Serie: Fritz Bauer: Bücher, Filme, CDs und vor allem die Ausstellung in Frankfurt am Main, Teil 10

 

Kurt Nelhiebel

 

Bremen (Weltexpresso) - Was hat es eigentlich auf sich mit der angeblichen Homosexualität von Fritz Bauer, über die Ronen Steinke sich in einer Weise auslässt, die jeden Spanner freuen wird. („Von der Straße aus konnte man beobachten, dass der Deutsche sich ausgezogen hat.“) Hieb- und stichfeste Beweise hat Steinke nicht.

 

Auf Seite 102 räumt er ein, Äußerungen, auf die sich die Annahme stützen könnte, Bauer habe sich selbst als schwul gesehen, seien nicht bekannt.Später geht er dann noch mehr auf Distanz. Er wisse nicht, wie man beweisen könne, dass Bauer ein homosexueller Mann gewesen sei, sagte er am 19. November 2013 bei der Vorstellung seines Buches in Berlin. Es gebe auch niemanden, der das in der Nachkriegszeit in irgendeiner Weise bestätigt habe.

 

Deswegen sei er da sehr vorsichtig. Das hinderte ihn aber nicht, sich in seinem Buch über Fritz Bauer wie folgt zu äußern: Nur an den Abenden mit seinen jungen, vom Leben noch unbeschwerten Freunden in seiner Wohnung findet Bauer Zerstreuung“. (Seite 221) Mit dem Sohn eines Hausbewohners habe Bauer sich angefreundet. „Es ist die erste von vielen Freundschaften zu Männern, die vom Alter her seine Söhne sein könnten. Was in Frankfurt bald zu hässlichen Gerüchten führt.“ (Seite 222)

 

Weiter: „Er ist den jungen Leuten zugewandt, er interessiert sich für ihre Weltsicht, oft bis tief in die Nacht hinein, und er zieht damit den Argwohn mancher Nachbarn auf sich, die zwischen den Gardinen misstrauisch auf das Kommen und Gehen beim Generalstaatsanwalt schauen. Ein pensionierter Polizeibeamter, der mit in Bauers Haus wohnt, spricht einmal vom ‚häufigen Besuch dunkler Elemente’ bei Bauer.“ (Seiten 224/ 225). Über ein Fernsehinterview Fritz Bauers in dessen Büro schreibt Steinke: „Fritz Bauer, weißes, flammendes Haar und Hornbrille, fläzt etwas verdreht im Sessel, was ein Hosenbein hochrutschen und eine helle Socke und etwas Männerbein aufblitzen lässt, und natürlich raucht er …“ (Seite 28).

 

Als am 16. Juli 2003 der 100. Geburtstag von Fritz Bauer gefeiert wurde, erwähnte der damalige Direktor des Fritz-Bauer-Instituts Micha Brumlik die angebliche Homosexualität Fritz Bauers mit keinem Wort. Erst nachdem Ronen Steinke in seinem Buch mit dem irreführenden Titel „Fritz Bauer – oder Auschwitz vor Gericht“ dieses Thema zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte gemacht hatte, - nur 12 Prozent des Inhalts befassen sich mit dem Auschwitzprozess - wagten sich auch andere aus der Deckung.

 

Wer das nicht gut findet, weil er die sexuelle Orientierung eines Menschen für dessen Privatsache hält, und weil der Homosexualität immer noch etwas Diskreditierendes anhängt, der muss sich von den Enthüllern sagen lassen, er mache sich die Denkweise der Nazis zu Eigen. Ein bemerkenswertes Argument. Einer, der etwas von der Sache versteht, meinte: „Gegebenenfalls könnte man als Historiker der These nachgehen, ob es sich bei der Behauptung über die Homosexualität des aus einer jüdischen Familie stammenden Fritz Bauer um eine getarnte antisemitische Aktion handelt.“ Das lasse ich mal dahingestellt. Der Boden scheint nicht ganz unfruchtbar zu sein. 61 Prozent der Deutschen wollen nach einer Umfrage aus dem Jahr 2006 mit Homosexualität möglichst wenig zu tun haben.

 

Info:

 

Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht

Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt

bis 7. September 2014

Im Thüringer Landtag, Erfurt vom 9. Dezember 2014 bis 1. Februar 2015

 

Es gibt ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Rahmenprogramm.

 

Katalog: Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht, hrsg. von Fritz Backhaus, Monika Boll und Raphael Gross im Auftrag des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, Campus Verlag 2014

 

Biographien:

Irmtrud Wojak, „Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie“, Verlag C.H.Beck, München 2009

 

Ronen Steinke, „Fritz Bauer: Oder Auschwitz vor Gericht. Biografie mit einem Vorwort von Andreas Voßkuhle, Piper Verlag, München 2013

 

Film/DVD

Ilona Ziok, Fritz Bauer - Tod auf Raten, Deutschland 2010,97 Minuten

www.fritz-bauer-film.de

 

DVD

Fritz Bauer: Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961-1968, Hrsg.:Fritz Bauer Institut, Frankfurt, Redaktion: Bettina Schulte Strathaus, 2 DVD,s/w, ca. 300 Minuten, absolut Medien Berlin