Hintergrund zur Serie: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE, Teil 17 b
Hanswerner Kruse, Marion Klingelhöfer, Clas Röhl
Schlüchtern (Weltexpresso) – Die Autoren bringen mit verteilten Rollen auch Informationen zum jeweiligen Land, aus dem die Flüchtlinge kommen, wie hier Pakistan. Und immer wieder gibt es ebenfalls kurze Überblicke über die Praxis und auch die Gesetzeslage zu Flüchtlingen wie hier. Außerdem wird fotografiert. Die Redaktion
Erleichterungen bei Schnupperpraktika für Asylsuchende
Jamshaid ist Elektriker und hofft, zu gegebener Zeit eine Anstellung zu finden. Welche Möglichkeiten gibt es für Asylsuchende, in der Wartezeit in ihren jeweiligen Berufsfeldern Erfahrungen zu sammeln?
In den letzten Monaten hat sich einiges getan, soweit es Praktikum und Ausbildung für Asylsuchende und Geduldete betrifft. In der Vergangenheit hatte die Bundesagentur für Arbeit der Ausländerbehörde jede Zustimmung zu entgeltlosen Praktika verweigert. Nun hat der Main-Kinzig-Kreis von der Arbeitsagentur Hanau eine Globalzustimmung für Praktika zur betrieblichen Erprobung/Kenntnisvermittlung erhalten. Diese Form des Praktikums wird für bis zu vier Wochen von der Ausländerbehörde erlaubt. Damit könnten auch junge Asylbewerber und Geduldete als Praktikanten zur Kenntnisvermittlung einige Wochen in einem Betrieb schnuppern.
Darüber hinaus hat das hessische Innenministerium in einem Erlass bestimmt, dass Asylsuchende und Geduldete für eine Ausbildung eine Duldung erteilt und verlängert bekommen können, wenn das Ausbildungsziel mit dem gebotenen Nachdruck und Engagement verfolgt wird. Diese Regelung betrifft auch die sog. Einstiegsqualifizierung, die Betriebe anbieten können, um Grundlagen über die angestrebte Arbeit zu vermitteln und zu vertiefen. Mit der Erlaßregelung haben die Betriebe und Unternehmen nun eine bessere Planungssicherheit für den Fall, dass ein Praktikum in ein Ausbildungsverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis münden soll. Diese Entwicklung dient somit der Integration der Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt.
Informationen zu Pakistan
Pakistan ist ein Staat in Südasien, der 1947 aus den mehrheitlich muslimischen Teilen Britisch-Indiens entstand. Die Gebiete mit hinduistischer oder sonstiger Bevölkerungsmehrheit sowie der größte Teil des überwiegend muslimischen Kaschmir gingen im heutigen Indien auf. 1956 rief sich Pakistan zur ersten islamischen Republik der Welt aus. Der ehemalige Landesteil Ostpakistan ist seit 1971 als Bangladesch unabhängig. Die Bevölkerungsanzahl wird auf ca. 200 Mio. geschätzt. Über 95% der Einwohner Pakistans sind Muslime, wovon die Mehrheit Sunniten sind, die größte Glaubensrichtung im Islam. Allerdings teilt sich der sunnitische Islam in mehrere Richtungen auf.
Der islamischen Religionsgemeinschaft Ahmadiyya wurde in Pakistan 1974 offiziell der Status als Muslime aberkannt, seitdem werden sie verfolgt. Viele Mitglieder der Ahmadiyya-Muslimgemeinde sind inzwischen auch Bürger in unserer Region. Über diese Bewegung gäbe es außerhalb der Flüchtlingsgespräche durchaus Kritisches zu berichten, was wir tun wollen, aber nicht im Zusammenhang mit einzelnen Gläubigen, sondern generell.
Pakistan weist die für ein Entwicklungsland typischen sozialen Probleme auf, besonders stark ist die Landflucht. Geringe Einkommen und Unterbeschäftigung in der Landwirtschaft zwingen viele Dorfbewohner aus unterentwickelten ländlichen Gebieten zum Umzug in die Städte. In den Elendsvierteln an den Stadträndern herrscht Massenarbeitslosigkeit. Noch immer gravierend ist die Benachteiligung von Frauen. Zwangsehen sind in Pakistan übliche Praxis. Frauen und Mädchen sind häufig Opfer von häuslicher Gewalt, ohne dass der Staat Maßnahmen zur Bestrafung der Täter einleitet. Darüber hinaus findet Selbstjustiz statt, etwa in Form von „Ehrenmorden“ an Frauen.
Obwohl Fortschritte im Bildungssystem erzielt wurden, ist die Analphabetenrate Pakistans mit über 50 Prozent nach wie vor eine der höchsten Asiens. Neben den staatlichen Schulen stellen Tausende von Koranschulen eine wichtige Stütze des Bildungswesens dar. Sie bieten in der Regel auch Kindern aus armen Familien, denen der Besuch einer staatlichen Bildungseinrichtung nicht möglich wäre, eine kostenlose Grundbildung. Nicht selten leisten sie auch humanitäre Hilfe.
Seit seiner Unabhängigkeit ist Pakistan Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volks- und Glaubensgruppen und durch mangelnde politische Stabilität gekennzeichnet. Kurze demokratische Phasen wurden immer wieder von Militärputschen unterbrochen. Das pakistanische Rechtswesen beruht zwar größtenteils auf britisch-indischem Recht, umfasst aber seit den 1970er-Jahren auch viele Bestandteile des islamischen Rechts auf Grundlage der Scharia. Pakistan erlebt in den letzten Jahren einen Zuwachs an religiösem Extremismus im Land und an Koranschulen.