Serie: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE, Teil 8

Hanswerner Kruse u.a. 

Schlüchtern (Weltexpresso) - Die Perserin Soheila (31) ist nach Deutschland geflüchtet, weil sie die politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland unerträglich fand und ihr das Leben dort als Frau zu gefährlich wurde.

 

Bei der ersten Begegnung im Wohnzimmer-Café krabbelt Soheila auf dem Fußboden herum und brummelt fremdländische Worte. Ironisch demonstriert sie, wie arabische Muslime nach strengen Vorschriften beten müssen. „Ich kann auch auf Persisch und ohne Theater mit meinem Gott reden!“, erklärt sie. Dann stellt sie ihren Freund B. vor, der jetzt fünf Tage in Schlüchtern bleibt. Seit ihrer Flucht vor einem Jahr hat sie den Restaurantbesitzer aus der Heimat nicht mehr gesehen. „Es war eine schwierige und tränenreiche Wiederbegegnung“, sagt sie.

 

Soheila ist eine Kämpferin, die vehement mit südländischer Körpersprache für ihre Recht plädiert, sowohl als Frau im Iran oder als Geflüchtete in Deutschland zu leben. Man kann sich vorstellen, dass ihre Zukunftsaussicht im islamischen Iran nicht sehr hoch und ihre körperliche Unversehrtheit unsicher war; eine rebellische Freundin ist spurlos verschwunden. Erstaunlicherweise schimpft sie expressiv auf Deutsch, sonst werden Emotionen ja eher in der Muttersprache ausgedrückt. In dem einen Jahr ihres Hierseins hat sie so gut Deutsch gelernt, dass sie demnächst in der Volkshochschule Fulda ihre Prüfung macht, die sie zur Absolvierung der Hauptschule berechtigt.

 

Doch die müsste sie eigentlich gar nicht besuchen, wenn sich ihr Deutsch noch weiter verbessert. Denn im Iran erhielt sie, wie viele Mädchen, eine gute Schulbildung und konnte auch „irgendetwas mit Software“ an der Universität studieren. Später arbeitete sie dann allerdings als Friseurin, weil sie keinen passenden Job fand. Anders als etwa in Afghanistan oder im Maghreb (Westafrika) können Frauen zwar ungehindert lernen und studieren, aber ihre beruflichen Perspektiven sind, wie ihre Menschenrechte, sehr eingeschränkt. Mitarbeiter vom Brücken-Café sichten derzeit Soheilas Zeugnisse, um einige Abschlüsse anerkennen zu lassen.

 

Dennoch schätzt Soheila ihre Chancen, im Gegensatz zu anderen Geflüchteten, eher bescheiden und realistisch ein: „Ich muss noch mal ganz von vorne beginnen“, vermutet sie. Aber sie ist lernbegierig und hat große Lust, Deutsch zu sprechen. Für das zweite Gespräch machte sie sich vorab Notizen in Deutsch mit persischen Ergänzungen. Ein wenig spottet sie über die „Muttersprachlerinnen“ unter den Geflüchteten, die meist nur in der Sprache ihres Heimatlandes miteinander redeten: Sie selbst habe eine gute deutsche Freundin und brauche keine iranischen Bekannten. Doch ihre Eltern und die drei Schwestern vermisse sie sehr und hoffe darauf, sie bald in der Türkei treffen zu können: „Wenn ich einen ‚Blaupass’ habe geht das“, meint die Asylsuchende, mit ihm dürfe sie auch ins Ausland reisen.

 

Auf ihren einzigen Bruder, einen strengen Muslim, der sie Zuhause immer schurigelte, ist sie nicht gut zu sprechen. Sie springt auf, zeigt ihre Beine und meint: „So hätte ich in Teheran nicht durch die Stadt gehen dürfen. Und als Frau muss ich auch Kopftuch tragen.“ Sie ärgert sich, dass Frauen dort nicht gleichberechtigt sind und es keine Glaubensfreiheit gibt: „Wenn ich in einer muslimischen Familie geboren wurde, muss ich immer Muslimin sein!“ Nach Deutschland sei sie gekommen, weil sie wusste, „hier gibt es Freiheit für Frauen.“ Im Iran bestimme die Religionspolizei das ganze Leben und gerade als Frau lebe man immer in großer Unsicherheit und Angst, gegen Vorschriften zu verstoßen. Als unverheiratete Frau dürfe sie nicht einmal mit einem Mann durch die Straßen gehen.

 

Iran ist ein schönes Land“, meint Soheila, „aber die Islamisten verbieten die Lebensfreude und die Freiheit.“ Zum Abschied fügt sie ein Gleichnis hinzu: „Die binden unsere Flügel fest und erwarten, dass wir fliegen. Das geht doch nicht!“

 

Text & Foto: Autorenkollektiv Clas Röhl / Hanswerner Kruse / Marion Klingelhöfer

 

INFO:

Im Text spricht Soheila vom sogenannten „Blaupass“. Was meint sie damit?

 

Sie bezieht sich hier auf den mit einem blauen Deckel versehenen Flüchtlingspass, aus der Sicht des Asylsuchenden die erstrebenswerteste, zunächst auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis. Sie erlaubt unter anderem Reisefreiheit in den meisten westeuropäischen Staaten, Erwerbstätigkeit und den Nachzug von Ehegatten oder minderjährigen Kindern in die Bundesrepublik. Drei Jahre nach Anerkennung muss das zuständige Bundesamt überprüfen, ob die Asylgründe fortbestehen. Die Prüfung kann zur Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels führen oder dazu, dass der Schutzstatus wieder entzogen wird.

 

 

Das Persische

 

Die persische Sprache nennen die Iraner Farsi und sie wird nicht nur dort gesprochen, sondern ist ebenfalls Amtssprache in Afghanistan und Tadschikistan. In Zentralasien wird sie auch in Usbekistan und anderen Ländern gesprochen, so daß man von rund 75 Millionen Muttersprachlern zuzüglich 50 Millionen Zweitsprachlern ausgehen kann.