Jan Fabres in der dreiteiligen Werkschau im Mousonturm zu Frankfurt

 

Hanswerner Kruse

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Im Mousonturm begann mit Jan Fabres „Preparatio Mortis“ (Vorbereitung zum Tod) eine kleine, dreiteilige Werkschau seiner zwischen Tanz und Performance changierenden Solostücke.

 

Lange bleibt das Publikum im Dunklen. Schrille Töne einer Orgel wechseln mit brausenden tiefen Akkorden. Eine moderne Toccata für das Publikum als Trauergemeinde? Kräftig duftet es nach Blumen. Ganz langsam taucht das schwache Bild eines mit Chrysanthemen bedeckten Schreins auf. Stille. Der Blumenberg fängt behutsam an sich zu bewegen. Allmählich tauchen eine Hand, ein Arm, blonde Haare einer Frau aus den Pflanzen auf. Meist dissonant setzen neue Orgelklänge wieder ein. Mit eigenartigen Bewegungen befreit sich die Frau aus den Blumen, löst sich akrobatisch vom gläsernen Sarkophag.

 

Zeitlupenhaft scheint sie auf der mit Blumen bedeckten Bühne zu erwachen, wird von der Orgelmusik in die Höhe gezogen, zittert, ist hin- und hergerissen, klammert sich an die Blumen, spielt mit ihnen kleine Geschichten. Dann wälzt sie sich rasend darin, lässt sie fröhlich herabregnen, zerdrückt sie wütend. Stöhnend und zitternd ringt sie nach Luft. Doch bevor es nun schwülstig wird, zuckt sie wie entfesselt, wird zur grotesken Figur. Plötzlich Stille. Dunkelheit.

 

Dann erneut Orgelmusik. Im schwachen Licht ist zu erkennen, wie sich die nun nackte Frau zwischen großen lebenden Schmetterlingen im gläsernen Sarg unendlich achtsam bewegt. Ein akrobatischer Tanz im neuen Leben? Und erneut gegen jedes Pathos beschmiert sie mit weißer Farbe das Glas mit obszönen naiven Malereien. Manchmal schaut sie ins Publikum. Winkt. Sucht vergeblich Kontakt, während die Orgel verstummt und das Licht langsam ausgeht.

Kann man Sterben ohne Pathos und dennoch würdig in seiner Widersprüchlichkeit darstellen? Die Tänzerin Annabelle Chambon lässt uns an einem Sterben voller Erinnerungen mit Zweifeln, Hoffnungen, Loslassen und sich Festkrallen Anteil nehmen. Natürlich sind wir im Theater, der Tod kommt nicht wirklich. Jedoch scheint diese Choreografie nicht festgelegt zu sein, ist eher freie Performance als Tanz. Chambon schauspielert nicht, sie zeigt nicht - sie durchlebt körperlich empathisch diesen Prozess des Sterbens, an dem sie uns teilhaben lässt.

Der Belgier Jan Fabre hat sich in seinen Gesamtkunstwerken aus Tanz, Bildender Kunst, Performance und Oper oft dem Sterben und anderen letzten Dingen gewidmet. „Preparatio Mortis“ ist einerseits der Beginn seiner kleinen Werkschau mit Solotänzen. Jedoch markiert das Stück auch den Beginn einer Art „Passionszeit“ im Mousonturm, die am 16. April mit einer Musik-Performance der Spanierin Angélica Liddell abgeschlossen wird.

Fabre hat schon früh in Frankfurt gearbeitet: Für das Theater am Turm inszenierte er seltsame Theaterstücke (1989), in der Schirn zeigte er blau bemalte Badewannen (1991). Als er sich vom Theater abwandte, machte er mit William Forsythes Tanzcompagnie in den 90er-Jahren Erfahrungen als Choreograf. Seit dieser Zeit kennt er den Tänzer Antony Rizzi, der das dritte Solostück „Drugs kept me alive“ performt.

 

INFO:

Weitere Solostücke zwischen Tanz und Performance von Jan Fabre im Mousonturm:
„Attends, attends, attends...“ (28. / 29. 3.), „Drugs kept me alive“ (31. 3. / 1. 4.)

 www.mousonturm.de