Tierschutzjahr 2015: ein Rückblick der Albert Schweitzer Stiftung, Teil 2

 

Hans Weißhaar

 

Düsseldorf (Weltexpresso) – Die Redaktion von Weltexpresso will im kommenden Jahr mehr als bisher über den Tiermißbrauch in Deutschland und der Welt berichten. Die Redaktion hatte diesen Bericht diskutiert, fassungslos zum Teil, denn niemandem war das jährliche Abschlachten von 180 000 schwangeren Kühen bekannt gewesen. Das hat für uns Konsequenzen. Die Redaktion

 

Weitere Themen und Entwicklungen

 

Antibiotika: Ob das vom BMEL initiierte »Antibiotika-Monitoring« wirksam dabei helfen kann, den Einsatz von Antibiotika in den Ställen und letztlich auch die Ausbreitung von multiresistenten Keimen zu reduzieren, bleibt nach 2015 fraglich: Bereits nach der Veröffentlichung erster Zahlen im April wurde eine verfälschte Statistik aufgedeckt. Tausende Betriebe wurden mit eingerechnet, die keine Angaben zum Antibiotikaeinsatz gemacht hatten, aber dennoch in die Statistik mit aufgenommen wurden: als Betriebe ohne Antibiotikaeinsatz. Und auch die zweite Veröffentlichung von Zahlen im September deutet aufgrund der verdächtig geringen Werte bei Mastkälbern und -rindern darauf hin, dass noch immer sehr viele Betriebe ihre Zahlen nicht melden.

 

»Initiative Tierwohl«: Im Januar starteten Verbände und Unternehmen des Einzelhandels, der Fleisch- und der Landwirtschaft eine Initiative, mit der sie sich nach eigener Aussage »gemeinsam für eine tiergerechtere und nachhaltigere Fleischerzeugung« einsetzen wollen. Gelingen soll dies mit erhöhten, durch die Initiative finanzierten Tierhaltungsstandards. Bereits zur Mitte des Jahres wurde allerdings moniert, dass »das Bündnis […] unterfinanziert und zerstritten« sei. Zwar bestritt die Initiative diesen Vorwurf schnell, doch wurde im November erneut bestätigt, dass sie aufgrund der großen Nachfrage vor allem finanziell stark unter Druck steht. Wie genau und mit welchen weiteren Partnern die bisherige Finanzausstattung erheblich aufgestockt werden kann und soll, ist noch unklar. Da schon die bislang angesetzten Kriterien zur Erhöhung der Haltungsstandards allenfalls als erste Schritte gesehen werden können, bleibt abzuwarten, wie viel Potenzial zu bedeutend mehr Tierschutz für Millionen von Tieren letztlich tatsächlich in der Initiative steckt.

 

Klon-Tiere: Das EU-Parlament hat im September gegen das Klonen von landwirtschaftlich genutzten Tieren gestimmt. Diese Meldung erscheint umso erfreulicher, als dass im November der Bau einer Anlage in China bekannt wurde, in der Millionen von Rindern, Hunden und Pferden geklont werden sollen. Spätestens diese Meldung sollte dem EU-Ministerrat, der zusätzlich zum EU-Parlament über ein Klon-Verbot entscheiden muss, als Anlass dafür dienen, sich eindeutig gegen das Klonen zu positionieren.

 

Obergrenzen in der Tierhaltung: Ein vielversprechender Ansatz, um bessere Bedingungen für mehr Tier- und Umweltschutz zu schaffen, liegt darin, Gruppen- und Bestandsgrößen in der Tierhaltung deutlich zu reduzieren. Entsprechende Anträge, die vor allem auf die Reduzierung von Bestandsgrößen abzielten, wurden im November vom Bundestag abgelehnt. Nicht nur damit bleibt der persönliche Einsatz gegen den Bau weiterer Groß- und Megaställe, z. B. im Rahmen eine Bürgerinitiative oder Petitionsteilnahme, weiterhin unverzichtbar.

 

Verbandsklagerecht: Im Mai hat Baden-Württemberg ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen eingeführt. Damit ist in bereits sieben Bundesländern die Möglichkeit gegeben, gegen Tierhaltungsmissstände zu klagen und geltendes Tierschutzrecht durchzusetzen. Erste Verfahren, wie z. B. in Nordrhein-Westfalen, laufen bereits oder befinden sich in der Vorbereitung. Zu fordern bleibt aber auch weiterhin, das Verbandsklagerecht auch in den noch ausstehenden Bundesländern einzuführen und den Organisationen umfassende Klagerechte einzuräumen.

 

 

Fazit zum Tierschutzjahr 2015: Es bleibt noch viel zu tun

 

Zwar lieferte das Tierschutzjahr 2015 mit etwa den Entwicklungen beim Ausstieg aus dem Schnabelkürzen bei Legehennen und der Einführung des Verbandsklagerechts in Baden-Württemberg durchaus auch erfreuliche Sachverhalte, doch muss insgesamt festgehalten werden, dass im Tierschutz noch mehr als genug zu tun bleibt. Darüber darf auch nicht der Ende des Jahres veröffentlichte Tierschutzbericht 2015 der Bundesregierung hinwegtäuschen, der sich schöner liest als es die Realität widerspiegelt – denn bahnbrechende Entwicklungen waren in den vergangenen Jahren und auch speziell in 2015 rar gesät.

 

Signifikant ändern wird sich die Lage im Tierschutz solange nicht, wie etwa der aktuelle Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt an seiner oft zitierten Strategie der »freiwilligen Verpflichtungen für Tierhalter und Förderung innovativer Forschung« festhält. Viel eher gilt es, wissenschaftliche Empfehlungen, wie das einführend genannte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, ernstzunehmen und auch endlich markante Überarbeitungen etwa des Tierschutzgesetzes anzugehen. Kurz: Eine Politik, die nicht auf Zeit spielen und dem Verdacht entkommen will, durch Lobbyinteressen der Agrarindustrie allzu stark beeinflusst zu sein, sollte in der Gegenwart handeln und nicht auf Freiwilligkeit und noch nicht vorhandene Zukunftsinnovationen setzen. Dass sich dies aber im Bereich des Tierschutzes in absehbarer Zeit zu einem politischen Prinzip festsetzen wird, darf bezweifelt werden.

 

So wird es auch im Tierschutzjahr 2016 und darüber hinaus sehr darauf ankommen, dass sich Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen sowie auch einzelne Menschen taktisch und strategisch durchdacht für die Tiere einsetzen und den Wandel weiter vorantreiben.

 

Tierschutzjahr 2015: ein Jahresrückblick

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