Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preisverleihung 2015 in der Frankfurter Paulskirche, Teil 1

 

Hubertus von Bramnitz

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - James P. Allison entfesselt das Immunsystem, Carl H. June benutzt modifizierte T-Zellen als Therapeutikum. Beide Strategien werden schon klinisch genutzt. Die beiden Amerikaner James P. Allison und Carl H. June wurden am Samstag in der Frankfurter Paulskirche mit dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis ausgezeichnet.

 

Allison hat eine Immuntherapie gegen schwarzen Hautkrebs entwickelt, June gegen Leukämie. Beide haben die Mobilisierung der körpereigenen Abwehr zu einer Therapieoption gemacht, der immer mehr Menschen ihr Leben verdanken. „Bei der Immuntherapie wird nicht mehr der Tumor behandelt, sondern das Immunsystem. Sie steht für ein neues Therapieprinzip in der Onkologie“, begründet der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung seine Entscheidung. Allison ist Professor am „The University of Texas MD Anderson Cancer Center“ in Houston, June ist Professor an der Perelman School of Medicine an der Universität Pennsylvania in Philadelphia. Der Paul Ehrlich und Ludwig Darmstaedter-Preis gehört zu den international renommiertesten Auszeichnungen, die in der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Medizin vergeben werden. Der Preis wurde von Professor Harald zur Hausen, dem Vorsitzenden des Stiftungsrats überreicht.

 

Allison und June verwenden T-Zellen für die Immuntherapie. Allisons Entwicklung bewirkt, dass die T-Zellen länger aktiv bleiben. Normalerweise wird eine Immunreaktion schnell wieder abgeschwächt, damit keine Kollateralschäden entstehen. T-Zellen benutzen dafür molekulare Bremsen. Allison hat diese Bremswirkung systematisch untersucht und daraus abgeleitet, dass man mit deren Blockierung eine längere und nachhaltigere Immunreaktion gegen Krebs erzeugen kann. Dies wird mit einem therapeutischen Antikörper erreicht, der inzwischen auch in Deutschland unter dem Namen Ipilimumab zugelassen ist.

 

22 Prozent der Patienten mit einem fortgeschrittenen Melanom entwickeln damit eine langlebige Therapieantwort von mindestens zehn Jahren. Weil die Brems- oder Kontrollproteine im Englischen „Immune Checkpoints“ heißen, heißt die von Allison begründete Behandlung Checkpoint-Therapie. „Wir schaden den Tumorzellen nicht direkt“, sagt Allison über die Checkpoint-Hemmung. „Wir entfesseln die T-Zellen, damit sie diese Aufgabe übernehmen. Das ist der entscheidende Unterschied zur konventionellen Chemotherapie.“

 

Carl June benutzt die T-Zellen des Patienten als Therapeutikum, indem er ihre Killereigenschaften mit der Spürnase eines Antikörpers verbindet. Dazu entnimmt June den Patienten Blut, isoliert die T-Zellen und rüstet sie mit einem antikörperähnlichen Eiweiß aus, das die T-Zellen direkt zu den Krebszellen führt. Dieses Eiweiß heißt „CAR“. Die Therapie wird CAR-Therapie genannt. June hat bisher vor allem Patienten mit austherapierter Leukämie behandelt. Einige Patienten zeigen auch nach Jahren keine Anzeichen der Erkrankung mehr. Bisher ist die CAR-Therapie noch eine Nischenbehandlung. Allerdings arbeiten verschiedene Firmen daran, sie in die breite klinische Anwendung zu überführen. „Die größte Herausforderung besteht jetzt darin, auch solide Tumore mit CAR-Zellen zu behandeln, nicht nur Leukämien“, sagt June. Sein nächster Feind heißt Bauchspeicheldrüsenkrebs.

 

 

Kurzbiographie Professor Dr. James P. Allison

 

James Allison (66) wurde 1948 in Alice, Texas geboren. Er hat an der Universität Texas Biologie studiert. 1985 wurde er Professor für Immunologie und Direktor am Cancer Research Laboratory der Universität Kalifornien in Berkeley. 2004 wurde er ans Memorial Sloan Kettering Cancer Center nach New York berufen, wo er Leiter des Immunologie- Programms war und Direktor des Ludwig Center for Cancer Immunotherapy. Seit 2012 arbeitet Allison wieder in Texas, am MD Anderson Cancer Center in Houston und ist dort als Professor und in verschiedenen weiteren Funktionen tätig. Allison ist vielfach ausgezeichnet worden. Er hat unter anderem den mit 3 Millionen Dollar dotierten Breakthrough Prize in Life Sciences erthalten, den Tang Prize in Biopharmceutical Sciences, den Szent-Györgi Prize for Progress in Cancer Research, den Canada Gairdner International Award und den Louisa Gross Horwitz Prize. Allsion ist Mitglied verschiedenen wissenschaftlichen und medizinischen Fachgesellschaften, zum Beispiel in der amerikanischen National Academy of Sciences und im Howard Hughes Medical Institute. Allison hat über 200 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht.

 

 

Kurzbiographie Professor Dr. Carl H. June

 

Carl June (61) wurde 1953 in Denver, Colorado geboren. Er studierte Biologie an der United States Naval Academy in Annapolis und Medizin am Baylor College of Medicine in Houston. Er forschte bei der WHO in Genf und am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle. June ist Facharzt für Innere Medizin und Medizinische Onkologie. Er war von 1986 bis 1999 Professor an der Uniformed Service University for the Health Services in Bethesda und von 1975 bis 1996 Arzt der amerikanischen Marine. Von Bethesda wechselte er auf eine Professur an die University of Pennsylvania School of Medicine, wo er seitdem als Professor und Leiter verschiedener Programme tätig ist. June hat viele wissenschaftlichen Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Bristol-Myers Squibb Freedom to Discover Award, den William B. Coley Award des Cancer Research Institutes, den Ernest Beutler Prize der Amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie, den Steinman Award for Human Immunology Research und den Taubman Prize for Excellence in Translational Medical Science. June ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und hat über 400 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht.

 

 

Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis

 

Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis wird traditionell an Paul Ehrlichs Geburtstag, dem 14. März, in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Mit ihm werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geehrt, die sich auf dem von Paul Ehrlich vertretenen Forschungsgebiet besondere Verdienste erworben haben, insbesondere in der Immunologie, der Krebsforschung, der Hämatologie, der Mikrobiologie und der Chemotherapie. Finanziert wird der seit 1952 verliehene Preis vom Bundesgesundheitsministerium, dem Stiftungsfonds Deutsche Bank im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V., dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. und durch zweckgebundene Spenden von Unternehmen. Die Preisträger werden vom Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung ausgewählt.

 

 

Die Paul Ehrlich-Stiftung

Die Paul Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung, die treuhänderisch von der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität verwaltet wird. Ehrenpräsident der 1929 von Hedwig Ehrlich eingerichteten Stiftung ist der Bundespräsident, der auch die gewählten Mitglieder des Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung ist Professor Dr. Harald zur Hausen, Vorsitzender des Kuratoriums ist Dr. Rolf-E. Breuer. Prof. Dr. Wilhelm Bender ist in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität zugleich Mitglied des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Die Präsidentin der Goethe-Universität ist in dieser Funktion zugleich Mitglied des Kuratoriums.

 

 Foto: Die Preisträger von links nach rechts: Atreya, Allison, June (c) Uni Ffm. Dettmar

 

INFO:

www.paul-ehrlich-stifung.de