Serie: Fritz Bauer: Bücher, Filme, CDs und vor allem die Ausstellung in Frankfurt am Main, Teil 11

 

Kurt Nelhiebel

 

Bremen (Weltexpresso) - Was hat den Journalisten Ronen Steinke eigentlich dazu getrieben, sich in seiner Fritz-Bauer-Biografie über die angebliche Homosexualität des hessischen Generalstaatsanwalts zu verbreiten? Bestand ein dringendes öffentliches Interesse an der Offenlegung des Intimlebens von Fritz Bauer, oder gab die Überlegung den Ausschlag, solche pikanten Dinge könnten den Verkauf der Biografie beleben?

 

Wie auch immer - so gut wie kein Rezensent kam ohne den Hinweis auf die vermeintliche Homosexualität Fritz Bauers aus. Nach dem Sinn und Zweck fragte niemand, nur ich schwamm wieder einmal gegen den Strom.

 

In der Zweiwochenschrift „Ossietzky“ vom 24. Mai 2014 schrieb ich, Ronen Steinke lenke

damit von den Verdiensten eines Mannes ab, dessen sexuelle Orientierung für die Bewertung seines Lebenswerkes völlig unerheblich sei. Ähnlich hatte sich vor mir bereits die ehemalige Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin geäußert. Energisch wandte sie sich dagegen, die Isoliertheit Fritz Bauers auf dessen vermeintliche Homosexualität zurückzuführen und damit von den politischen Gründen für seine üble Behandlung abzulenken. Ihre Kritik richtete sich nicht an Steinke, sondern an die Kuratorin und Mitherausgeberin des Begleitbuches zur Fritz-Bauer-Ausstellung im Frankfurter Jüdischen Museum, Dr. Monika Boll.

 

In einem Beschwerdebrief an die „Ossietzky“- Redaktion meinte ein von mir geschätzter

Jurist, er finde es schlimm, wenn jemand im 21. Jahrhundert Homosexualität für etwas halte, was die Einschätzung des Lebenswerkes von Fritz Bauer beschädigen könnte. Dazu kann ich nur sagen: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und Grün des Lebens goldner Baum.“ (Mephisto in Goethes „Faust“). Wenn – wie eine EU-Sudie 2013 ergab - in

Deutschland 68 Prozent der Schwulen und Lesben aus Angst vor Schikanen und Pöbeleien ihre sexuelle Ausrichtung verschweigen, dann kann es nicht weit her sein, mit der Akzeptanz der Homosexualität. Das war wohl auch der Grund, weshalb das Fritz-Bauer-Institut den Eingriff in die persönliche Sphäre seines Namensgebers Ronen Steinke überließ.

 

Der unterstellte Fritz Bauer neben der angeblichen Homosexualität dann auch anderes. Er

habe gegenüber den Deutschen, die er politisch habe überzeugen wollen, sein Judentum mit einer „betont christlichen Wortwahl“ übertüncht. In einem Essay, in dem es um die Frage ging, ob die Juden oder die Römer Jesus getötet haben, habe Bauer, „wie um seine

Bemühungen um ein Image der Objektivität nicht zu gefährden“, seine eigene jüdische

Erziehung an keiner Stelle zu erkennen gegeben, sondern ausschließlich aus christlichen Quellen geschöpft. (Seite 199/200).

 

Auf Seite 201 behauptet Steinke, zum Antisemitismus der Nachkriegszeit sei Bauer nie ein

öffentliches Wort über die Lippen gegangen. (Seite 201). Zehn Seiten später – was kümmert mich mein Geschwätz von gestern - beschreibt er dann den „Sturm der Entrüstung“, den Fritz Bauer 1963 mit seiner Kritik am Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland hervorgerufen hat. Die dänische Zeitung „B.T“, die Boulevardausgabe des angesehenen Kopenhagener Blattes „Berlingske Tidende“, hatte Bauer mit den Worten zitiert, die Juden würden zwar nicht mehr als Schweine beschimpft, dafür heiße es jetzt: „Wir haben vergessen, dich zu vergasen.“ Fortsetzung folgt.

 

 

Info:

 

Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht

Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt

bis 7. September 2014

Im Thüringer Landtag, Erfurt vom 9. Dezember 2014 bis 1. Februar 2015

 

Es gibt ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Rahmenprogramm.

 

Katalog: Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht, hrsg. von Fritz Backhaus, Monika Boll und Raphael Gross im Auftrag des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, Campus Verlag 2014

 

Biographien:

Irmtrud Wojak, „Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie“, Verlag C.H.Beck, München 2009

 

Ronen Steinke, „Fritz Bauer: Oder Auschwitz vor Gericht. Biografie mit einem Vorwort von Andreas Voßkuhle, Piper Verlag, München 2013

 

Film/DVD

Ilona Ziok, Fritz Bauer - Tod auf Raten, Deutschland 2012,97 Minuten

 

DVD

Fritz Bauer: Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961-1968, Hrsg.:Fritz Bauer Institut, Frankfurt, Redaktion: Bettina Schulte Strathaus, 2 DVD,s/w, ca. 300 Minuten, absolut Medien Berlin

 

Foto: CV Films www.fritz-bauer-film.de