Kurzer Rückblick auf den 3. Oktober 2014

 

Conrad Taler

 

München (Weltexpresso) - Neulich stand in der Zeitung, (es war die Süddeutsche vom 4./5. Oktober), die deutsche Einheit sei eines von nicht allzu vielen Beispielen dafür, „dass verschiedene Temperamente auch mal zusammenwachsen können.“ Habe ich etwas verpasst?

 

Ich dachte immer, vor 25 Jahren seien zwei deutsche Teilstaaten zu einem Ganzen verschmolzen worden. Und jetzt das. Die deutsche Einheit – bloße Vereinigung verschiedener Temperamente? Und für welches Temperament stand dann, bitte schön, die DDR und für welches die alte Bundesrepublik? War die eine Seite lebenslustig und die andere trübsinnig? Standen sich am Ende gar Fleiß und Faulheit gegenüber?

 

Dass unterschiedliche Temperamente zusammenwachsen, das gibt es nicht, oder, wie man man im Ruhrgebiet sagt: das gibbet nich. Menschen mit unterschiedlichen Temperamenten können oder müssen sich gelegentlich miteinander arrangieren. Wenn’s nicht klappt, verabschiedet man sich wieder. Aus gutem Grund gibt kein Standesbeamter und kein Pfarrer Heiratswilligen Willy Brandts Satz mit auf den Weg geben: „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört.

 

Was ist sonst geblieben vom Tag der deutschen Einheit? Die Duisburger und viele andere werden sich angesichts kaputter Straßen und maroder Schulen ihre eigenen Gedanken über den Segen der deutschen Einheit gemacht haben, oder auch darüber, dass die Brüder und Schwestern im Osten, die so nach freien Wahlen gelechzt haben, jetzt sagen: Macht euern Dreck alleene. Einer, den das wurmt, er heißt Klaus Nelhiebel, hat sich dazu folgende Zeilen ausgedacht:

 

Einigkeit und Recht und Freiheit / singt ihr laut an diesem Tag, / ja, die gute alte Freiheit, / keiner, der sie nicht gern mag. / Freie Wahlen wollt’ ihr haben, / doch wie soll ich das verstehn, / dass nach 25 Jahren / nur so wen’ge wählen gehen? / Liebe Freunde dort im Osten, / da enttäuscht ihr mich doch sehr, / Freiheit war euch einmal wichtig, / und jetzt nutzt ihr sie nicht mehr.