20 Jahre 523520 Jahre Tagesmutter Marion Klingelhöfer

Hanswerner Kruse

Schlüchtern/Sinntal (Weltexpresso) - Am letzten Samstag zelebrierte die Tagesmutter Marion Klingelhöfer den 20. Geburtstag ihrer Elmer Kindertagespflege. Sie lud früher und derzeit betreute Kinder, deren Geschwister und Eltern, auf die Wiese am Acis-Brunnen zum Feiern ein. 

Gut 100 Gäste kamen, brachten Kuchen mit und überhäufen sie mit Blumen, kleinen Geschenken, selbst gemalten Bildern sowie liebevollen Briefen. Spürbar auch für Außenstehende waberte sehr viel Zuneigung und Liebe über die Wiese.

Tagesmütter sind keine Babysitter, sondern ausgebildete pädagogische Fachkräfte, die maximal fünf Kinder in kleinen überschaubaren Gruppen bei sich zu Hause umsorgen. Sie müssen jährlich an Fortbildungen teilnehmen und werden fachlich beraten von Katja Stange (Haus Petra). Mehrere alleinerziehende Mütter berichteten, wie wichtig ihnen die Flexibilität der Tagesmutter gewesen sei. Eine hätte sonst niemals ihre Ausbildung in Frankfurt machen können, wenn Klingelhöfer Tochter Emily nicht nur ab dem Alter von drei Monaten betreute, sondern auch zeitlich sehr flexibel war. „Dafür bin ich ihr heute noch dankbar“, erklärte sie, während sich die 18-jährige an den Schokoladenpudding von Landleben erinnert: „Den hat sie mir immer gekauft.“

Das sehr sensible Kind einer anderen Frau wäre in einer Kindestagesstätte untergegangen, kam aber in der Kleingruppe gut klar. Klingelhöfer war vor 20 Jahren eine der ersten Tagesmütter im Bergwinkel. Ihr eigener Sohn ist autistisch - damit er sich von jüngeren Kindern Sozialverhalten oder Rollenspiele abgucken und „Normalität“ lernen konnte, machte sie die Fortbildung zur Tagesbetreuung. „Mein Sohn und die ersten Kinder sind wie Geschwister miteinander umgegangen und mögen sich noch heute“, erzählt sie. Etwa 70 Kinder umhegte sie in den zwei Jahrzehnten und kann sich an sämtliche erinnern. Wie alle Tagesmütter macht auch die Elmerin ihren Job nicht wegen des Geldes, sondern sie liebt Kinder und erfreut sich an deren Entwicklung. „Ich kriege so viel zurück“, meint die ehemalige Arzthelferin. 

Einmal sagte ein kleines Kind „Mama“ zur ihr, was sie und die Kindsmutter gar nicht so gut fanden, jedoch große Nähe und Vertrautheit bewies. Mutter und Betreuerin einigten sich auf „Mara“, diese Mischung von Marion und Mama gebraucht sie seitdem. Die Kinder lieben sie, obwohl oder vielleicht gerade, weil sie klare Regeln und Strukturen durchsetzt, etwa dass nur am Tisch gegessen wird oder es ab zwei Jahren kein Fläschchen mehr gibt. „Ich habe tolle Eltern“, berichtet sie, „die finden das gut und legen ebenfalls viel Wert auf Erziehung.“ Gelegentlich berät sie auch Väter und Mütter, wie sie mit Problemen der Kinder umgehen können oder welche erzieherischen Grenzen notwendig sind. 

Kinder kommen in der Regel ab dem zweiten Lebensjahr zu den 17 Tagesmüttern in Schlüchtern und Sinntal. Einige Eltern berichteten auf der Acis-Wiese, dass sie ihre Kinder gerne bis zum vollendeten dritten Lebensjahr bei Klingelhöfer lassen würden. Doch die Kindertagesstätten dulden das nicht und fordern den Besuch der Kinder mit drei Jahren, sonst verlieren die Eltern den Kita-Platz.

Zum Abschluss noch eine der lustigsten Geschichten, die Klingelhöfer auf dem Fest erzählte und immer noch drüber lachen musste. Laura schlief im Kinderzimmer, sie selbst vergaß dort ihre rote Handtasche. Als sie das Kind wecken wollte, hatte es sich, seine Klamotten und das ganz Bett grellrot mit einem Lippenstift aus der Tasche bemalt. Diese rote Tasche faszinierte auch Mathilda, die so eine wollte „wenn ich groß bin“, sie natürlich zum Abschied geschenkt bekam und heute noch besitzt.

DREI FRAGEN AN KATJA STANGE ZUR KINDERTAGESPFLEGE

Die Dipl. Sozialpädagogin Katja Stange aus dem Haus Petra übernahm 2014 die fachliche Beratung für die Tagesmütter in Schlüchtern und Sinntal. Die Frauen arbeiteten vorher oft pädagogischen oder medizinischen Berufen und sind im Alter von 25 Jahren bis Ende 50.

Sie vermitteln zwischen Eltern und Tagespflege und beraten die Tagesmütter, was ist der Unterschied zum Kostenträger Jugendamt?

Ich kontrolliere die Tagesmütter nicht, sondern berate und unterstütze sie, zudem biete ich Gruppenabende zur Praxisreflexion und zum Austausch an. Außerdem berate ich die Kommunen beim weiteren Ausbau und vernetze mich mit anderen Fachstellen. Für die Eltern suchen wir passgenaue  Tagespflegepersonen aus, die Nachfrage nach familienartiger Unterbringung mit einer Bezugsperson ist groß, gerade für die kleineren Kinder.

Sie suchen weitere Tagesmütter, welche Bedingungen sollten die erfüllen?

Voraussetzung ist ein Hauptschulabschluss, sowie Verantwortungsbereitschaft, Spaß an der Arbeit mit Kindern und geeignete Räumlichkeiten. Interessierte müssen eine Qualifikation zur Kindertagespflegeperson beim Jugendamt absolvieren. Es ist eine selbstständige Tätigkeit, in der die Arbeitszeiten flexibel gestaltet werden können.

Ist es eine Besonderheit, dass das Projekt PETRA diese fachliche Unterstützung anbietet?

Ja, diese freiwillige Leistung gibt es nicht überall. Die Kommunen Schlüchtern und Sinntal wissen, dass der Bereich der Kindertagespflege immer stärker wächst und eine gute, flexible Betreuungsalternative darstellt. Sie schaffen deshalb für die Eltern Ansprechpartner vor Ort. Ein Fokus liegt für mich in der Qualitätssicherung. Die Tagesmütter haben mittlerweile gutes Fachwissen, das durch angepasste Fortbildungen ständig wächst.

HINTERGRUND
Das Jugendamt überprüft regelmäßig die Standards und die Sicherheit der Kindertagespflege. Die Eltern zahlen die Hälfte des Betreuungsgeldes an das Jugendamt, etwa 217 Euro für fünfundzwanzig, 347 Euro für vierzig Wochenstunden. Das Amt bezahlt wiederum die Tagesmutter. 

INFORMATIONEN UND KONTAKT: 
Fachliche Leitung Kindertagespflege Katja Stange.
Telefon 06661-96 27 21, Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! 

Fotos:
© Hanswerner Kruse