Mit der grotesken, vom Publikum heftig umjubelten Inszenierung begannen am Sonntag die 23. Steinauer Puppenspieltage
Hanswerner Kruse
Steinau bei Schlüchtern (Weltexpresso) - Quietschend, aufgedreht, heftig grimassierend rasen die beiden Comedy-Frauen Stella Jabben und Anne Swoboda durch den Saal und begrüßen ihre Gäste in einer unverständlichen Sprache. Bald erfährt man, sie radebrechen Finnisch, denn ihre melancholische Komödie beginnt in Finnland unter traurigen Bewohnern dieses Landes.
Die beiden, wie ausgestopft wirkenden Kunstfiguren berichten von der Geschichte eines Massenselbstmords:
Zufällig rettet der zum Suizid bereite Unternehmer Rellonen den Oberst Kemppainen, der sich gerade aufhängen will. Die Männer freunden sich an und beschließen, den Tausenden von Finnen, die sich alljährlich umbringen wollen, einen würdigen Tod zu ermöglichen. „Denkst Du an Selbstmord? Du bist nicht allein!“, verkünden sie. Mit dann von ihnen ausgewählten, den Freitod suchenden Lebensmüden knattern sie in einem knallroten Bus durch Skandinavien, um am Nordkap über eine Klippe zu springen. Doch natürlich entstehen im Bus und in den Saunen am Wegesrand zwischen den todessehnsüchtigen Reisenden leidenschaftliche Affären oder tiefe Liebesgeschichten, die das bisherige triste Leben wieder attraktiv machen...
Was hier etwas trocken, vielleicht auch verwirrend klingt, wird von den Miminnen und ihren Puppen als brillantes theatralisches Feuerwerk abgefackelt. Mit Vor- und Rückblenden, Rollenwechseln, ganz einfachen technischen Effekten, viel Musik und zahllosen unterschiedlichen Stimmen visualisieren sie das gleichnamige Buch des finnischen Erfolgsautors Arto Paasilinna. Mal sind die Akteurinnen Erzählerinnen, dann wieder werden sie als ihre eigenen Puppen lebendig.
Die Inszenierung hat sich von Paasilinnas Roman inspirieren lassen, illustriert ihn jedoch nicht, eine Kenntnis des Buches ist zum Verständnis des Stückes nicht nötig. Durch die traumartigen Wechsel der Zeiten, Perspektiven und Rollen entsteht eine ganz eigene, bildgewaltige Geschichte. Diese Bilder sprechen für sich und entführen die Zuschauer in ein surreales Traumspiel. Obwohl sich das Publikum mächtig vergnügt, provoziert das Stück kein schenkelklopfendes Ablachen. Die Darstellerinnen gehen, dem finnischen Schriftsteller folgend, zwar scheinbar geschmacklos mit den Themen Trauer, Depression und Selbsttötung um. Doch sie entlassen die Zuschauer mit dem Gefühl: „Das Leben ist schön!“
Am Tag der Deutschen Einheit war diese Aufführung ein großartiger Beginn der Puppenspieltage. Organisatorin Regina Wagner wies zu Beginn darauf hin, dass das Stück gut zum Feiertag passe, denn Schauspielerin Stella Jabben (West) entwickelte es gemeinsam mit ihrer Kollegin Anne Swoboda (Ost)
Info:
Das weitere Programm bis zum 14. Oktober 2015 unter www.steinau.de
Foto:
Hanswerner Kruse: Stella Jabben (vorne)