazu geraten, eine solche Pflicht einzuführen.

Reisende aus China müssen ab Montag also vor einem Abflug nach Deutschland mindestens einen negativen Antigenschnelltest vorweisen, der maximal 48 Stunden alt sein darf. Kontrolliert werden soll das offenbar von den Fluggesellschaften. Zudem seien von den Behörden Stichproben bei der Landung geplant. Deutschland will außerdem das Abwasser von Flugzeugen aus China auf mögliche neue Coronavirus-Varianten untersuchen.

In China versucht die Regierung inzwischen, vor allem die ältere Bevölkerung zu einer Corona-Impfung zu motivieren. „Sogar mit Geldgeschenken versuchen Chinas Behörden, allen über 60 eine Impfung gegen das Coronavirus schmackhaft zu machen", schreibt unser Autor Joe McDonald. Seinen Bericht lesen Sie hier.


DER LICHTBLICK


fdp Quelle: Thomas Kienzle/ AFP

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai (im Foto) hat zu einem Umdenken mit Blick auf das Coronavirus aufgefordert. „Ich erwarte vom Gesundheitsminister, dass jetzt eine neue Phase eingeleitet wird“, sagte Djir-Sarai am Freitag bei der traditionellen Dreikönigskundgebung der Liberalen in Stuttgart. Die Phase der staatlichen Instrumente und Einschränkungen solle enden, spätestens nun müsse eine Phase der Empfehlungen und Eigenverantwortlichkeit beginnen. An seine Parteikollegen gerichtet, sagte er: Eine Bürgerrechtspartei wie die FDP müsse die Frage der Verhältnismäßigkeit stellen. Wenn führende Virologen sagen, das Ende der Pandemie sei erreicht, dann sehe er keine rechtliche Grundlage mehr für Einschränkungen der Freiheit und der Grundrechte.

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Quelle: Marlene Gawrisch, Welt