Das studio.NAXOS (Willy Praml) belebt die Plattform für junge Künstler*innen der Freien Szene ab morgen neu
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nach der erfolgreichen Pilotphase im letzten Jahr ist die feste Etablierung einer 'selbstverwalteten Plattform im Theater Willy Praml durch und für in Hessen ausgebildete Künstler*innen der Freien Szene' unter dem Schirm von Ziehvater und Mentor Praml so gut wie gesichert.
Das Programm reicht von Sprechtheater über Performances, Neue Musik bis hin zu Installationen und Diskussionsveranstaltungen, ist also mehrgestaltiger Natur.
In Anbetracht der neuerlich auf die Szene getretenen Novizen und Novizinnen eines alten Gewerbes ist es, von älteren Vorstellungen herkommend, immer noch interessant, zu fragen, ob denn das heutige Theater noch gesellschaftspolitisch relevant sei, ob es tatsächlich, wie jede Kunst, weiterhin als 'bewusstlose Geschichtsschreibung des akkumulierten Leidens der Menschheit' (nach Adorno) zu begreifen sei, ob es auch als utopischer Vorschein, mit 'Denken als Überschreiten' (E. Bloch), noch den Anspruch auf eine von unlegitimer Herrschaft befreite Welt habe oder sich vielleicht doch eher dem Zeitgeistigen anbequeme.
Wie dem auch sei, eine jede Generation hat ihr ganz eigenes Modell des Weltverstehens und einer Umsetzung desselben, an dem nicht zu rütteln ist. Dennoch sind - mythische Vorlagen vorausgesetzt - die Zeitläufe so ziemlich im Wesentlichen immer die nämlichen geblieben. Die Gegenwart scheint es zu erweisen!
Die Brandbreite bietet genug an Abwechslung. Eine Vorschau auf das am 16.10. Beginnende ist an dieser Stelle knapp zu halten, will aber doch etwas vom angekündigten Modell gegenwärtiger Ideen, die in der Theaterlandschaft kursieren, vermitteln. Reizvoll ist das Herangehen an das, was als 'Experiment Welt' bezeichnet werden darf.
Der diesjährige Durchgang
Der nunmehr zweite, also diesjährige Durchgang bietet erstens Arbeiten 'aus den unterschiedlichen Studiengängen im Bereich der Darstellenden Künste in Hessen,...deren Arbeiten bereits im professionellen Kontext realisiert und öffentlich gezeigt wurden'. Es finden sich Akteure, die schon im vergangenen Jahr auftraten, aber auch neue: David Rittershaus mit den besonderen Schaukeln, 'auf denen Besucher sich in Klanglandschaften schwingen können', sein Werk ist gleichzeitig seine Abschlußarbeit am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft Gießen'. 'Max Brück, Student der HfG Offenbach, inszeniert ein Konzert aus alten Fabrikhörnern und legt eine Trinkwasserquelle aus Gießen in die Naxoshalle'. Gleich drei Gruppen aus der Region sind mit ongoing project, Mouchacha und Skurski/Deller dabei.
Letztere schufen die Arbeit 'Wo stehst du, Kolleg*in ?' (13./14.11.2015 | 20 Uhr); wobei Eleonora Herder, Maria Isabel Hagen, Alla Poppersoni als Weitere beteiligt sind. Es geht um die Differenz, den Streit zwischen Agitationskunst und Freier Kunst. Ist die über den Klassen stehende Kunst nicht doch eine Illusion, bedeutet sie nicht eine Verkleisterung der Gegensätze? Das Stück hat eine Bezugnahme auf Jörg Immendorfs Gemälde 'An die Parteilosen' von 1973, aus seiner Zeit als 'Sozialistischer Kulturschaffender'.
