Im 101. Lebensjahr verstarb der legendäre Wiener Cafetier des „Hawelka“
Anna von Stillmark
Wien (Weltexpresso) – Traurig, richtig traurig waren und sind wir, als wir gestern vom Tod des noch im April groß gefeierten Leopold Hawelka hörten. Wir sind traurig um ihn, aber auch darum, daß einer nach dem anderen wegstirbt, die für uns das Besondere an Wien ausmachten, ob sie nun hier lebten oder nicht, aber eben mit jedem Wesenszug Wiener waren, wie ganz gegen seine Absicht auch der jüngst verstorbene Georg Kreisler.
Leopold Hawelka, am 11. April 1911 in Mistelbach geboren, war ja gar kein Wiener. Schon klar, daß Mistelbach, im östlichen Weinviertel gelegen und gut 25 Kilometer von den Landesgrenzen Tschechei und Slowakei entfernt -, nicht allzu weit von Wien liegt – da muß man die Brünner Straße von Floridsdorf immer weiter geradeaus fahren – aber nicht allein Wien hat Mistelbach das Gepräge gegeben, sondern die gleich weit entfernt liegenden Städte Brünn und Bratislava, die heute ihre eigenen Staaten haben, aber alle einmal – und eben auch 1911 – zum Habsburger Reich gehörten. Heute hat Mistelbach ein wichtiges Museum, ja ein Museumszentrum (und Mitbürger Hermann Nitsch) und eine Museumspartnerschaft mit dem Archäologischen Museum in Frankfurt am Main.
Leopold Hawelka aber war sein Leben lang auf Wien fixiert und hat dazu beigetragen, daß die Touristen Wien als den gemütlichen, im besten Sinne traditionsreichen und himmlisch altmodischen Ort der Kaffeehauskultur empfanden, tja eigentlich müßte man sagen: der Kaffeehauskulturen. Denn in der Tat gibt es viele verschiedene Stile, nicht nur der Kaffeezubereitung, sondern auch des Ambientes herum, die Stühle, die verzierten Wände und vor allem auch, welche Spezialitäten neben den berühmten, von der Kaffeehausbesitzerin Josefine (gestorben 2005) gebackenen Buchteln es noch gibt, die übrigens beim letzten Besuch das Stück einen Euro vierzig kosteten. Ist schon etwas her.
Aber die Hauptsache blieben der Kaffee und etwas später am Tag der Wein. Wir müssen ein andermal über die Klassischen Kaffeevarianten berichten. Oft hatten wir uns früher mit Leopold Hawelka über deren Entstehung und die Benennungen unterhalten. Denn das Hawelka hatte seine Eigenkreationen im Angebot: ULTRA heißt der vierfache Espresso, MENÜ der große Mokka mit gehörig viel Birnenschnaps, FETTE die heiße Schokolade mit Sliwowitz, LOUIS QUATORZE der Einspänner mit Cognac, wobei ein Einspänner einfach Kaffee im Glas mit Schlagobers ist, MADAME POMPADOUR, dasselbe mit Calvados und schließlich IWAN DER SCHRECKLICHE ein Einspänner mit Wodka.
Wir glauben, daß wir mit dem Schreiben über seine Werke und Taten, das Kaffeehaus und den Kaffee und das Drumherum, das beste Angedenken an Leopold Hawelka leisten. Denn ihm war der Dienst am Gast das Wichtigste. Daß das Hawelka auch gut lief und nun von den Enkeln Michael und Amir weiterbetrieben wird, war ihm natürlich wichtig. Sohn Günter hatte mitgemacht, ist nun schon längst selber pensioniert ist und Tochter Herta hatte mitgeteilt, daß der Vater friedlich eingeschlafen sei, was bedeutet, daß er im Schlaf gestorben ist. Noch bis Ende 2010 war Leopold Hawelka jeden Tag – Dienstag ist Ruhetag – in der Dorotheergasse erschienen, wo das Hawelka, dicht am Graben, einfach immer da war, so lange unsereins denken kann.
Das Hawelka hat so lange Geschichte geschrieben, bis es selber Geschichte wurde. Im Andenken an Leopold Hawelka haben wir nicht nur seinen Geburtstagsartikel vom April hier noch einmal abgedruckt, sondern wollen kurz die Namen Revue passieren lassen, mit denen das Hawelka verstärkt seit den 60Jahren weltbekannt wurde: Helmut Qualtinger, Oskar Werner, Friedensreich Hundertwasser, Friedrich Torberg, Heimito von Doderer, viele Künstler des Phantastischen Realismus, André Heller, Nikolaus Harnoncourt und sogar Andy Warhol war da wie auch Bill Clinton und der gerade verstorbene Václav Havel, dessen Tod uns auch aus ganz anderen Gründen nahegeht.
Der österreichische Liedersänger Georg Danzer hat zudem das Hawelka auch musikalisch verewigt. In seinem Flitzerlied heißt es: „Jö schau, so a Sau, jössas na, was macht a Nackerta im Hawelka?“ Dabei ist das sogar eine halbe Wahrheit. Der Nackerta war auf der Kärntnerstraße und gehört nicht in diese Geschichte. Aber so ist das in Wien. Es besteht aus lauter Geschichten.
Literatur:
Sonja Moser, Das Hawelka. Geschichte & Legende, hrsg. von der Familie Hawelka, Pichler Verlag 2009
Wien und seine Kaffeehäuser. Ein literarischer Streifzug durch die berühmesten Cafés der Donaumetropole, hrsg. von Petra Neumann, Wilhelm Heyne Verlag 1997
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