Steinauer Kongress der Puppenspieler mit dem Ensemble Theatrium Dresden zu Gast

 

Hanswerner Kruse

 

Steinau an der Straße (Weltexpresso) - Auch wenn man bis zur Pause Probleme hatte, die verwirrende Handlung von „Adams Äpfel“ zu verstehen, lohnte es sich zu bleiben. Denn nach der Pause des Gastspiels der Dresdner Compagnie fügte sich alles zusammen.

 

Ich habe den Kanal voll!“ Dr. Kollbergist stinksauer. In Rückblenden erzählt er mit Puppen die Gründe, warum er seinen Job aufgeben will: Der überfromme Landpfarrer Ivan nimmt in seinem Sanatorium gescheiterte Menschen auf, die er gemeinsam mit Dr. Kollberg resozialisieren will. Da gibt es den Sexualstraftäter Gunnar, den arabischen Tankstellenräuber Khalid und andere finstere Gestalten. Als Neonazi-Führer Adam dazu kommt, der als Behandlungsziel eines Tages einen Apfelkuchen backen will, eskalieren die Ereignisse.

 

Nach eigener Bibel-Lektüre konfrontiert Adam den Pfarrer damit, dass der Teufel ihn nicht mit Katastrophen verführen wolle, sondern Gott ihn hasse. Anders sei nicht zu erklären, dass seine Mutter bei der Geburt gestorben sei, seine Frau sich umgebracht habe, sein Sohn verkrüppelt sei und er an einem Gehirntumor leide. Schließlich tauchen auch noch die Anhänger des mittlerweile geläuterten Nazis in der Klinik auf und schießen dem verzweifelten Pfarrer aus Versehen ein Loch in den Kopf. Doch der stirbt nicht daran, stattdessen beseitigt die Pistolenkugel seinen Tumor. Daraufhin packt Dr. Kollberg seinen Koffer und tobt: „Ich will hier weg, ich kann doch nicht mit ansehen, wie sich die Patienten selber heilen!“

 

Die vom Schauspieler (Detlef-A. Heinichen) erzählte und gezeigte Groteske ist verwirrender und weitschweifiger als hier angedeutet, erst zum Ende fügt sich die Geschichte zusammen. Doch es geht nicht nur darum, was der Schauspieler - der zugleich der Puppenspieler ist - erzählt, sondern wie er die Geschichte darbietet. Mal nimmt er sich einen Kaffee und berichtet von den Ereignissen in der Klinik. Oft spricht er als Arzt mit den Puppen, meistens aber lässt er nur die beleuchteten Figuren miteinander handeln. Seine Hände sind die riesigen Hände der kleinen Puppen, er spricht alle Rollen und kommt mit ganz einfachen Requisiten aus. Obwohl er ständig als Spieler im Halbdunkel zu erkennen ist, schafft er dennoch die Illusionen des Theaters. Dabei helfen ihm viele Lichteffekte und die Handlung untermalende Musik.

 

Mit seiner streiflichtartig und assoziativ erzählten Geschichte erinnert das Schauspiel „Adams Äpfel“ an Kinofilme. Das ist kein Zufall, denn dieser schwarzen Komödie liegt der gleichnamige Film des dänischen Regisseurs Anders Thomas Jensen von 2005 zugrunde. Die Bühnenfassung wird nicht nur vom Theatrium Dresden inszeniert, sondern auch von anderen Theatern mit echten Schauspielern. Doch diese spezielle Aufführung in Steinau, als Mischung von Figurentheater und Schauspiel, kann den makabren Geist des Films besonders gut umsetzen. Und zum alljährlichen Kongress der Puppenspieler machte diese Aufführung geradezu exemplarisch deutlich, welch unglaubliche Faszination die eigentlich antiquierte Form des Figurentheaters im digitalen Zeitalter haben kann!

 

 

Hintergrundinfo:

Adams Äpfel“ ist nicht religionsfeindlich – im Gegenteil, der Film wurde mit dem Kulturpreis dänischer Pastoren ausgezeichnet. Das deutsche Religionspädagogische Institut Loccum empfiehlt ihn ausdrücklich für den Religionsunterricht, um „Zweifel und Kritik an Religion zu artikulieren und ihre Berechtigung zu prüfen.“ Das Thema setzt sich unter anderem mit der Frage auseinander, warum Gott das Leiden in der Welt zulässt (Theodizee-Problem).

 

FOTO: Hanswerner Kruse

Dr. Kollberg, Puppen v. l. n. r. Gunnar, Adam, Pfarrer Ivan, Khalid