Zum Tod von Kurt Nelhiebel, unserem verehrten 97jährigen WELTEXPRESSO-Autor und Freund
Petra und Irene Schmidt
Bremen (Weltexpresso) - Petra: Magst Du erzählen, wie Du damals auf Kurt Nelhiebel aufmerksam geworden warst?
Irene: Im Weser Kurier war vor gut zehn Jahren ein Artikel über ihn erschienen, der mich sofort ansprach. Es gab unglaublich viele Parallelen in den Lebensthemen und Interessen. Hier schien einer der wenigen Gleichgesinnten meiner Generation zu sein, ein Zeitzeuge, der auch bei den Frankfurter Auschwitz-Prozessen dabei gewesen war und über sie in einer Wiener Zeitung berichtet hatte , einer, der für Gerechtigkeit kämpft und dessen Lebensthemen die Erlebnisse von Flucht und Vertreibung, die Aufarbeitung der Nazizeit und die Mahnung, nie zu vergessen sind. Außerdem lebte er wie ich in Bremen!
Petra: Aber es gab ja noch mehr gemeinsame Interessen, nicht wahr?
Irene: Ja, das stimmt. Kurt liebte die Literatur, er kannte Goethes Faust I und II auswendig (!), und seine besondere Leidenschaft galt Gedichten. Genau wie ich. - In dem besagten Zeitungs-Artikel wurde am Ende erwähnt, dass er einen Gedichtband veröffentlicht habe, den man nur direkt bei ihm beziehen könne. Jedenfalls rief ich ihn sofort an, und dies war der wunderbare Beginn eines regen und anregenden Gedanken- und Erfahrungs-Austausches, der mit der Zeit zu einer wirklichen Freundschaft wurde. Kurt konnte im persönlichen Umgang offen über seine Gedanken und Empfindungen sprechen, was ich bei einem Mann meiner Generation kaum erlebt hatte.
Petra: Umso trauriger ist es, das Kurt so unerwartet gestorben ist. Würdest Du zum Schluss einen kleinen Nachruf für ihn machen?
Irene: Er war einer der wenigen Gerechten, ein nimmermüder Mahner, ein Vorbild für uns, an dem man sich orientieren konnte, und dessen Meinung stets auf fundiertem Wissen, auf Erfahrung und auf innerer Überzeugung beruhte. Unbestechlich. Hellwach. Demokrat im reinsten, tiefsten Sinne. Ein wahrhaft großer Mann! - Und obendrein ein lieber, treuer Freund. Einer, der zu seinem Wort stand. Einer, auf den man sich verlassen konnte. Er hatte ein unglaubliches Einfühlungsvermögen. Und er war ein Liebhaber und Kenner der Literatur. Ein Autor, aber auch ein Lyriker. Ein Naturfreund. Und obendrein meisterte er seinen Alltag so, dass er allein leben und ein selbstbestimmtes Leben führen konnte. Seine Selbständigkeit war ihm ein heiliges Fundament seines Lebens, und diese erkämpfte er sich bewundernswert bis zum allerletzten Tag - und zwar trotz all der erheblichen körperlichen Einschränkungen. Kurt Nelhiebel ließ sich nicht unterkriegen. Nie. Besser geht`s nicht. Solch ein Mensch ist wirklich selten.
Ich vermisse ihn sehr.
Doch ich bin auch unglaublich stolz und froh, Kurt Nelhiebel, diesem Wunder, begegnet zu sein. Ich werde sein Andenken stets in meinem Herzen bewahren.
Foto:
Irene Schmidt
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"Interview mit Irene Schmid, das ihre Tochter Petra mündlich mit ihr führt und für sie aufgeschrieben hat
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- Kategorie: Lust und Leben