Heiner Flassbeck stellt seine klarsichtige Analyse zur Aktualität der Eurogruppe vor, Teil II
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Warum Währungsunion? - Sie sollte stabile Währungsverhältnisse schaffen, Währungskrisen und Krisen der Politik vorbeugen, die Union bestärken – stärkeren auch gegen Kapitalinteressen, sollte Handelshemmnisse abbauen. Beiläufig gefragt: hat die Währungsunion Ostdeutschland wohlhabend gemacht?
Daran hängt vieles: die Inflationsrate
Frankreich hatte mit einer Inflationsrate von 10% die Wettbwerbsfähigkeit verloren, Deutschland stand bei 4%. Der Entschluss zu einer gemeinsamen Inflationspolitik war also angezeigt. Es gilt: viel Geld schafft viel Inflation. In der Union gibt es aber jetzt keine vernünftige Vorschrift mehr.
Preise werden aus einem extrem engen Verhältnis gemacht: aus Löhnen im Verhältnis zur Produktivität. Die Zahl der Urlaubstage ist nebensächlich. Löhne + 5% abzüglich Produktivitätssteigerung von 2%: = Stückkosten steigen um 3%, Preise steigen um 3%. Wir hätten weitermachen können mit mehr Löhnen und gesteigerter Produktivität, mit Inflation bei 2% über Produktionsfortschritt. Deutschland trat aber aus dieser Vereinbarung, die sachlich klug war, aus. Deutschland, das anderen vorwirft, Regeln nicht einzuhalten, hat selbst gegen die 2%-Regel gehandelt, obwohl sie der Billigkeit entsprochen hätte.
Gemeinsame Regeln macht der kategorische Imperativ der Vernunft
Alle Teilnehmer müssten sich 'an die eigenen Verhältnisse anpassen'; nicht über den Verhältnissen leben, aber auch nicht darunter. Das gebietet die faire Abmachung. Gegen diese hat Deutschland verstoßen. 'Die Löhne hätten in Deutschland steigen müssen. Es hat aber unfair Wettbewerb gemacht ab 1999'. Seitdem entwickelten sich die Preise von 100 auf 125, bei anderen; Deutschland blieb mit 110 zurück. Es hat massiv unter seinen Verhältnissen gelebt. Dämlich auch, dass der deutsche Michel, ob zum Mittelstand gehörend oder zum einfachen Facharbeitertum, das mitgemacht hat in untertäniger Ergriffenheit. Der schwäbische Hausmann ist das ergebene Sinnbild dieser Devotheit. Der Worker sagt sich: 'Hauptsache, ich behalte meinen Arbeitsplatz.' In Frankreich wäre das undenkbar. Bei der Post soll nun überhaupt keine Lohnerhöhung mehr sein. Tarife werden jetzt mit Aus- und Neugründungen unterlaufen. Das fügt sich in die Tradition von Otmar Issings Diktum: 'Nur über meine Leiche wird über Löhne geredet:'- Im Lohnkarussell abwärts hat langfristig auch mitgespielt, dass die Gewerkschaften in Zeiten der Propagandaparole von Globalisierung und internationalem Wettbewerb einen schlechten Stand bekamen, zumal ihnen das ausgerechnet zu dieser Zeit ausgerufene, west-östliche Projekt 'Gleicher-Lohn-für-gleiche-Arbeit' (offizielle Regierungssprache) zum Nachteil geriet: sie hatten als hierfür Zuständige die Losung durchzusetzen, wurden von da an in jeder Talkrunde angefeindet.
Die Lücke
Die entstandene Lücke ist in der Währungsunion nicht leicht wieder wegzubekommen. Dadurch aber wird die Union zerstört. Denn wer nicht noch weiter runter kann, fällt raus. Die Vorgaben des IWF konnten in früheren Zeiten durch Abwertung der Währung beantwortet und abgemildert werden. In der Währungsunion ist diese Möglichkeit abgeschnitten.
Wirtschaftlicher Aufstieg geht mit Wachstum parallel. Dieses wurde Griechenland immer mehr unmöglich gemacht, indem es eine interne Deflation oktroyiert bekam. So entsteht kein Primärüberschuß, um Kredite zu bedienen und wettbewerbsfähig zu werden. Es geht aber nicht nur um Griechenland. Griechenland ist nur das letzte Glied am untersten Ende. Auch in der übrigen Eurozone wird kaputtgespart, es wird nicht in Zukunft investiert, z.B. in Bildung, Infrastruktur und erneuerbare Energien - generell zu wenig in die ökologische Wende, die immer mehr verwässert wird. Die dunkle schwarze Null ist das Emblem, das am besten an den Rand des Highway 66 der Dreißiger Jahre Jahre passt.
