Das Skandälchen des Verfassungsschutzes, das Generalbundesanwalt Range erst zum echten Skandal macht, Teil 4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Da ist die Redaktion von Weltexpresso natürlich froh, daß sie in der Einschätzung der „Landesverrats“-Angelegenheit“ richtig lag und durch die Bezeichnung von amtierendem Generalbundesanwalt und amtierenden Präsidenten des Verfassungsschutzes schon angedeutet hatte, daß sie deren Amtsausübung für abenteuerlich hält.
Wir sind aber nicht bei Karl May, sondern in der Bundesrepublik Deutschland. Da allerdings muß man jetzt befürchten, daß wir keine größeren Sorgen haben, als daß ein paar Online-Journalisten geheime Papiere nicht als vertraulich behandeln, sondern veröffentlichen. Wenn man weiß, daß es dabei um Internetüberwachung geht, sieht die Sache schon ganz anders aus, denn da haben sich durchaus Betroffene zu Wort gemeldet. Und wenn man weiß, daß dieselben Herren, die bisher kein Wort und keine Anzeige und keine Verfolgung der Anzeige zur unsäglichen Nichtverfolgung der amerikanischen Ausspähung des deutschen Staates durch die NSA unternahmen - das nämlich ist klassischer Landesverrat! -, sich nun mit Recht und Gesetz bewaffnet hatten, dann liegt genau in diesem Mißverhältnis der Skandal.
Was den Landesverrat angeht, denn wir bezweifelten, bezweifelt das nunmehr jeder. Und jeder schießt gegen jeden. Das wird auch klar. Wir können nur aus dem schöpfen, was veröffentlicht wird. Mit uns sprechen die Behörden und ihre Amtsleiter nicht persönlich. Wir können nur das Feld aufmischen und Personen und Handlungsvollzüge analysieren. Und da ergibt sich seit Sonntag, daß die Trias von drei Herren, eigentlich müßte man vier Herren sagen: nämlich die Spitzen von Verfassungsschutz, Generalbundesamt, Innenministerium und Justizministerium sehr uneinig sind – zudem jeder etwas anderes sagt. Rette sich, wer kann, so kommt einem das vor.
Wir wollen auch das ganze Hin und Her nicht im Detail nachverfolgen, nur die wichtigsten Sachverhalte und gegenseitige Widersprüche benennen. Eindeutig ist jetzt, daß die gesamten Verfahren, die der Generalbundesanwalt in der Sache Landesverrat angestrengt hatte, ausgesetzt sind, also nicht nur die Ermittlungen zu Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR, sondern auch die gegen netzpolitik.org. Die rechtliche Prüfung, die vorgenommen werden soll, bezieht sich also auf beide Ermittlungen, wobei man da sofort sagen kann, daß das Wörtchen 'Landesverrat' einfach das grundsätzlich falsche war, wenn man staatlicher Seite gegen die Veröffentlichung von vertraulichen Amtspapieren vorgehen will.
Im Einzelnen sind dann aber die Absatzbewegungen interessant, die die Herren unternehmen. Am deutlichsten wird dabei der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der einmal äußerte: „Um die weitere Arbeitsfähigkeit meines Hauses im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus sicherzustellen, war es notwendig gegen die Herausgabe von als vertraulich oder geheim eingestuften Dokumenten des FfV juristisch vorzugehen!“ Warum er über die Sonntagszeitung der BILD zur deutschen Bevölkerung spricht, macht uns mißtrauisch. Denen sagte er, daß seine Strafanzeige im Grundsatz mit führenden Beamten des Bundesinnenministeriums abgesprochen war, dem zuständigen Abteilungsleiter und der Staatssekretärin Emily Haber. Aber er habe die Strafanzeigen gegen UNBEKANNT gerichtet und damit alles andere der Justiz überlassen.
