Serie 1. Weltkrieg, Teil 10: neue Dauerausstellung im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien
Claudia Schulmerich
Wien (Weltexpresso) – Was also sagt nun die neue Dauerausstellung, Motto KRIEGE GEHÖREN INS MUSEUM, im Arsenal in Wien, der als ungewöhnlicher Gebäudekomplex für Touristen überhaupt erst zu entdecken ist, über den Ersten Weltkrieg aus?
Nahe dem neuen Hauptbahnhof, dem ehemaligen Südbahnhof, der im Herbst als Riesenkomplex eröffnet wird, schlummerte das Gelände, auf dem das Arsenal mit seinen trutzigen, so gotischen wie byzantinischen Backsteinbauten mit insgesamt 31 Gebäuden, die aber hier Objekte heißen, wie im Kinderspielzeugland herumsteht. Tatsächlich sollten diese militärische Gebäude, Kaserne und Waffenlager, keinen Feind erschrecken, sondern als Ausdruck staatlicher Macht die eigene Bevölkerung disziplinieren, die es 1848 auch in Wien gewagt hatte, gegen die kaiserliche Dominanz zu revolutionieren. Damals vergeblich.
Das k.k.Hof-Waffenmuseum wurde beim Bau – es war die erste Tat des ganz jungen Kaisers Franz Joseph I. - gleich mitkonzipiert, aus dem das Heeresgeschichtliche Museum hervorging, wo mit dem heutigen 28. Juni nun die Geschichte von 1914 zu uns museal spricht. Anders als in anderen Zeiten, hat die Moderne ihre Symbole in Form von Gegenständen gut konserviert. So können Sie gleich am Anfang die dingliche Welt des Attentats sehen: Fotos des Attentäters, des bosnisch-serbischen Schülers Gavrilo Princip, eigentlich einer von mehreren, dessen Schüsse tödlich trafen, weshalb sowohl die Tatwaffe ausgestellt ist, wie auch das Automobil vom Baujahr 1919. Ein 4-Zylinder der Marke Graef & Stift, in dem das Thronfolgerpaar durch die Straßen fuhr, nachdem sie im Rathaus Visite gemacht hatten. sowie die blutgetränkte Uniform und die Liege, auf der der Thronfolger starb.
Vergleicht man diese Ausstellung mit der gegenwärtig im Berliner Historischen Museum zum Ersten Weltkrieg, erkennt man völlig unterschiedliche Konzepte. Wenn man erst einmal verwundert ist darüber, wie umfangreich Waffen, militärische Ausrüstungsgegenstände und Uniformen in dem durch Einziehen einer zweiten Ebene fast um die Hälfte erweiterten Schauraums mit 1400 Quadratmetern in 35 Vitrinen ausgestellt sind, während in Berlin an ausgewählten Schlachtenorten die Folgen des Ersten Weltkriegs für die Kämpfenden und für die Bevölkerung dargestellt sind, so muß man sich selbst am Portepee packen und sich deutlich sagen, daß ein heeresgeschichtliches Museum eben kein historisches Museum in dem Sinn ist, daß es Ursachenforschung betreiben müßte, weshalb es zu diesem Krieg kam und wie er verlief.
Aber dies bleibt dennoch die prinzipielle Frage, unabhängig davon, daß ein Militärmuseum auch Militär en gros zeigen darf und soll. Leider bleibt die gegenwärtige Forschungslage zum Entstehen des Ersten Weltkriegs – in erster Linie Christopher Clark zur Vorgeschichte und Herfried Münkler zum Verlauf – ausgespart. Insofern können für die fehlende rationale Komponente, einen die wenigen Beispiele Bildender Kunst emotional nur wenig entschädigen. Andererseits sind diese Darstellungen für sich gesehen hochinteressant.
Wenn sogar Egon Schiele vertreten ist, dann weiß man, daß dieser im Krieg erst einmal im Arsenal als Schreiber beschäftigt war und eine seiner zwei Porträtskizzen vom HGM hier hängt. Die andere ist derzeit als Leihgabe im jüdischen Museum zu bewundern, wo der Erste Weltkrieg unter dem Aspekt der Beteiligung der jüdischen Bevölkerung gezeigt wird, denen Österreich den fulminanten Kriegseinsatz so wenig honorierte wie es die Deutschen im Nationalsozialismus taten. Als Porträt zeigen beide Arbeiten von Schiele zwar einen Soldaten,der aber hat nichts Kriegerisches an sich. Ganz anders DIE NAMENLOSEN 1914, ein gewaltiges Gemälde des Ost-Tirolers Albin Egger-Lienz, der zur Kunstgruppe des k-k- Kriegspressequartiers gehörte, wie man diejenigen nennt, die sich als Kriegsmaler an die Front beworben hatten.
‚Kriegerisch‘ muß hier verstanden werden in dem Sinn, daß dies Bild nicht zum Krieg aufstachelt, sondern das Elend der Männer zeigt, die im Namen ihrer Vaterländer ihre Leben auf dem Schlachtfeld lassen. Man sieht auf braunem Gras und grüner Erde 16 gesichtslose Soldaten gleichförmig in metallener Kriegsmontur mit Helmen und mit Gewehren, Dolchen, Pickel ja sogar einem Horn bewaffnet, gebückt zum Angriff – in die Messer laufen, ergänzt durch unsere Vorstellung, so sieht es in den Filmen aus, wenn die Soldaten in die Gewehrfeuer der „Feinde“ laufen und allesamt umkommen.
Die Hoffnungslosigkeit, mit Krieg etwas besser zu machen, spricht aus diesem Bild, was deshalb zu konstatieren ist, weil Krieg als künstlerisches Thema extrem schwierig zu gestalten ist. Das kann man derzeit auf dem ehemals bayerischen Wittelsbacher Schloß Villa Ludwigshöhe in der Pfalz sehen, wo Max Slevogts Kriegsbilder ausgestellt sind. Der hatte sich mit aller Macht als Kriegsmaler akkreditieren wollen – so war das Vorgehen – und wurde erst nach Einspruch von oben als ein solcher akzeptiert und konnte im Herbst 1914 in das französische Kriegsgebiet ziehen. Seine Quintessenz „ Eindruck direkt unkünstlerisch!“, haben wir im untenstehenden Artikel besprochen.
Die Wiener Ausstellung, die als Dauerausstellung grundlegend erneuert wurde, hat ihre Neuerungen vor allem in einer Ausweitung des angesprochenen ‚Kriegspersonals‘. Nicht mehr nur Männer, die Soldaten, spielen eine Rolle, auch Frauen, sowohl bei der Truppe als auch insbesondere in den Lazaretten sind nun Thema, genauso wie die Urteile von Militärgerichten hinterfragt werden, von denen nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten nach dem Standrecht hingerichtet wurden. Des weiteren geht es um Tiere, die Luftfahrt und das Schicksal von Kriegsgefangenen und Invaliden. Insgesamt ist die Schau im Heeresgeschichtlichen Museum also ‚menschlicher‘ geworden, auch wenn die rund 2000 Exponate, wie ausgeführt, vor allem Waffen und Kriegsgerät sind.
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