Vom Ende der Union
Das Ende der Union ist absehbar, wenn nicht umgesteuert wird. Die griechischen Tätigen 'waren schon flexibel'. Eine abwegige Mär ist, dass die Arbeitslosigkeit sinkt, wenn die Löhne sinken (eine absurde These der neoklassischen Lehre). Der Arbeitsmarkt wird so gleichwie 'ein Kartoffelmarkt' betrachtet. Wenn die billiger werden, werden mehr Kartoffeln gekauft. Wie schlicht. Was ist mit der Konjunktur? Gleichwohl: 'Die Institutionen haben gemacht, nicht Schäuble', er ist weit weg von der Ahndung des eigentlichen Problems. Die andere Plattitüde lautet: der Staat senkt die Steuern, geht nicht mit Investitionen voran - dann aber investieren alle.- Es gilt: 'Durch Lohnsenkung erzeugt man Arbeitslosigkeit', '20% weniger Lohnkosten'bedeuten: 'Firmen machen zu'! Der neoklassische Arbeits- und Fiskalmarkt ist eine Glaubenslehre, der die Masse der Ökonomen stromlinienförmig huldigt.
Mit Griechenland ist es schiefgegangen mit 40-prozentiger Senkung der Löhne; 'wir lernen daraus: es können nicht alle eine Lücke erzeugen'. Deutschland hat durch Lohnabbau seine Wettbewerbsfähigkeit verbessert (obgleich die Produktivität nicht gestiegen war). Daraus folgte zugleich: 'der Binnenmarkt war tot'. Der Coup gelang, weil Arbeitslosigkeit exportiert wurde. Nur der Einzelfall funktioniert. 'Wenn es andere wie Deutschland machen, dann ist die Union in zwei Jahren kaputt'. 'Marie le Pen übernimmt dann'. Das Ganze ist in Gefahr, unterminiert sich selbst, durch Inkompetenz.
Deutschland ist also mit den übrigen Teilnehmern 'im Krieg'. Die andern können nichts machen, sie müssen noch unter Deutschland fallen. Andere importieren mehr als Deutschland, 'wir müssen ihnen die Kredite geben, um unsere Waren zu kaufen'. So funktioniert eine fehlgeleitete, dumm betriebene Marktwirtschaft. Immer ist zu bedenken: die Schulden kumulieren mit den Überschüssen.
Die Frage ist: wer sind die Gläubiger, wer sind die Schuldner, wer die Gewinner wer die Verlierer, wer sind die Täter, wer die Opfer; die gar nicht so schnell wissen konnten, wie ihnen geschieht.
Könnte jetzt klarer geworden sein, wie verfehlt und verhängnisvoll Merkels Losung war vom 'Wachstum ohne Schulden', wenn sie sich an Europa oder gar die Weltkreisökonomie richtete? Und wie fragwürdig auch die Schuldenbremse ist, mit der sich Staaten unintelligenterweise selbst anketten, obwohl sie von Fall zu Fall antizyklisch handeln müssen und zwar erheblich. Immerhin sind aber Nettoinvestitionen noch gestattet (das sind Investitionen, die sich in der Zukunft lohnen). Vielleicht wissen Politik und Wirtschaft einfach nicht, welche Welt sie wollen und erteilen nur deshalb Lehren, die das menschliche Geschlecht blockieren.
Wir lernen also, dass Sparen auch Schulden macht und Schulden exportiert werden.
Auch kleine Sparpläne werden zu Schulden, damit sie sich am Ende lohnen. Wir haben in Europa einen Wettkampf der Nationen. Doch, Achtung! Wirtschaftskrieg ist auch Krieg, der zum heißen führen kann.
'Das Dilemma ist, dass die Schwäbische Hausfrau nur von der schwäbischen Hausfrau gewählt werden will' (Heiner Flassbeck)
Die Eurogruppe hat maximal noch eine Frist von 3 Jahren, wenn sie sich nicht neu ausrichtet
Info:
Dr. Heiner Flassbeck, Vortrag am 17.07.2015, 60322 Frankfurt am Main, Leerbachstraße 18, Gemeindesaal der Katharinengemeinde
Literatur von Heiner Flassbeck:
Nur Deutschland kann den Euro retten, Der letzte Akt beginnt, Heiner Flassbeck, Costas Lapavitsas, Westend, 2015
Zehn Mythen der Krise, Heiner Flassbeck, edition suhrkamp digital, 2012
66 starke Thesen zum Euro, zur Wirtschaftspolitik und zum deutschen Wesen, Heiner Flassbeck, Westend, 2014
Gescheitert, Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert, Heiner Flassbeck, Westend, 2009