Serie: Über das Atomabkommen mit Iran und seine Folgen, Teil 3·

 

Matthias Küntzel

 

Hamburg (Weltexpresso) - Teheran, heißt es in dem jetzt verabschiedenen Abkommen, werde lediglich „vorläufig“ (provisionally) das Zusatzprotokoll anwenden“ und „mit dessen Ratifizierung innerhalb des im Anhang V dargelegten Zeitrahmens verfahren.“[15]

 

Doch lässt sich auch in Anhang V ein verbindlicher „Zeitrahmen“ nicht finden. Stattdessen wird hier die Hoffnung geäußert, dass der Iran im achten (!) Jahr nach Inkrafttreten des Abkommens das Zusatzprotokoll ratifiziert. Doch selbst dies will Teheran nicht garantieren: „Teheran wird sich [in 2023] darum bemühen, das Zusatzprotokoll zu ratifizieren“, heißt es in dem Abkommen.[16]

 

Hier muss man wirklich staunen: Die ganze Welt ist sich einig, dass gerade der Iran aufgrund seiner Tricksereien und Betrügereien das Zusatzprotokoll ratifizieren muss. Doch obwohl das Regime in diesem entscheidenden Punkt blockiert, stimmen die Weltmächte und Deutschland dem Atomdeal zu. Sie wollen die Iran-Sanktionen aufheben und ein Land mit bislang eingefrorenen Geldern in Höhe von 100 bis 150 Milliarden Dollar überschütten, das sich weiterhin weigert, die Kontrollauflagen des Atomwaffensperrvertrags zu erfüllen.

 

Eigentlich müsste jetzt die ganze Welt aufstehen und an die Wiener Verhandlungsführer diese eine Frage richten: Warum habt ihr das gemacht?

 

Die Regelung, auf die sich die 5+1-Mächte stattdessen einließen, stachelt zu weiteren Tricks und Betrügereien geradezu an. Was passiert gemäß dem Wiener Abkommen, falls die IAEA-Kontrolleure aufgrund von Hinweisen zu einem bis dato unbekannten iranischen Ort Zutritt erhalten wollen, weil sie befürchten, dass dort an der Bombe gearbeitet wird?

 

Zunächst legt das Abkommen fest, dass Inspekteure mit amerikanischer oder israelischer Staatsangehörigkeit von Inspektionen im Iran ausgeschlossen sind.[17]

 

Inspekteure anderer Nationen müssen erstes, sobald sie einen Verdacht haben, die Gründe hierfür darlegen und die iranischen Behörden um eine Klarstellung bitten. Damit ist das Regime vorgewarnt.

 

Sollte sie die iranische Klarstellung nicht befriedigen, „dürfen“ die IAEA-Kontrolleure in einem zweiten Schritt einen Zugang zu dem besagten Ort beantragen. Hierbei müssen sie dem Regime die Ursache für ihren Verdacht darlegen und alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen. Diese Bedingung wird die IAEA aber nur höchst selten erfüllen können, will sie mögliche Informanten nicht ans Messer liefern.

 

Doch selbst dann, wenn sie dieser Nötigung Folge leistet, kann der Iran weiter blocken. Denn im nächsten Schritt darf das Regime der IAEA einen alternativen Vorschlag zur Problemlösung unterbreiten, der die Vor-Ort-Inspektion angeblich überflüssig macht.

 

Falls die IAEA den Alternativvorschlag nicht akzeptiert, bleibt ihr ein Zugang auch weiterhin verwehrt. Denn jetzt erhält Teheran Gelegenheit, den Konflikt mit Hilfe einer „Joint Commission“ lösen. Diese setzt sich aus je einem Vertreter der 5 +1, sowie der EU sowie Irans zusammen und soll Konflikte bei der Umsetzung des Atomabkommens regulieren.

 

Falls auch dieser Versuch der Problemlösung scheitert, würde diese Kommission im Konsens oder mit einer Mehrheit von mindestens 5 Stimmen einen Weg empfehlen, um die Sorgen der IAEA zu lösen.[18]

 

Es ist ausgeschlossen, all diese Schritte in 24 Tagen zu absolvieren, wie es das Abkommen suggeriert. In der Praxis wird der Iran die Abläufe solange in die Länge ziehen, bis alle für die IAEA wichtigen Spuren beseitigt sind. Anstatt den Kontrolleuren einen Zugang nach 24 Stunden zu garantieren, hat das Atomabkommen die Behinderung der Inspektoren institutionalisiert.

