27 maulbronn sonstiges maultaschen foto ssg katrin karner ssg pressefotoEine schwäbische Spezialität

Sabine Zoller

Maulbronn (Weltexpresso) - Egal ob in Osteuropa, Italien oder in der kantonesischen Küche, ob Piroggen, Ravioli oder Dim Sum, bei allen Häppchen handelt es sich um Teigtäschchen, die mit unterschiedlichsten Füllungen serviert werden. Auch in Deutschland, speziell in Baden-Württemberg, gibt es eine solche Spezialität, die im Volksmund „Herrgottsbscheißerle“ heißt und als „Maultasche“ mittlerweile Kultstatus genießt.

Klösterliche Erfindung

Die sagenumwobene Erfindung der Maultausche, die ihren Ursprung im Kloster Maulbronn haben soll, ist einem Laienbruder von Kloster Maulbronn zu verdanken. „Herrgottsbscheißerle“ sollen von einem Laienbruder in der Fastenzeit erfunden worden sein – um Fleisch vor den Augen Gottes zu verstecken. Maulbronn ist vielen als Heimat der Maultasche bekannt. Der Wortklang allein legt die vermeintliche Verbindung nahe. Der viel erzählten Legende nach soll der Laienbruder Jakob an ein saftiges Stück Fleisch gelangt sein – der Verzehr von Fleisch war in der Fastenzeit allerdings strengstens untersagt. Um das kostbare Gut nicht verderben zu lassen, kam ihm ein findiger Einfall: In der Klosterküche – von der heute noch die Durchreichen zum Herren- und Laienrefektorium erhalten sind – hackte er das Fleisch in feinste Stücke, vermengte es mit Kräutern und Grünzeug aus dem klösterlichen Garten, und versteckte das sündhafte Gemisch schließlich in Nudelteigtaschen. Die im Volksmund auch „Herrgottsbscheißerle“ genannte süddeutsche Spezialität war somit geboren.


Kreative Köpfe

Durch ihre ausgeklügelten Wirtschaftssysteme hatten die Mönche von Kloster Maulbronn meistens das ganze Jahr über gesicherten Zugriff auf Nahrungsmittel. Das Kloster galt nicht nur als spiritueller Ort der Einkehr, sondern auch als kulturelle und kulinarische Innovationsstätte. Die Erfindung der Maultasche durch den Maulbronner Laienbruder scheint daher nicht abwegig – zumal sich die Mönche oftmals pfiffiger und skurriler Ausnahmen behalfen, um keine christlich-moralische Grenze zu überschreiten. Um nicht vollständig auf das Fleisch von „Vierbeinern“ verzichten zu müssen, hatten die Mönche ihre ganz eigenen Methoden: Kurzerhand wurden Biber und Fischotter zu Fischen erklärt, Vögel oder auch ein ertränktes Schwein galten als Wasserlebewesen, gehacktes Fleisch wurde in Fischform angerichtet oder 27 maulbronn aussen foto bayerl ssg pressebildWildschweinbraten auf den Namen „Karpfen“ getauft – der Verzehr von Fisch oder zu Fisch deklarierten Lebewesen war den Mönchen nämlich auch zur Fastenzeit erlaubt.


Kloster Maulbronn

Auch wenn die Legende um den erfinderischen Mönch nicht zu belegen ist, wird die Sage um die Herkunft der Maultaschen im Kloster Maulbronn gerne – und mit einem Augenzwinkern – erzählt. Regelmäßig führt das Team der Klosterverwaltung bei „Maulbronn – Mönche – Maultaschen“ durch das UNESCO-Welterbe und gibt dabei einen spannenden Einblick in die Alltagskultur der Mönche – und in die legendäre Klosterküche. Im Anschluss an den Rundgang erwartet die Gäste ein zünftiges Mahl: Dabei werden bei einem Glas Wein regional gefertigte Maultaschen verspeist – darunter auch vegetarische und somit nur halb so sündige „Herrgottsbscheißerle“.


Fotos:
Maultaschen Maulbronn
©SSG Karin Karner

Maulbronn_außen
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