5. Frankfurter Goethe Festwoche vom 19. bis 28. September 2014, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt so Glücksmomente, die auch auf Pressekonferenzen auftreten, wenn man eine Idee für besonders gelungen hält. So ging es uns, als wir einige der Antworten hörten, die auf Vorschlag des Frankfurter Theaterchefs Oliver Reese von verschiedenen Autorinnen auf Goethes 1 770 Briefe an Charlotte von Stein zurückgeschrieben wurden.

 

Darunter Angelika Klüssendorf, Julia Franck, Katharina Hacker, Katharina Schmitt, Ursula Krechel, Sibylle Berg und weitere. Die Briefe sind auf Deutsch, sowohl die von Goethe wie auch die der zeitgenössischen Damen, die im Stil der Zeit es diesem Herrn mal leise, mal lauter unterjubeln...aber nein, das wollen wir noch nicht verraten, denn Oliver Reese hat aus seiner Idee und den schriftlichen Ergebnissen einen Theaterabend geschaffen, der anläßlich des Kunstfests Weimar schon einmal aufgeführt wurde und nun am 20. September als Voraufführung und drei Abende, am 21., 22. und 23. September um 20 Uhr stattfindet in der Freimaurerloge zur Einigkeit in der Kaiserstraße. Es stehen nicht die Brieferfinderinnen auf der Bühne, sondern Frankfurter und Weimarer Bürgerinnen.

 

Aber eines muß noch gesagt werden. Die Erfindung der Briefe war nötig, denn nach Goethes Abreise nach Italien forderte die Hohe Frau ihre Briefe zurück, dem ein Edelmann dann auch folgt (heute würde er sie rasch kopieren, falls sie überhaupt mit der Hand geschrieben wurden; Emails zurückzufordern, ist nahezu aussichtslos. So ändern sich die Zeiten und wir uns mit ihnen) . Also gibt es sie nicht mehr, die Steinschen Briefe, gar zu gerne hätten wir auch Originale gelesen und dann gewußt, ob sie – was damals an Höfen Sitte war – auf Französisch schrieb. Goethe auf jeden Fall unterschrieb einen mit YOUR LOVER FOREVER. Das ist stark.

 

Stark ist die ganze fünfte Goethe Woche, die wir hier nur anreißen können. Das größte Problem war bei der Konzeption der Woche sicherlich, daß man mit dem Titel Goethes Eros locker monatelang Veranstaltungen hätte gestalten können, denn das Werk des Erotomanen Goethe ist von seinem Leben, wenn es um die Liebe geht, nicht zu trennen. Mal ist es Sublimierung, mal Hinterherfühlen, mal Sehnsuchtslaute, mal Glücksausdruck, Unglück auch. Und so ist folgerichtig der Veranstaltungsreigen mal mehr dem Werk, dann aber auch dem Leben zugeneigt. Unsere in der Pressekonferenz jäh aufflammende Erinnerung an die psychoanalytische Deutung von Goethe durch Kurt R. Eissler, die ausführliche Studie erschien erst 1983 auf Deutsch, zeigte uns, wie sehr diese heute – leider – vergessen ist, denn es ist ein alter Topos, den Eissler wieder einmal an Goethes Schaffen mit den neun Monaten pro Werk beweist, daß Ein-Kind-Austragen sowie Gebären mit dem dichterischen Schaffen eine mehr als symbolische Einheit eingehen kann.

 

Übrigens wurde diese Eros-Woche schon bei der letzten, der 4. Goethe Woche antizipiert, noch dazu im selben Raum im Goethehaus, als gefragt wurde, ob man nicht einmal etwas zu Goethe und der Liebe machen könnte. Im Jahr 2012 wurde nämlich GOETHE UND DAS GELD ein solcher Renner, daß spätestens seither die Goethe Woche ein fester Begriff ist, was natürlich den Anspruch steigert. Daß dieser vom 19. bis 28. September befriedigt werden kann, liegt nun an den Zuschauern und Zuhörern selbst, die ein breite Palette von Möglichkeiten haben, auf der man auf der angegebenen Webseite im Detail fündig wird. Zudem gibt es auch eine Ausstellung, auf die wir noch verweisen werden.

 

Der Inhalt der Woche GOETHES EROS – über Leben und Liebe des Frankfurter Dichters ist durch zwei Ereignisse vorbestimmt.Zum einen lernte Goethe genau vor zweihundert Jahren die ihn berührende und zum Schreiben motivierende 400 Jahre alte persische Dichtung des Hafis und dann auch noch Marianne von Willemer kennen, was zum „West-östlichen Diwan“ führte, der 1819 als „Divan“ veröffentlicht wurde. Ein Teil der in zwölf Büchern unterteilten Gedichte des Diwan stammen nämlich von Marianne von Willemer und ihnen allen ist eine allumfassende Weltsicht zu eigen, in der Ost und West sich auf gleicher Höhe begegnen.Marianne von Willemer war noch ganz jung, kam aus Österreich und heiratete Goethes Freund Willemer, der 'dicht bei', wie man in Frankfurt sagt, wohnte. Und sie mit ihm. Dieser Beziehung gilt die Ausstellung, die zeigen wird, wie ein rechter Dichter seine Gefühle kanalisiert und die junge Dame auch. Oder wurden Gefühle nur gefühlt, damit Gedichte entstehen? Mehr zeigt die Ausstellung.

 

Auf jeden Fall wird so verständlich, daß dieses Werk, der West-östliche Diwan, im Mittelpunkt vieler Veranstaltungen steht, wobei am 20. September IM ATEMHOLEN SIND ZWEIERLEI GNADEN – Goethe und der Islam, eine Gesprächsrunde mit Navid Kermani im Goethemuseum stattfindet und Hanswursts Hochzeit, Burleske Szenen aus Goethes geheimen Erotica in einer szenischen Lesung am 21. September wirklich das bringen, was für die ordentlichen Goetheausgaben den Herausgebern wohl zu ordinär erschien. Es sind tatsächlich die zensierten Goethesentenzen, die zu hören sind.

 

Bitte entnehmen Sie die Vielfalt des Programms der ganzen Woche der Webseite. Auf die Mitveranstalter, Deutsches Filmmuseum, Hessicher Rundfunk hr-kultur, Literaturhaus Frankfurt u.a. gehen wir noch gesondert ein.

 

P.S. Auf ein Kuriosum wollen wir doch noch eingehen. Oliver Reese hatte Goethes Brief mit der Grußform „Your Lover Forever“ vorgetragen, wozu ja „G Punkt“ gehört, was zwar logisch als Abkürzung von Goethe als G. verschriftlicht ist, aber mündlich ausgesprochen eben den G-Punkt ergibt, jene erogene Zone in der Vagina, von der nur Frauen wissen, daß sie sie haben. Aber Sprache ist ja eben ein sonderbares und auch subversives Ding, das unsagbare Dinge transportiert.Fortsetzung folgt.

 

Foto: (c) Kulturamt Frankfurt am Main

 

www.goethe-festwoche.de