Man kann also hier von einem rüden Ausfall der Bündnispartner Verfassungsschutz und Innenministerium gegenüber den Justizstellen sprechen. Denn, so der Klartext, der Verfassungsschutz habe nur eine Anzeige gegen Unbekannt und Geheimnisverrat angebracht, der Generalbundesanwalt habe daraus dann nicht nur eine Ermittlung wegen Landesverrat angestellt, sondern auch konkrete Personen Markus Beckedahl und Andre Meister von netzpolitik.org damit belangt.
Der so bloßgestellte Generalbundesanwalt Harald Range reagierte am Sonntagabend mit einer Gegendarstellung: In der Anzeige des Verfassungsschutzes seien gleichwohl die inkriminierten Namen gestanden. Das hilft ihm in der Sache aber nicht weiter, denn er ist derjenige, der eine Anzeige zu einer offiziellen Ermittlung erhebt. Und deshalb ergeben sich nun die absonderlichsten Koalitionen im politischen Feld. Während die FDP, die einst Range ins Amt hievte – als nämlich die FDP-Ministerin den FDP-Mann dazu bestellen durfte – nun in Person von Lindner, gegenwärtiger FDP-Vorsitzender, von Posse spricht – hatte er unseren Artikel gelesen? und das Ganze verfolgen will, spricht Volker Beck, der innenpolitische Sprecher der Grünen, davon, daß der Verfassungsschutzpräsident alles richtig gemacht habe, aber: „Range muß erklären, wie er zum Tatvorwurf des Landesverrats statt Geheimnisverrats kam und warum er nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung und die gesetzgeberische Entscheidung beim Geheimnisverrat hinsichtlich der Straflosigkeit von Beihilfehandlungen durch Journalisten beachtet hat.“
Im Zuge der Profilierungen dieser Herren kam nun auch heraus, daß der zeitliche Ablauf bisher falsch dargestellt wurde. Denn die Anzeige des Verfassungsschutzes liegt schon länger zurück; die Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft sind schon am 13. Mai des Jahres eingeleitet worden, das sind immerhin zweieinhalb Monate. Range habe damals aber gleichzeitig verfügt, daß den Ermittlungen ein externes Gutachten vorgeschaltet werde, wozu am 19. Juni die Beauftragung kam, weshalb seit Mai die Ermittlungen nicht aufgenommen worden sind, keine Durchsuchungen stattfanden, etc.
Die zwangsläufig vorgenommene Falschinterpretation der Öffentlichkeit war zum einen durch den Brief des Generalbundesanwalts an netzpolitik.org entstanden, den die Netzpolitiker sofort veröffentlichten, und die Stellungnahme von Justizminister Heiko Maas, der am Freitag begrüßt hatte, daß die Ermittlungen ruhen. Das mußte jeder so verstehen, daß erst auf den Protest hin, das Verfahren angehalten wurde. Den selben Zweck hatten ja auch die Unterstützungsdemos vom Samstag in Berlin, wo rund tausend Menschen demonstrierten und anderen Städten, die ebenfalls Protest anmeldeten.
Range aber wird zwischen den Zeilen deutlich , wenn er in seiner Presseerklärung schreibt: daß er schon am 15. Mai die Anweisung gegeben habe, daß „mit Blick auf das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit keine Maßnahmen gegen die in den Strafanzeigen des BFV namentlich genannten Journalisten ergriffen werden.“ Wie Range das nun äußern kann, nachdem er in der Vorwoche genau diese Journalisten - ohne neuen Sachstand oder externe rechtliche Stellungnahme – angeschrieben und sie von den Ermittlungen informiert hat, kann nun allerdings wirklich keiner verstehen.
Es gibt also noch viel Klärungsbedarf im Durcheinander, das die verschiedenen Stellungnahmen der vier Herren hervorgerufen haben. Das aber ist dann eher für ein Sommerloch geeignet. Ob aber das Ganze nicht doch eine Inszenierung ist, um dem Justizminister Maas ans Bein zu pinkeln, oder ob dieser ein Doppelspiel spielt, wird zu klären sein. Auf jeden Fall gehen jetzt die Stellungnahmen von Politikern, ausgewiesenen oder einfachen Abgeordneten, nahezu stündlich ins Netz. Demnächst mehr von und aus diesem Theater.