„Es war einmal…“ heißt es in Hanau in einem Märchenstück über Märchen
Hanswerner Kruse
In Hanau finden in diesem Jahr die 30. Brüder Grimm Festspiele im Amphitheater in Schloss Philippsruhe statt. Was seinerzeit etwas kümmerlich begann, um die Grimmbrüder zu feiern, hat sich mittlerweile zu einem großen Festival entwickelt.
In jedem Sommer werden mittlerweile vier Theaterstücke gezeigt, die schon längst nicht immer etwas mit Grimmschen Märchen zu tun haben. Oft fassen die Stücke, darunter immer ein Musical, den Märchenbegriff sehr weit und gelegentlich sind die Schauspiele sogar recht modern.
Die Hanauer lieben ihre Festspiele, das übrige Publikum kommt von weit her - aus dem ganzen Main-Kinzig-Kreis, Offenbach, Frankfurt. Aber die Freilichtbühne ist kein Ort für leise Töne und subtile Inszenierungen. Mit viel Klamauk und derber Sprache geht es schon oft recht ordentlich zur Sache - so auch in der zweiten Uraufführung des diesjährigen Festivals. Mit „Es war einmal…“ schrieb der neue Intendant Franz-Lorenz Engel selber ein Märchen über Märchen, das am letzten Samstag uraufgeführt wurde.
Es war einmal vor langer Zeit, als die bitterböse Zauberin Maldixa (Madeleine Niesche) einen Mann in ihrem Keller gefangen hielt, weil er seine Schulden nicht bezahlen konnte. Sein Sohn Laurent (Marius Schneider) ging bei ihr in die Zauberlehre und stellte sich schrecklich dumm. Dadurch hoffte der listige Junge, den Vater irgendwann mit magischer Hilfe erlösen zu können. 500 Jahre später landet Laurent nach einem missglückten Befreiungszauber in einer Kinderbuchhandlung. Die ist das Paradies für das belesene Mädchen Lena (Janina Steinwender), die ungläubig über den Zauberlehrling aus dem Mittelalter staunt.
Um ihr seine Schwarze Kunst zu beweisen, lässt er eine, seit Jahrhunderten verwunschene Maus aus den Büchern huschen und verwandelt sie in die gute Fee Griseldis (Nadine Buchet) zurück. „Hast Du einen Wunsch?“, fragt die Fee dankbar, „den kann ich Dir erfüllen, denn das ist doch mein Beruf.“ Gemeinsam versuchen die drei nun einen Zaubertrank zu brauen, der Maldixa freundlich stimmen soll. Zur Unterstützung brauchen sie allerlei Märchen- und Romanfiguren, mit denen sich Lena bestens auskennt und sie zum Herbeizaubern vorschlägt. Einige der Gewünschten bleiben gleich da, wie das muffige Rumpelstilzchen (Hans B. Goetzfried), um Gold zu spinnen, oder der tapfere Winnetou (David Wehle), der es regnen lassen soll.
Andere schauen nur kurz vorbei wie der gestiefelte Kater (Patrick Dollmann), dessen Barthaare benötigt werden. „Ist der echt?“, ruft eine Dreijährige aus dem Publikum. Verliebt schnüffelt der Kater an der ehemaligen Maus Griseldis herum und mag kaum von ihr lassen. Doch die Zeit drängt, die rachsüchtige Maldixa ist bereits unterwegs: „Ich werde Dich finden, Laurent, denn ich bin zu Gast in allen Zeiten!“ Wir wollen das glückliche Ende des Stücks nicht verraten, in dem alle Figuren zum Schluss die frohe Botschaft singen: „Lesen kann nicht schaden / denn es weckt die Fantasie!“
Überhaupt wird unvermittelt und reichlich gesungen in diesem, nicht so genannten Musical, das Premierenpublikum klatscht und jubelt begeistert mit. Die etwas wirre Handlung ist bieder inszeniert, aber mit derbem Humor und rustikalen Slapsticks durchsetzt. Ansonsten lassen Harry Potter und die Tintentrilogie grüßen, doch an die literarischen Vorbilder reichen die Bemühungen von Intendant Engel und Regisseur Jan Radermacher kaum heran: Die Zauberkunststücke und Verwandlungsszenen werden nicht poetisch, dafür mit viel Klamauk auf der Bühne dargeboten, möglicherweise lässt die Größe der Hanauer Freilichtbühne keine subtileren Inszenierungen zu. Mehr Spiel mit Licht und Musik, vielleicht etwas stärkerer Dampf aus der Nebelmaschine hätten das Stück wenigstens etwas phantastischer machen können. Aber das stark altersgemischte Publikum war äußerst zufrieden und feierte die familienfreundliche Klamotte mit stehenden Ovationen.
Foto:"Die schöne aber bitterböse Maldixa (Madeleine Niesche) zaubert sich durch alle Zeiten" Quelle Reinhard Paul
INFO:
Die nächsten Aufführungen am 28. Mai 17.30 Uhr, 1. und 9. Juni jeweils 14.00 und 17.30 Uhr. Weitere Termine und Infos http://www.festspiele.hanau.de/