Serie: Fritz Bauer: Bücher, Filme, CDs und vor allem die Ausstellung in Frankfurt am Main, Teil 12

 

Kurt Nelhiebel

 

Bremen (Weltexpresso) - Salopp wie gewohnt geht Ronen Steinke auch im Kapitel über die KZ-Haft Fritz Bauers mit den Fakten um. Seiner Familie habe Bauer erzählt, dass er die Entlassung seinen Freunden in der Justiz zu verdanken habe, schreibt Steinke, aber ohne seine Unterschrift unter einer Unterwerfungserklärung gegenüber den neuen Machthabern wäre das nicht gegangen.

 

Eine solche Erklärung inhaftierter Sozialdemokraten habe das Ulmer Tagblatt am 13. November 1933 veröffentlicht. An vorderster Stelle der Unterzeichner stünden die beiden Reichsbannerführer Karl Ruggaber und Fritz Bauer. Von dieser Demütigung habe Bauer nie etwas erzählt. Kurt Schumacher, seinerzeit Kopf der Stuttgarter SPD, habe eine solche  Unterwerfungserklärung verweigert. Deshalb sei er in Haft geblieben, als Bauer entlassen  worden sei.   

 

Das klingt wenig schmeichelhaft. Aber wie war das wirklich mit der vermeintlichen Unterschrift Fritz Bauers? Die Behauptung, sein Name stehe neben dem von Ruggaber an  vorderster Stelle, ist falsch. In den Anmerkungen am Schluss des Buches heißt es, bei näherer Betrachtung falle auf, dass in der Unterzeichnerliste nicht Fritz Bauer stehe, sondern ‚Fritz Hauer’, was im altdeutschen Schriftbild leicht zu verwechseln sei. Da ein Fritz Hauer nicht bekannt sei, spreche alles „für einen bloßen Druckfehler“.   

 

Damit flunkert Steinke seinen Lesern etwas vor. Wäre es wirklich so, wie er behauptet, dann müsste den Schriftsetzern des Ulmer Tagblattes, und nur sie können den Druckfehler begangen haben, die Unterzeichnerliste bereits gedruckt in altdeutscher Schrift vorgelegen haben, was höchst unwahrscheinlich ist. Der nahe liegenden Frage, ob die genannten Personen das „Treuebekenntnis einstiger Sozialdemokraten“ wirklich unterschrieben haben, oder ob das Ganze eine Propaganda-Aktion der Nazis war, mit der die Anhänger der SPD verunsichert werden sollten, dieser Frage geht Ronen Steinke nicht nach. Dabei macht schon die Überschrift des Artikels im gleichgeschalteten Ulmer Tagblatt stutzig: sie unterstellt nämlich, dass die als Unterzeichner Genannten sich von der SPD abgewandt haben. Davon konnte weder bei Fritz Bauer noch bei den anderen die Rede sein.   

 

Wer Fritz Bauer dem Verdacht aussetzt, eines persönlichen Vorteils wegen ein  Treuebekenntnis gegenüber der Naziführung abgelegt zu haben, der kann es nicht gut mit ihm meinen. So darf man nicht umgehen mit jemandem, der sich nicht wehren kann, erst recht nicht, wenn man nicht den Funken eines Beweises in der Hand hat. Dass Ronen Steinkes Buch die Verdienste Fritz Bauers „in würdigem Andenken“ bewahrt, wie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, voller Respekt vor Fritz Bauers Lebenswerk in seinem Vorwort meint, bestreite ich ganz entschieden. Es ist, von den Unterstellungen und falschen Tatsachenbehauptungen abgesehen, ein sehr einseitiges Buch. Es verschweigt völlig Fritz Bauers Wirken als politischer Mensch und setzt den hessischen Generalstaatsanwalt dadurch in ein völlig falsches Licht.

 

Mehr als siebzig mal bezieht Steinke sich auf die Fritz-Bauer-Biografie von Irmtrud Wojak,  aber um deren Aussagen zu diesem Teil der Lebensgeschichte von Fritz Bauer macht er einen großen Bogen. Den mit dem Prädikat „Besonders wertvoll“ ausgezeichneten Film von Ilona Ziok, „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ tut er, vermutlich im Einvernehmen mit seinen wichtigsten Informanten, die den Film boykottieren, mit einer läppischen Bemerkung ab. 

 

Foto: CV Films     

 

Info:

 

Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht

Ausstellung im Jüdischen Museum in Frankfurt

bis 7. September 2014

Im Thüringer Landtag, Erfurt vom 9. Dezember 2014 bis 1. Februar 2015

 

Es gibt ein umfangreiches und qualitativ hochwertiges Rahmenprogramm.

 

Katalog: Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS-Verbrechen vor Gericht, hrsg. von Fritz Backhaus, Monika Boll und Raphael Gross im Auftrag des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt, Campus Verlag 2014

 

Biographien:

Irmtrud Wojak, „Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie“, Verlag C.H.Beck, München 2009

 

Ronen Steinke, „Fritz Bauer: Oder Auschwitz vor Gericht. Biografie mit einem Vorwort von Andreas Voßkuhle, Piper Verlag, München 2013

 

Film/DVD

Ilona Ziok, Fritz Bauer - Tod auf Raten, Deutschland 2010,97 Minuten, CV Films,

www.fritz-bauer-film.de

 

DVD

Fritz Bauer: Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961-1968, Hrsg.:Fritz Bauer Institut, Frankfurt, Redaktion: Bettina Schulte Strathaus, 2 DVD,s/w, ca. 300 Minuten, absolut Medien Berlin