Serie, Teil 6, WOANDERS GELESEN, hier Hessische Lehrerzeitung (HLZ) 7/8 2014: LERNORT MUSEUM
Bärbel Maul
Rüsselsheim (Weltexpresso) – Die 2004 eröffnete Abteilung „Rüsselsheim nach 1945“ beleuchtet den Wiederaufbau von Stadt und Werk, die Konsumwelten im Wirtschaftswunderland und die Einführung der Robotik bis zur global vernetzten „just-in-time“-Produktion. Die Abteilung zu Geschichte von Dorf und Festung im Mittelalter und der Frühen Neuzeit wird zurzeit überarbeitet und soll 2015 neu eröffnet werden.
Themenführungen, Studientage und Festungsrallye
Die Zusammenarbeit mit Lehrkräften und eine intensive Betreuung von Schulklassen sind dem Team im Museum und den Guides ein ernstes Anliegen. Die Guides gestalten den Besuch in der Regel im Sinne eines Gesprächs als dialogische Führung und holen die Schülerinnen und Schüler dort ab, wo sie stehen. Neben den Überblicksführungen für alle Jahrgangsstufen sind Führungen zu Querschnittfragen oder Einzelthemen wie „Frauenleben – Frauenarbeit“, „Total Global – unsere wunderbare internationale Warenwelt“ oder „Von Krieg zu Krieg“ möglich. Für 5. und 6. Klassen hat das Museum auf Anfrage eine interaktive Führung zum Thema „Sand im Getriebe? Kraft – Antrieb – Übertragung“ entwickelt, bei der das Prinzip der mechanischen Kraftübertragung unter anderem mit dem Bau eines Modellkrans praktisch erlebbar wird.
Die Kombination einer Museumsführung mit dem Besuch der laufenden Produktion bei Opel ist derzeit leider nicht möglich, da die Adam Opel AG die Werksbesichtigungen vorerst eingestellt hat. Deshalb bietet das Museum an, die Museumsführung mit einer Filmvorführung zur modernen Produktion im „Lean Field“ und einer Diskussion zu verbinden. Will man den Besuch selbst organisieren, gibt es auf der Website des Hauses und in gedruckter Form an der Kasse einen Fragebogen mit unterschiedlich schwierigen Arbeitsaufgaben, der auch bei der Nachbereitung in der Schule Verwendung finden kann.
Museumspartnerschaft für Schulprojekte
Studientage in Form etwa vierstündiger Workshops ermöglichen eine intensivere Form des forschenden Lernens anhand von Ausstellungsobjekten, zusätzlichem Quellenmaterial oder auch aktuellen Zeitungsartikeln. Während einer Führung stellen die Schülerinnen und Schüler ihre in Gruppen erarbeiteten Arbeitsergebnisse vor. Studientage für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II gibt es zu den Themen Industrialisierung, Soziale Frage und Globalisierung. Ein Studientag zur Architektur und Geschichte der Rüsselsheimer Festung eröffnet den 7. und 8. Jahrgangsstufen die Möglichkeit, das Kulturdenkmal, in dem das Museum beheimatet ist, intensiv kennenzulernen. Für 3. und 4. Klassen gibt es die Festungsrallye „Ritter, Rätsel und Ruinen“. Außerdem gibt es seit 2012 jährlich eine Mitmachausstellung, bei der Kinder experimentieren, forschen und gestalten und sich das Museum in ein Science Center auf Zeit verwandelt.
Intensivere und nachhaltige Lernerfahrungen machen Kinder und Jugendliche bei mehrtägigen Projekten, wenn in Teamarbeit kleine Ausstellungen, Präsentationen oder auch Facharbeiten entstehen. Das Museum kann hier zusammen mit dem angeschlossenen Stadtarchiv Schulprojekte zu lokal-, industrie- und technikgeschichtlichen Themen betreuen und hält Quellenmaterial, Recherchemöglichkeiten im Internet sowie eine gut ausgestattete Fachbibliothek und auch verschiedene Arbeitsräume vor. Gruppen, die Patenschaften für Stolpersteine für NS-Opfer übernahmen, erarbeiteten kleine Ausstellungen oder Dokumentationen.
Im Rahmen des Programms MuseobilBOX des Bundesverbandes für Museumspädagogik arbeiten Schülerinnen und Schüler einer benachbarten Haupt- und Realschule während der pädagogischen Mittagsbetreuung an einem Papiertheater: Eine Geschichte wird gemeinsam entwickelt und in Dialoge gekleidet, in den Werkstätten der Ausstellung „Papier la Papp“ entstehen die Kulissen und die Pappdarsteller und schließlich soll das Theaterstück im Museum öffentlich aufgeführt werden. Zugleich machen sich die Schülerinnen und Schüler mit dem Medium Papier, seiner Produktion in Geschichte und Gegenwart und mit verschiedenen Drucktechniken bekannt.
So arbeits- und voraussetzungsreich solche Projekte sind, so nachhaltig ist auch ihre Wirkung. Kreative Techniken, Methodenkompetenz, Teamarbeit, die quellenkritische Einordnung historischer Zeugnisse, all diese Fähigkeiten werden dabei entwickelt und wirksam trainiert. Das Team in Museum und Stadtarchiv wünscht sich Lehrerinnen und Lehrer, die mit – durchaus unkonkreten – Projektanfragen auf das Haus zukommen: „Könnte man einmal?“ oder „Wäre ein Workshop zum Thema xy bei Ihnen möglich?“ Meistens lautet die Antwort „Ja!“ Gern denken wir mit den Kolleginnen und Kollegen in den Schulen darüber nach, wie sich ein solches Arbeitsvorhaben sinnvoll in deren Unterrichtsplanung einbinden lässt. Das Stadt- und Industriemuseum Rüsselsheim kann Partner für vielfältige Schulprojekte sein.
INFO:
Dr. Bärbel Maul
Die Autorin ist Leiterin des Stadt- und Industriemuseums
Stadt- und Industriemuseum
Hauptmann-Scheuermann-Weg 4 | In der Festung
65428 Rüsselsheim
Informationen über Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Gruppenführungen findet man unter
www.museum-ruesselsheim.de
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der HLZ aus HLZ 7/8 Seite 12/13