17.4.2014: Premiere am Ernst Deutsch Theater in Hamburg: Halpern & Johnson
Helmut Marrat
Hamburg (Weltexpresso). Was für eine gelungene Aufführung! Zwei Schauspieler, die äußerst präzise spielen, eine Regie, die humorvoll ausdeutet und sehr treffend in Szene setzt. Dazu ein schönes Bühnenbild, das sich mühelos bespielen lässt. Wann je kann man das über einen Theaterabend schreiben? Wann gelingt überhaupt ein Theaterabend?
Gut, Karin Baier kämpft sich durch. Sie ist neue Intendantin am Deutschen Schauspielhaus, der größten Sprechbühne der Stadt, mit mehr als tausend Plätzen, aber noch ist ein geordneter Aufbruch nicht erreicht. Und Joachim Lux macht, wie man hört, zwar ganz solide Arbeit am zweitgrößten Theater der Stadt, dem Thalia, aber so ganz strahlend gelingt es auch dort nicht.
Nun wieder eine Premiere am Ernst Deutsch Theater, und ich wies schon darauf hin, dass die Intendantin bei Programm und Besetzung sehr geschickt vorgeht (vergl. Beitrag am 14. Januar 2014 "Mein Freund Harvey"). Auch "Halpern & Johnson" anzusetzen, Gerd Heinz für die Regie und Charles Brauer und Werner Rehm für die beiden Hauptrollen zu gewinnen, bestätigt wiederum diesen Eindruck.
Das Stück ist gar nicht großartig, aber in gekonnten, bissigen Dialogen verfasst.
Als der Vorhang sich öffnet, blicken wir kurz durch einen Gaze-Vorhang, also einen transparenten, auf die Bühne und werden zunächst Zeuge einer Trauerzeremonie. Es ist ein jüdischer Friedhof, und ein älterer Mann namens Halpern (Werner Rehm) spricht das "Kaddisch", ein Gebet, heute assoziiert mit Tod und Trauer, grundsätzlich aber als Lobpreisung Gottes dem christlichen Vaterunser vergleichbar. Das Kaddisch hat der Dramaturg Stefan Kroner, da davon auszugehen ist, dass der überwiegende Teil des Publikums hier unkundig ist, im Programmheft abdrucken lassen.
Einer der Trauergäste ist ein gewisser Johnson. Er selber ist Christ, und jahrzehntelang das heimliche Verhältnis der nun verstorbenen Florence. Allerdings nur ein platonisches. Man traf sich einmal jährlich oder halbjährlich zum Essen und Plaudern. Und jene Florence lebte bei dieser Gelegenheit aus, was ihr in der braven Ehe mit dem Schrotthändler Halpern nicht möglich war. Und seien es lediglich Gespräche über Kunst und Literatur.
Der sich betrogen vorkommende Witwer reagiert bestürzt, und der "Betrüger" versucht, zu beschwichtigen. Es kommt zu heftigem Streit. Doch da es sich um kein garstiges Stück handelt, wird am Ende Freundschaft daraus. Mit anderen Worten "Casablanca" wird hier "geplündert". Ob das der Grund ist, dass die Zuschauer am Schluß die Aufführung eine Spur verhalten beklatschen, weiß ich nicht, Dennoch sehr freundlicher Applaus mit vielen Bravos.
Gerd Heinz zeigt sich dabei recht häufig. Er hat allerdings intelligent und humorvoll inszeniert, und Lilot Hegi prima ausgestattet.
Charles Brauer spielt den Johnson, wie oft und schon vor Jahren am Deutschen Schauspielhaus, fabelhaft. Er gibt ihm die buchhalterische Genauigkeit, die nötig ist, aber auch einen mütterlich-besorgten Zug.
Und Werner Rehm, der lange an der Berliner Schaubühne spielte, und den Peter Stein dankbar hervorgehoben hat, war lange nicht mehr so gut wie an diesem Abend. Er zeigt uns sehr eindrucksvoll den Bewußtseinsprozeß seiner Figur und darüber hinaus die Gabe, Pointen treffsicher zu setzen.
Info:
Halpern & Johnson stammt vom in London lebenden Autor Lionel Goldstein. Es begann 1980 als TV- Film mit Laurence Olivier und wurde als Theaterstück 1995 in Tel Aviv uraufgeführt. "Eine verwandte Erscheinung" stammt aus dem Gedicht "Trugbild" von Cees Nooteboom, das sich auf dem erwähnten Gaze-Vorhang befindet.