Serie: Neuer Streit um das Fritz-Bauer-Institut (FBI), Teil 12: Über das Institut selbst

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Es tut sich was. Das merkt man einfach. Denn als die ersten Kritiken zur Fritz Bauer Ausstellung des FBI im Jüdischen Museum im Mai 2014 kamen, da wurden sie öffentlich kaum zur Kenntnis genommen.

 

Steter Tropfen höhlt den Stein, kann man derzeit hoffen. Kurt Nelhiebel, der – wir erinnern – beim Auschwitz-Prozeß 1963-65 für eine Wiener Zeitung berichtete, Fritz Bauer kannte und das alles miterlebt hat, gibt nicht auf, dagegen anzuschreiben, daß der jüngste Bauerbiograph die politischen Figur Bauer mit merkwürdigen und noch dazu unwahren privaten Details anreicherte. Weltexpresso hat das aufgenommen und war auch die erste Zeitung, die die derzeit in Erfurt gezeigte Fritz Bauer Ausstellung aus Frankfurt, die auf der verfälschenden Biographie aufbaut und diese vertieft, in diesen Punkten deutlich kritisierte. Inzwischen zeigen sich verschiedene Risse im Gebälk des Fritz Bauer Instituts und derer, die bisher sein Wirken für untadelig gehalten haben.

 

Dabei war die von der Redaktion von Weltexpresso und auch der Chefredakteurin unterstützte Publizierung von Artikeln immer nur gegen die Behandlung des Namensgebers des Instituts durch das Institut selbst gerichtet. Das schlimmste Versäumnis ist bisher nur am Rande erwähnt worden, denn wir warten seit Jahren auf die erneuten Veröffentlichungen längst vergriffener Fritz Bauer Schriften und auch auf die Herausgabe von Werken Bauers, die noch nie publiziert wurden. Spätestens im Dezember 2013, als öffentlich und im Justizministerium des Beginn des Auschwitz-Prozesses sehr eindrucksvoll mit zwei Bänden über die Prozesse gedacht wurde, wäre der Zeitpunkt gewesen, wo auch der Initiator Bauer mit der Herausgabe von Schriften hätte geehrt werden müssen. Denn immerhin wurde gestern das Fritz Bauer Institut 20 Jahre alt! 20 Jahre, ohne die Publizierung seiner Schriften! An der Arbeit des Instituts als Einrichtung zur Holocaustforschung dagegen haben wir keine Kritik zu üben. Wohl aber immer stärker an der Verunglimpfung Bauers durch Institutsmitarbeiter.

 

War es ursprünglich der Vorwurf, daß das nunmehr 20jährige Fritz Bauer Institut überhaupt nichts zur Person seines Namensgebers Fritz Bauer sage und nichts von ihm veröffentliche, wurde spätestens im Jahr 2010 mit dem Film FRITZ BAUER – TOD AUF RATEN von Ilona Ziok deutlich, daß erstmals seit der großen wissenschaftlichen Biographie über Fritz Bauer von Irmtrud Wojak hier ein Film den bedeutenden Rechtsreformer und engagierten Volkserzieher so in den Aussagen von Zeitzeugen darstellt, daß der Betrachter ein lebendiges Bild eines großen, früh verstorbenen und lange vergessenen Mannes erhält – mit der Konsequenz, mehr wissen zu wollen.

 

Daß dann tatsächlich im Mai 2014 vom Institut eine Fritz Bauer Ausstellung eingerichtet wurde - was wir ja begrüßen, nur mit Entpolitisierung und gleichzeitig suggerierten Verprivatisierung nicht einverstanden sind - , sehen wir genauso als Ausfluß des Films von Ilona Ziok, wie auch der schon angelaufene Film IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS es ist, von den beiden demnächst folgenden Fritz Bauer Filmen ganz zu schweigen. Fritz Bauer wird über kurz oder lang in Deutschland wieder ein Name sein, eine öffentliche Figur abgeben, die seiner eigentlichen Bedeutung im noch naziverseuchten Westdeutschland zukommt. Und darum ist es auch wichtig, wie Fritz Bauer wahrgenommen wird. Als verklemmter, seine Triebe nicht auslebender, sich seiner Herkunft schämender und politisch polternder Mann, wie ihn das Institut auch mit Hilfe seiner Ausstellung darstellt oder als rationaler Aufklärer, dem bewußt ist, daß die menschlichen Bedingungen stimmen müssen, damit junge Menschen zu aufrechten Bürgern heranwachsen, die allein eine Demokratie lebendig halten. So nämlich haben ihn in Frankfurt alle in Erinnerung, die ihn noch erlebt haben. Auch als kulturinteressierten und darüber parlierenden Mitmenschen. Fritz Bauer hatte Charisma, hatte den Zug der weiten Welt um sich und war das Gegenteil von Mief und Kleingeisterei.

 

Es geht also tatsächlich letzten Endes um das, was man Deutungshoheit nennt, wer mit welchem Recht und welchen Beweisen das öffentliche Bild von Fritz Bauer bestimmt. Selbstverständlich hätte dies dem Institut als erster Adresse zugestanden – und zwar als Recht, aber auch als Pflicht. Nachdem das Fritz Bauer Institut aber trotz Hoheit jahrelang überhaupt keine Deutung vorgenommen hat, in keiner Form die Erinnerung an Fritz Bauer wachgerufen hat, hat das Institut zusätzlich den 2010 herausgekommenen Film TOD AUF RATEN boykottiert, von dem man sich genau vorstellen kann, wie er Fritz Bauer gefallen hätte. Ihm wäre aufgefallen, daß kein weiterer Kommentar die Aussagen seiner Freunde und Kollegen über ihn verfremdet, überhöht oder erniedrigt hat, sondern das Bild Bauers allein durch die Erinnerungen seiner Freunde und Kollegen und der eingespielten Fernsehaufnahmen von Gesprächen von und mit Bauer konstituiert und wirken läßt.

 

Der Film ist national und international sehr beachtet worden, hatte auf Anhieb allein in Deutschland über 100 000 Zuschauer, was für einen Dokumentarfilm sehr viel ist. Inzwischen gibt es eine interessante filmische Analyse von Ilona Zioks Film aus den USA, die wir vorstellen werden. Dem Fritz Bauer Institut aber hat man es durchgehen lassen, daß dieser so notwendige und sehenswerte Film von ihm als quantité négligeable behandelt wird. Das richtet sich erst einmal gegen die Institutsleitung, die so verfährt. Andererseits muß man nachfragen, wieso ein Universitätsinstitut machen kann, was es will. Schließlich gibt es nicht nur eine Dienstaufsicht, sondern auch drei Gremien, die das Institut, eine Stiftung, beraten und beaufsichtigen: Stiftungsrat, Rat der Überlebenden des Holocaust und den Wissenschaftlichen Beirat. Zudem gibt es den Förderverein, dem Jutta Ebeling, ehemalige Frankfurter Bürgermeisterin und Grünen-Politikerin vorsitzt.

 

Wir kennen deren interne Diskussionen nicht, vermuten aber, daß über die Fehldeutung der Person Fritz Bauers, die der durch das Institut beauftragte Biograph Steinke 2013 begann, was die von Monika Boll kuratierte Ausstellung 2014 fortsetzte und vertiefte, bisher nicht gesprochen wurde. Das wird sich ändern. Fortsetzung folgt.