Jürgen Carl, bekanntester Concierge Deutschlands, verläßt seinen Steigenberger Frankfurter Hof
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Er wird fehlen. Denn bei den vielen Presseveranstaltungen, die nicht nur zur Buchmessenzeit im Frankfurter Hof, zentral in der Stadt, stattfinden, war es eine Selbstverständlichkeit und ein Vergnügen, Jürgen Carl hinter seinem Tresen zu begrüßen – und von ihm liebenswürdig und liebenswert empfangen und nach dem werten Wohl gefragt zu werden.
Nun teilt die Pressestelle des Frankfurter Hofes, das als eines der wenigen Hotels der Steigenberger Gruppe noch der Familie Steigenberger unmittelbar gehört, mit: Mit 75 Jahren verabschiedete sich Chef-Concierge Jürgen Carl vom Grandhotel Steigenberger Frankfurter Hof in den Ruhestand. Die Entscheidung aufzuhören, hat Carl erst vor kurzem getroffen: „Ich wollte selbst bestimmen, wann ich gehe und wie ich gehe“.
Jürgen Carl arbeitete 56 Dienstjahre in der Hotellerie. Seine Laufbahn begann er mit 19 Jahren als Hoteldiener im Hotel Steigenberger Mannheimer Hof und arbeitete sich anschließend vom Portierassistenten zum Chef-Concierge hoch. Der entscheidende Schritt, sich um eine Anstellung in einem Grandhotel zu bewerben, war Thomas Manns wunderbare Beschreibung eines Grandhotels in seinem Roman „Felix Krull“. „Ich konnte mir nie etwas Faszinierenderes vorstellen, als in einem großen Hotel zu arbeiten, denn ein Hotel ist eine Welt im Kleinen“, erzählt Carl. „Mein Beruf hat mir die Gelegenheit verschafft, vielen beeindruckenden Menschen nicht nur zu begegnen, sondern sie auch kennen zu lernen. Drei Dinge waren mir hier und in der Geschichte meines Lebens im Umgang mit anderen besonders wichtig: das Streben nach Menschlichkeit, nach Toleranz und nach Respekt“.
Dazu Hoteldirektor Moritz Klein: „Das Grandhotel Steigenberger Frankfurter Hof verliert ein Stück guter Seele; einen erstklassigen Vorzeige-Concierge, der sich mit kontinuierlichem Stehvermögen für die Belange der Gäste eingesetzt hat. Auch wenn er sich in den Ruhestand verabschiedet hat, wird er niemals ganz von uns gehen. Er hat ein Feld mit vielen Früchten hinterlassen und wir freuen uns, es täglich zu ernten.“
Wenn Elke Heidenreich auf dem Titel seiner Selbstbeschreibung DER CONCIERGE. VOM GLÜCK FÜR ANDERE DA ZU SEIN, das der Verlag Lübbe im Jahr 2010 herausbrachte, aus einem Artikel aus der FAZ zitiert wird: „Herrn Carls Seele ist riesengroß und wärmt uns alle“, gilt dies grundsätzlich für die Gäste des Frankfurter Hofes, die dort übernachten. Daß sie dort wohnen konnten und nicht nur übernachten, das hatte viel mit Herrn Carl zu tun, denn seine Lebensaufgabe war genau dies. Das kann ein Frankfurter, eine Frankfurterin, die von zu Hause ins dortige Hotel kommt, nur nachempfinden, aber sie wird nie in derselben Situation sein, es sei denn, ihr bricht ein Absatz ab, sie hat eine Riesenlaufmasche oder ..ach ja, auch dann weiß man, was man an Herrn Carl hat.
Und warum der Lübbe Verlag das Buch von Herrn Carl besonders gerne verlegte, war auch klar. Denn auch die Lübbes waren über die Jahre Gäste des Frankfurter Hofes – ach, man muß doch mal sagen, daß es das beste Haus am Platz ist, wenn man auf Tradition und Fortschritt wert legt. Die Lübbes wußten genau, was sie an Herrn Carl hatten und daß sein Buch keine Märchen erzählen wird, sondern ein Abbild dieses fürsorglichen und fast alles ermöglichenden Gästezauberers sein wird.
Wo aber den Gästen der Schuh drückte, das beschreibt unser Concierge in seinem Buch, das er mit Sibylle Auer zusammen verfaßt hatte, sehr genau. Dabei wird die fast grenzenlose Toleranz, eine edle und seltene Hotelangestellteneigenschaft, sichtbar, die wiederum zur Voraussetzung wurde, warum ihn Gäste, ganz bestimmte Gäste ganz besonders liebten. Ja, regelrecht liebten. Er selbst nun, das hat er auch unumwunden zugegeben, war diesen Intellektuellen, die zu Zeiten der Frankfurter Buchmesse, aber auch zwischendurch ins Hotel einfielen, besonders gewogen, den sie ließen seine philosophischen Neigungen wachsen, ja zum Blühen bringen.
Wenn Vicki Baum, die MENSCHEN IM HOTEL schrieb, was auch als Verfilmung ansehenswert war, diesen Menschen etwas Haltloses wie Flüchtiges, dennoch Festes und nach Geborgenheit Strebendes gab, war es im Frankfurter Hof Jürgen Carl, der seinen Gästen das Haltbare gab. Wer wollte das Hotel freiwillig verlassen? Man mußte gehen, weil die Pflicht einen woanders hin rief, aber dieser Gast war wie auch Herr Carl sicher, sich beim nächsten Mal wiederzusehen. Eine Beständigkeit, die auf seiner Seite, was das damalige Imperium Steigenberger angeht, ganze 56 Jahre währte. Und auf die ins Steigenberger Frankfurter Hof Kommenden nun ab jetzt verzichten müssen.
Aber es bleiben die Dichter, es bleiben die Bücher. Besorgen Sie sich Jürgen Carls Buch DER CONCIERGE, wo Sie im letzten Kapitel lesen können JEDEM ANFANG WOHNT EIN ZAUBER INNE, dieses bekannte Zitat von Herrmann Hesse, in dem er sein Leben mit dem der Familie Steigenberger verwebt, hatte er doch Jahrzehnte den Aufstieg der Steigenberger Gruppe miterlebt und auch den Verkauf an das ägyptische Familienunternehmen El Chiaty. Zum Schluß heißt es dort: „Und wenn doch einmal etwas schief gehen sollte, dann bin ich der Blitzableiter. Es kann schmerzen, wenn der Blitz einschlägt, aber dafür ist ein Concierge da: Er wendet Schaden ab, er schützt das Haus, und er ist glücklich, wenn die Gäste zufrieden sind und dies mit einem Lächeln zeigen.“
Wir können nur noch zweierlei wünschen, denn auch dem ENDE KANN EIN ZAUBER INNEWOHNEN. Für Jürgen Carl beginnt auf jeden Fall ein neuer Anfang, den er mit 75 Jahren wagt. Für diesen Anfang wünschen wir ihm den eigenen Zauber, den er als Zauberer im Frankfurter Hof so warmherzig verteilte. Ein herzliches Dankeschön und einen schönen Lebensabend für all die Dinge, die Herrn Carl die ganzen Jahr hindurch auch interessierten. Die Bücher auf jeden Fall, die ihm mitgebracht wurden, die kann er nun endlich alle in Ruhe lesen.
Foto: vom Frankfurter Hof, es entspricht dem Foto, das den Einband seines Buches ziert
Buch: Jürgen Carl, Der Concierge. Vom Glück, für andere da zu sein, Lübbe Verlag 2010
STEIGENBERGER FRANKFURTER HOF
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