Serie: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE, Teil 1: Neues Leben in Sicherheit mit Schulabschluß in Schlüchtern/Hessen

 

Hanswerner Kruse

 

Schlüchtern (Weltexpresso) – Die große weite Welt ist nicht nur woanders. Die Welt kommt auch zu uns. Eva ist eine normale junge Frau mit einer lustigen Frisur und bunten Strähnen im Haar, sie zieht sich cool an und hat ein hinreißendes Lächeln. „Okay“- wie sie selbst immer sagt, sie ist dunkelhäutig, aber das ist heutzutage auch normal, sie könnte aus Frankfurt oder Flieden kommen

 

Doch die bald Zwanzigjährige ist in Somalia geboren, war ihr halbes Leben lang Flüchtling und geriet erst im letzten Jahr zufällig nach Deutschland. Als sie zwei Jahre alt war, floh die Mutter mit Eva und deren Schwestern vor dem Terror der verschiedenen somalischen Milizen nach Kenia. Dort lebte sie über ein Jahrzehnt, bis sie denunziert wurde, an einem Unfalltod beteiligt zu sein - zu Unrecht, aber vor der Rache der Angehörigen musste sie zu ihrem Vater nach Somalia fliehen. Dort wurde sie von Al Shabaab, einer muslimischen Terrorbande drangsaliert. Die Islamisten haben in Teilen Somalias einen Gottesstaat errichtet und sind für ihre bestialische Morde, Verstümmelungen und andere Grausamkeiten, besonders gegenüber Frauen, gefürchtet.

 

Ganz alleine, ohne Freundinnen oder Verwandte, floh sie sieben Monate lang von Mogadischu quer durch Eritrea, den Sudan bis nach Lybien. Dann fuhr sie tagelang in einem völlig mit Flüchtlingen überladenem Schiff „bis irgendwo nach Italien.“ Dort lernte sie sofort eine deutsche Frau mit zwei Kindern kennen, die sie mit nach München nahm. Eva fror entsetzlich und erlebte hier zum ersten Mal Schnee, „den kannte ich nur aus dem Fernsehen.“ Sie meldete sich als Asylbewerberin und kam über Gießen nach Schlüchtern. „Es war eine harte, schreckliche Zeit", erzählt Eva, denn die meisten der von ihr „bereisten“ Länder in Afrika sind nicht gerade für die Achtung von Frauenrechten bekannt. Wie so oft fragt der Reporter besser nicht nach Details.

 

Sicherheit“, antwortet die junge Frau sofort auf die Frage, was sie an Deutschland mag, „Sicherheit!“. „Und die Regeln“, fügt sie hinzu, „hier halten sich alle an Regeln!“ „Ich habe einen Traum“, erklärt sie, „ich möchte Krankenschwester sein. Jetzt nutze ich die Chance

zu lernen.“ Sie macht in der Kinzigschule ihren Hauptschulabschluss in einer Klasse

mit 16 ausländischen Schülern. In Afrika hatte Eva eine schulische Ausbildung, mittlerweile spricht sie recht gut deutsch, nur selten verfällt sie im Gespräch ins Englische. Nach einem dreiwöchigen Praktikum in der geriatrischen Abteilung des Krankenhauses arbeitet sie demnächst drei Wochen im Altersheim.

 

Nach dem Abschluss der Hauptschule kann sie im nächsten Frühjahr mit der Ausbildung als Krankenpflegehelferin beginnen, sie hat schon die Zusage des Krankenhauses: Ihr Traum rückt ein Stückchen näher. Eva ist glücklich hier, auch wenn sie sich manchmal recht alleine fühlt und gerne mehr deutsche Freunde hätte. Sie tanzt und singt gerne, der Reporter traf sie zum ersten Mal vor einiger Zeit mit ihrer jamaikanischen Freundin im Singkreis des Schlüchterner „Rosengartens“.

 

 

HINTERGRUND

 

Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt“ (EIBE) heißt das Programm, das etwa 3000 hessischen Jugendlichen jährlich die Möglichkeit eröffnet, den Hauptschulabschluss nachzuholen bzw. sich weiter zu qualifizieren. Im Rahmen der beruflichen Orientierung und Vorbereitung werden spezielle Angebote entwickelt. Bei dieser Maßnahme in der Schlüchterner Kinzigschule beträgt der Anteil zugewanderten Jugendlichen etwa 30%. Die Maßnahmen werden durch den Europäischen Sozialfonds und dasHessische Kultusministerium getragenen