 

Wir sehen, dass die Führung Irans von wirklicher Transparenz auch künftig nichts wissen will. Die Tatsache, dass sich die Weltmächte und Deutschland damit abfinden, ist ebenso unentschuldbar wie der Versuch, dieses Versagen zu vertuschen.

 

Denn die Folgen sind gravierend: Anstatt „ein Meilenstein für nukleare Nichtverbreitung“ zu sein, wie Außenminister Steinmeier behauptet,[19] hat dieses Abkommen einen verheerenden Präzedenzfall geschaffen und den Atomwaffensperrvertrag und sein Kontrollsystem desavouiert. Zweitens aber kann sich Teheran bei derart „scharfen“ Kontrollen schon vor Ablauf der 15 Jahre dazu entscheiden, die Bombe zu bauen.

 

So oder so, ob nach Ablauf oder während der 15 Jahre: Das Abkommen, das das iranische Atomwaffenprojekt zu stoppen vorgibt, bereitet ihm den Weg.

 

 

Anmerkungen:

 

[15] JCPOA, S. 9.

 

[16] „Iran will: Seek, consistent with the Constitutional roles of the President and Parliament, ratification of the the Additional Protocol.“; JCPOA, S. 158.

 

[17] JCPOA, S. 39f.

 

[18] JCPOA, S. 42f.

 

[19] Pressemitteilung des Auswärtigen Amts vom 14. Juli 2015.

 

 

 

INFO:

 

Matthias Küntzel schrieb der Redaktion im Begleitbrief seine Einschätzung der öffentlichen Resonanz des Abkommens in Deutschland (und Europa), die wir für so wichtig halten, daß wir sie als Abspann sozusagen mitveröffentlichen. Das auch deshalb, weil die Koinzidenz es will, daß heute in den deutschen Kinos TAXI von Jafar Panahi anläuft, ein Film, der auf der Berlinale 2015 den Goldenen Bären gewann, mit Recht übrigens. Der Film läuft also ab heute als TAXI TEHERAN und Sie sollten ihn sich ansehen, weil man erleben kann, wie ein mit Berufsverbot und eigentlich zum Gefängnis verurteilter Regisseur in einem Film mit den Waffen des hintergründigen Humors zurückschlägt. Er zeigt das Volk, nämlich das Volk, das sich Gedanken macht – und auch nicht. Aber sein Film ist eine vollendete conditio humana und ein Schlag in das Gesicht der Unterdrücker. Die übrigens sind nicht 'humaner' geworden. Das ist ausdrücklich festzuhalten. Gerade – so schrieb ein persischer Freund – wird eine junge Frau aus Teheran im Gefängnis festgehalten, ohne Prozeß, aber in Haft, weil sie auf einer der Kommunikationsseiten eine positive Resonanz angeklickt hatte, ein sogenanntes Like. Wir wollen darüber noch berichten.

 

Hier erst einmal der Begleitbrief von Matthias Küntzel. Die Redaktion

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

anders als in den USA, gehört hierzulande der Beifall für das Atomabkommen mit Iran zum guten Ton. Wer nicht mitmacht, droht ins gesellschaftliche Abseits zu geraten oder – schlimmer noch! – als Freund Netanjahus denunziert zu werden. Die hysterische Reaktion grüner Spitzenpolitiker auf den harmlosen Protest der „Grünen Jugend“ gegen den Besuch des Vize-Kanzlers in Teheran spricht in dieser Hinsicht Bände (siehe auf http://gruene-jugend.de/node/27248 ).

 

 

Meine knappe Analyse des Atomabkommens geht auf dessen weltpolitische Bedeutung noch nicht ein, zeigt aber anhand des Originaltextes, wie berechtigt die nicht nur in Israel geäußerte Kritik daran ist. Sie finden den Text hier:

 

http://www.matthiaskuentzel.de/contents/manchmal-ist-der-weg-zur-hoelle-mit-guten-vorsaetzen-gepflastert