Serie: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE, Teil 20 b

 

Hanswerner Kruse, Marion Klingelhöfer, Clas Röhl  

 

Schlüchtern (Weltexpresso) - Wir haben uns angewöhnt, über die Länder aus denen unsere Flüchtlinge kommen, mehr zu schreiben, damit sowohl Gründe für die Flucht deutlicher werden, aber auch der kulturelle und geschichtliche Hintergrund klar wird. Bei machen Ländern muß man auch erst einmal aufklären, wo diese liegen. Die Redaktion

 

Somaliland?

 

Afnans Familie stammt aus der Republik Somaliland, ein praktisch unabhängiger, international jedoch kaum anerkannter Staat in Ostafrika. Das neue Land umfasst den Nordteil Somalias, das ehemalige Kolonialgebiet Britisch-Somaliland, in dem bis zu 3,5 Millionen Menschen wohnen.

 

Die Existenz Somalilands relativiert eine Gesamteinschätzung Somalias, die sich zumeist auf die schlimmen Zustände im Süden des Landes konzentriert. Im Juni 1960 wurde Britisch-Somaliland in die Unabhängigkeit entlassen,und vereinigte sich anschließend mit dem ehemaligen Italienisch-Somaliland im Süden zu Somalia mit Mogadischu als Hauptstadt.

 

Allerdings fühlten sich bald viele Bewohner im nördlichen Teil Somalias benachteiligt. Die nationale Integration bereitete Schwierigkeiten, da sich Nord- und Südsomalia in Entwicklungsstand, Bildungs- und Verwaltungsstrukturen unterschieden. Nach Ansicht vieler Nordsomalier unternahm der dominierende Süden wenig, um diese Unterschiede zu berücksichtigen und die Entwicklung des Nordens zu fördern.

 

Im Jahr 1991 erklärte er sich daher einseitig für unabhängig, als die somalische Regierung gestürzt worden war und der Bürgerkrieg in Somalia eskalierte. Seither hat Somaliland seine politische Stabilität weitgehend gewahrt und Schritte zur Demokratisierung unternommen. Der somalische Bürgerkrieg hält seither vor allem in Süd- und Zentralsomalia an.

 

 

Zwangsheirat im Islam

 

Die Vorstellung, der Islam erlaube die Zwangsheirat, ist eines der häufigsten Missverständnisse, die bezüglich des Islam aufkommen. Bei einer Lektüre des Korans ist zu sehen, dass der Islam die Zwangsverheiratung einer Tochter oder eines Sohnes strikt verbietet. Dennoch ist diese Art der Vermählung noch weit verbreitet. Sie ist wohl nicht auf die islamische Lehre zurückzuführen, sondern viel mehr auf die mangelnde Kenntnis der islamischen Lehre und ein Produkt der Tradition und Kultur.

 

In den meisten Fällen der Zwangsheirat unter Muslimen liegt eine Vereinbarung von Eltern vor, die meist miteinander verwandt oder geschäftlich und politisch verbunden sind. Eine Ablehnung durch die Kinder würde den gesamten Familienfrieden stören. Bei ausdrücklichem Protest seitens der Braut oder des Bräutigams wird aber zumeist psychischer Druck erzeugt, bisweilen liegen auch Androhung oder Anwendung von Gewalt vor.

 

Die Aussage des Zentralrats der Muslime in Deutschland aus dem Jahre 2009, beispielsweise, ist jedoch klar: „Wir sind eindeutig gegen die Zwangsehe. Der Prophet selbst hat eine solche Ehe annulliert. Wir meinen, durch Zwang kann man ein solches Verhältnis nicht begründen. Wenn die Traditionen dazu führen, so ist das nicht gutzuheißen.“ In fast allen muslimischen Ländern ist die Zwangsheirat - neben dem religiösen Verbot - auch staatlich verboten und stellt einen Straftatbestand dar.