Serie: Fritz Bauer: Bücher, Filme, CDs und vor allem die Ausstellung in Frankfurt am Main, Teil 9

 

Kurt Nelhiebel

 

Bremen (Weltexpresso) - Ronen Steinkes Fritz-Bauer-Biographie erschien vier Jahre nach der von Irmtrud Wojak. Ihr Werk umfasst rund 600 Seiten, die Recherchen nahmen zehn Jahre in Anspruch. Steinke brauchte für seine rund 300 Seiten nur einen Bruchteil dieser Zeit. Ging ihm das Schreiben flotter von der Hand, oder haben ihn Mitarbeiter des Fritz-Bauer-Instituts, die Irmtrud Wojaks Arbeit mit Unbehagen verfolgten, so intensiv unterstützt?

 

Was gab es Neues über Fritz Bauer zu berichten, so kurz nach dem Erscheinen der vonSteinke selbst so bezeichneten „hervorragenden wissenschaftlichen Arbeit“ von IrmtrudWojak? Es seien „weiße Flecken“ geblieben, schreibt er auf Seite 24, und zwar nicht nur inder Arbeit von Irmtrud Wojak, mit der diese sich habilitierte, sondern auch in der Dissertation von Matthias Meusch, der 2001 Fritz Bauers Leben und Werk gewürdigt hatte.

 

Bauer habe – obwohl aus einer jüdischen Familie stammend - zu anderen Juden auffallend Distanz gehalten, sich selbst aber 1945 stolz einen Juden genannt. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil nach Deutschland im Jahr 1949 habe er damit begonnen, „diesen Teil seiner Biografie peinlich vor der Öffentlichkeit zu verbergen“ (alle Zitate Seite 25). Im Kopenhagener Staatsarchiv lägen seit Jahrzehnten Berichte darüber vor, „wie Bauer als junger Mann im Exil wegen homosexueller Handlungen verhaftet wurde.“ (Seite 25).

 

Bauer wurde während seines Exils niemals verhaftet. Dazu hätte es eines Haftbefehls bedurft und des Verdachts einer strafbaren Tat. Beides gab es nicht; Homosexualität war in Dänemark nicht strafbar. Wie die Historikerin Monika Boll im Begleitbuch zur Ausstellung „Fritz Bauer – Der Staatsanwalt“ schreibt, wurde Fritz Bauer zwar von der dänischen Staatspolizei „wegen homosexueller Kontakte regelrecht observiert“ und er bekam „viele Vorladungen“ von der Ausländerbehörde, verhaftet wurde er jedoch niemals.

 

Dass Ronen Steinke seinen Lesern auch diesem Fall etwas erzählt, das nicht stimmt, istschlimm genug, aber es kommt ja noch schlimmer. (Seite 101 f.) Schon im ersten Monat nach seiner Ankunft in Dänemark habe Fritz Bauer „eine Nacht mit einem Dänen“ verbracht. Ob er in „verbotene schwule Prostitution verwickelt“ sei, hätten dänische Uniformierte ihn barsch gefragt. Und dann zitiert Steinke wörtlich, was ein dänischer Polizist in seinen Bericht geschrieben habe: „Von der Straße aus konnte man beobachten, dass der Deutsche sich ausgezogen hat, ohne sich einen Pyjama anzuziehen.“

 

Was von der Wiedergabe dieser Schlafzimmer- Details zu halten ist, möge jeder für sich entscheiden. Irmtrud Wojak, die als Erste auf die dänische Polizeiakte über Fritz Bauergestoßen ist, erwähnt die „angeblichen homosexuellen Freundschaften“ in ihrer Biografie mit sieben Zeilen. Und warum geht Steinke so in die Einzelheiten? Er will zeigen, „dass Bauer der Willkür der Behörden selbst in seinem Exilland – der Demokratie Dänemark – von Beginn an ausgeliefert“ war. Honi soit qui mal y pense.Fortsetzung folgt.

 

Info:

 

Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht

Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt

bis 7. September 2014

Im Thüringer Landtag, Erfurt vom 9. Dezember 2014 bis 1. Februar 2015

 

Es gibt ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Rahmenprogramm.

 

Katalog: Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht, hrsg. von Fritz Backhaus, Monika Boll und Raphael Gross im Auftrag des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, Campus Verlag 2014

 

Biographien:

Irmtrud Wojak, „Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie“, Verlag C.H.Beck, München 2009

 

Ronen Steinke, „Fritz Bauer: Oder Auschwitz vor Gericht. Biografie mit einem Vorwort von Andreas Voßkuhle, Piper Verlag, München 2013

 

Film/DVD

Ilona Ziok, Fritz Bauer - Tod auf Raten, Deutschland 2012,97 Minuten

 

DVD

Fritz Bauer: Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961-1968, Hrsg.:Fritz Bauer Institut, Frankfurt, Redaktion: Bettina Schulte Strathaus, 2 DVD,s/w, ca. 300 Minuten, absolut Medien Berlin