Ein anderer Block entstammt dem Diskussionsformat 'blind date' (2. Runde): 'kunst macht widerstand' (22. und 29.11. 2015 |18 Uhr) der gruppe bupkis (Kuration) und steht dem Vernehmen nach in Beziehung zu szenischen Installationen und auch einem konzertanten Barabend der Neuen Musik mit: 'Neue Musik'; Mitwirkende: Tobias Hagedorn, Richard Millig u.a. (20.11.2015 | 20 Uhr). Die Kontrahenten des Aufeinandertreffens in 'blind date' aus Theorielandschaft und Kunst bleiben bis zum Abend geheim.
Die Programme vom 16.10. bis 29.11:
Eröffnung: Combina (16./ 17.10. | 20 Uhr
'In 2015 begehen Deutschland und Israel das 50-jährige Jubiläum der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen'. Der Dialog zwischen beiden Ländern und Kulturen ist noch immer überschattet, politische Interessen und Staatsräsons haben daran Anteil.
Der Tag
Der 26. November 2015 (26.11. | 19.45)
Der 28. November 2015 (28.11. | 19.45)
'Die Tagesschau wird live aufgeführt und konfrontiert mit dem Alltag eines Einzelnen im Frankfurter Bahnhofsviertel, dessen Tagesablauf zu den Weltereignissen in Beziehung gesetzt wird'.
Wenn ich was anderes machen würde, würde ich vielleicht nicht immer ans Geld denken
22.10. | 20 Uhr
24.10. | 19 Uhr
Das Ablenken, das ist nötig, 'das braucht der Mensch, und wenn er sich immer mit Substanz beschäftigen muss und mit dem wesentlichen, ich glaube, dann wird man depressiv'. 'Fehlt das tralala, bist du auf dich zurückgeworfen...'
Glaube
29./ 31.10. | 20 Uhr
'Was nach dem Sterben ist...' - ob es überhaupt noch ein Wo gibt? - ...'Ich glaube, dass ich im Tod ewig fallen werde'.
Standardmaßnahme | Begegnungen mit dem Apparat
5./ 7.11. 20 Uhr
'Der Apparat nimmt dich in Gewahrsam...'. 'Der Apparat braucht keine Zeugen..'. 'Hinter den Kulissen...ist der Standard gesetzt, führt jede Maßnahme zu einer weiteren Maßnahme'.
Strategien begrenzter Beunruhigung für ein weiterhin beruhigtes Leben
19./ 21.11. | 20 Uhr
'... diese Vereinnahmung der schulischen Lautsprecheranlage'...'besorgt über den Zustand der Welt'...'Wirkung des „Fuck you, fuck you“ auf meinen Enkel', „Was soll man da machen?“ 'Wer sich der Praxis des Vertrauens verweigert...'.
Lost on the highest peak
27.11. | 18 bis 22 Uhr · 28.11. | 16 bis 19 Uhr & 22 bis 24 Uhr · 29.11. | 15 bis 17.30 Uhr
'In den Klanglandschaften von David Rittershaus gerät die Natur in Bewegung, sie fließt, bröckelt, rauscht...was wir hören bleibt unsichtbar'. 'Schaukeln...auf die Klänge übertragen'. 'In gemeinsamer Bewegung öffnet sich der Raum für ein mythisches Fest...'
Fabrikhörner|Kein Trinkwasser
16.10. bis 30.11. Installation
'Thematik der Verortung'. Geschichte des Dorfgastwirts Helmut Volk und der Historie einer Quelle. 'Aus dem Berg ragt ein Rohr, dort plätschert kühles Wasser...'. 'Der Gastwirt Helmut wird alt. Bier trinkt er keines mehr'.
Die Ankündigungen zeugen bis zu einem gewissen Grad von Einfällen, die als menschliche Notwendigkeiten und Bedingtheiten erscheinen und Anlässe bieten, daraus eine Geschichte, eine Mär zu machen, eine Kontroverse in Gang zu setzen. Lassen wir uns überraschen von den Umsetzungen.
Unterstützer: eXperimente – eine Kulturinitiative der Aventis-Foundation, die Stiftung CITOYEN, das Hesische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die Hessische Theaterakademie und das Kulturamt Frankfurt/Main.
Info:
studioNAXOS, 60316 Frankfurt am Main, Waldschmidtstraße 19, Reservierung: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!