Serie: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE, Teil 10: ein exemplarisches Projekt zur „Willkommenskultur“

Hanswerner Kruse 

Schlüchtern (Weltexpresso) - In der Tagesstätte des Psychosozialen Zentrums Rosengarten in Schlüchtern trafen sich zum zweiten Mal Mitarbeiter, Klienten, Flüchtlinge und weitere Gäste zum Kochen und gemeinsamen Essen.



Vor dem kleinen, ehemaligen Fabrikgebäude im Hinterhof spielen dunkelhäutige Flüchtlinge mit bleichen Deutschen Tischtennis, überall stehen gemischte Minigruppen herum. Einige Klienten des Rosengartens decken mit Geflüchteten die Tische und schreiben in mehreren Sprachen die Speisekarte auf eine Tafel. Nach dem scharfen äthiopischen Essen beim ersten Treffen gibt es heute deutsche Kost - eher schwach gewürztes Hühnerfrikassee mit Salat.



Bald ruft Gitarrist Eckhard Siebers zum „Küchentango“, den alle gemeinsam singen: „Da zischen heiße Wasserdämpfe / frontal Kartoffeln aufgestanzt / und mancher kriegt im Bein die Krämpfe / weil er den Küchentango tanzt.“ So einfach ist es nicht, den Menschen aus Äthiopien, Eritrea oder Iran den Sprachwitz des Liedes zu erklären, doch ansonsten ist die Stimmung großartig. Anders als bei Partys, wo häufig Cliquen zusammenhocken, vermischen sich die etwa dreißig Teilnehmer und reden intensiv miteinander.



Die Klienten des Rosengartens empfinden sich als Gastgeber - aus Hilfsbedürftigen werden Helfer. Ein ständiger Besucher der Tagesstätte macht schon länger Deutschunterricht für Flüchtlinge, eine Besucherin schenkt einer Flüchtlingsfrau heute bunte Strümpfe. Intensiv werden die Geflüchteten von den Gästen zu ihren Biografien und ihrem Leben in Schlüchtern befragt. Die zehnjährige Arema, die vor einem halben Jahr mit ihrem Vater dem Bürgerkrieg in Äthiopien entronnen ist, berichtet stolz, dass sie jetzt zur Schule darf. „Am liebsten mag ich Mathematik und Malen“, erklärt sie in fast akzentfreiem Deutsch. Dann lacht sie Tränen, als ein Besucher versucht, äthiopische Worte nachzusprechen. „So habe ich sie noch nie lachen gesehen“, meint die Äthiopierin Saba.



Nach dem Essen bilden sich neue Gruppen, einige spielen Tischtennis, bis Siebers zum Singen einlädt. Es sind großartige Momente, wenn die vielen unterschiedlichen Menschen aus diversen Ländern gemeinsam singen: „Marmor, Stein und Eisen bricht“ oder „Ciao, Bella, Ciao.“



Dieses Projekt der „Willkommenskultur“ ist aus gemeinsamen Ideen von Mitarbeitern und Klienten des Psychosozialen Zentrums, Flüchtlingshelfern des Brücken-Cafés und engagierten Einzelpersonen entstanden. „Das ist im Fluss, wir sind noch am Ausprobieren“, meint Katja Kuss, die Mitarbeiterin des Rosengartens, „wir wissen auch nicht, wie sich das weiter entwickelt.“ Ihr ist wichtig, dass die Treffen gezielt geplant und im relativ kleinen Rahmen stattfinden: „So kann echte und authentische Begegnung entstehen. Wir tun nichts FÜR die unterschiedlichen Menschen, sondern wir machen etwas gemeinsam MIT ihnen: So werden sie zu Mit-Menschen!“ Der Rosengarten hat für dieses Projekt eine Unterstützung bei der Aktion Mensch beantragt.



Jetzt kenne ich die Gesichter und kann die Leute in der Stadt grüßen und mit ihnen quatschen“, freut sich ein Besucher zum Schluss. Ein anderer bedankt sich bei den Initiatoren: „Einige von den fremden Menschen sind jetzt für mich keine Fremden mehr. Der Abend hat mir viel von meiner eigene Unsicherheit genommen!“ Mehrere meinen auch, diese Idee könne doch von jedem Verein im Bergwinkel aufgegriffen werden.



HINTERGRUND

Das Psychosoziale Zentrum Rosengarten betreut Menschen in Krisen oder mit zeitweiliger bzw. chronischer psychischer Erkrankung. Das Brücken-Café unterstützt vorwiegend Geflüchtete, die noch keinen Rechtsanspruch auf Integrationskurse haben.



FOTO: Das kleine Mädchen ist die im Text erwähnte Arema © Hanswerner Kruse