Werner Renz und der Nimbus von Fritz Bauer, Teil 1
 

Kurt Nelhiebel

 

Bremen (Weltexpresso) - Der Leiter des Archivs und der Dokumentation des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt am Main, Werner Renz, hat im Laufe der Jahre eine Reihe von Aufsätzen über den Auschwitz-Prozess und dessen Initiator Fritz Bauer veröffentlicht, die nach seinen Worten auf „erwartbare Kritik“ gestoßen sind. Seit kurzem gibt es eine öffentliche Diskussion über den Umgang des Fritz-Bauer-Instituts mit seinem Namensgeber, oder besser gesagt über den Umgang von Werner Renz mit Fritz Bauer.

 

Inzwischen scheinen die Bäume des Hobbyhistorikers nicht länger in den Himmel zu wachsen. Seine jüngste Suada durfte er im Bulletin des Instituts anscheinend nicht veröffentlichen und musste um Notunterkunft beim ehemaligen BKA-Mitarbeiter Dieter Schenk nachsuchen. Auf dessen Website veröffentlichte er jetzt einen Aufguss seines Artikels „Geschichtsklitterung oder Fritz Bauer und die Hagiografie“, den er vor zwei Jahren dem ehemaligen hessischen Staatsminister und heutigem Vorsitzenden des hr-Verwaltungsrates, Armin Clauss, angedient hat, schon damals versehen mit dem Hinweis, es handle sich um seine persönliche Ansicht und nicht um die des Fritz-Bauer-Instituts.

 

Die Überschrift insinuiert, die Freunde Fritz Bauers hielten den hessischen Generalstaatsanwalt für einen Heiligen. Renz will sie damit lächerlich machen. In Wirklichkeit kaschiert er damit nur sein Missvergnügen über die Hochachtung, die der hessische Generalstaatsanwalt immer noch genießt. Dabei hat sich der Erbsenzähler vom Dienst so viel Mühe gegeben, den Nimbus von Fritz Bauer zu zerstören, wie ein kurzer Überblick über einige Aufsätze von Werner Renz beweist.

 

Betrachte man den Ausgang des Verfahrens und erörtere man Sinn und Zweck staatlichen Strafens in NS-Prozessen überhaupt, falle das Fazit nicht gerade positiv aus, schrieb Werner Renz 2005. Auf die Frage, ob es hinsichtlich der NS-Täter in der bundesrepublikanischen Gesellschaft überhaupt ein Strafbedürfnis gegeben habe und ob der Rechtsfriede gefährdet gewesen wäre, wenn die „Handlanger“ unbestraft geblieben wären, während die „so genannten Kriegsverbrecher“ längst vorzeitig begnadigt und entlassen gewesen seien, auf diese Frage könne es „nur ein klares Nein geben“. Fraglos seien die angeklagten Auschwitz-Täter allesamt Mitwirkende an der Massenvernichtung gewesen. Sie hätten „auf der letzten Stufe des vom deutschen Verbrecherstaat initiierten Vernichtungsgeschehens“ gestanden, „das andere an viel maßgeblicheren Stellen konzipiert, koordiniert, organisiert und exekutiert“ hätten. Die Gefahr eines Rückfalls in staatlich befohlenes kriminelles Verhalten habe bei den sich (inzwischen) untadelig verhaltenden wohlintegrierten und unauffälligen Staatsbürgern ebenso wenig bestanden, wie der Verdacht mangelnder Rechtstreue. 1

 

2009 behauptete Renz, für den Strafrechtsreformer Fritz Bauer sei es gewiss nicht akzeptabel gewesen, dass Auschwitz-Angeklagte mehr als fünf Jahre in Untersuchungshaft gesessen hätten. Ob der Auschwitz-Prozess, wie Bauer emphatisch erhofft habe, den Deutschen Lehren erteilte, sei strittig. Bauers aufklärerischer Impetus, sein aus Humanismus, aus seinem Menschenglauben geschöpfter volkspädagogischer Ansatz, hätten ihn dies leidenschaftlich hoffen lassen. Man sei freilich geneigt, „die Sache nüchterner zu betrachten“.2

 

2010 kritisierte Werner Renz unter der Überschrift „Mediale Missgriffe“ den mit dem Prädikat „Besonders wertvoll“ ausgezeichneten Fritz-Bauer-Film „Tod auf Raten“ von Ilona Ziok. Darin kämen Ausführungen von Protagonisten vor, die einer Überprüfung nicht stand hielten. Unter anderem stieß er sich an der Aussage eines Zeitzeugen, der ehemalige Nazijurist Eduard Dreher sei Drahtzieher einer „Amnestie durch die Hintertür“ zugunsten von NS-Verbrechern gewesen. Was der Film als unbestrittene Erkenntnis verkünde, sei eine mögliche Auffassung – nicht hat mehr. Nach Ansicht von Strafrechtlern und Rechtspolitikern habe es sich um ein „durchweg gutgeheißenes Reformvorhaben“ gehandelt.3 Fortsetzung folgt.

 

Kommentar: Inzwischen steht unwiderruflich fest – zementiert durch die unabhängige wissenschaftliche Rosenburgkommission, die die Nazi-Vergangenheit des Bundesjustizministeriums in der Nachkriegszeit aufarbeit, daß der Nazi Eduard Dreher der maßgebliche Drahtzieher für dieses Gesetz der NS-Amnestie war, beschützt vom Altnazi Hans Globke (Mitverfasser der Nürnberger Rassegesetze), der bis 1963 Chef des Bundeskanzleramtes unter Adenauer war. Die Altnazis in der jungen Bundesrepublik unter sich. Genau die Männer, die Fritz Bauer in Frankfurt vor Gericht bringen wollte, was ihm Karlsruhe untersagte und als Gerichtsort Bonn bestimmte, wo das Verfahren gegen Globke dann erwartungsgemäß niedergeschlagen wurde.

 

Und nun wird dieser Dreher von Werner Renz als Beleg gegen den Film „Fritz Bauer –

Tod auf Raten“ verwendet! Den Bock zum Gärtner gemacht. Wie lange läßt das Fritz Bauer Institut und sein Förderverein noch zu, daß derartige Geschichtsklitterung zu Lasten von Fritz Bauer getrieben wird.

 

Wir erinnern uns auch daran, daß Ferdinand von Schirach die unsägliche Rolle dieses von Werner Renz so verteidigten Drehers in seinem Roman DER FALL COLLINI zum Thema machte. Die Redaktion

 

vgl. Artikel zur Rolle des Nazi-Juristen Dreher im Bundesjustizministerium in Weltexpresso

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=3016:der-umgang-des-bundesjustizministeriums-mit-seiner-ns-vergangenheit&catid=80:heimspiel&Itemid=472

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=3017:die-rosenburg-symposien&catid=80:heimspiel&Itemid=472

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=3019:ob-dreher-drehte-gedreht-wurde&catid=80:heimspiel&Itemid=472

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=3018:ungesuehnte-nazijustiz&catid=80:heimspiel&Itemid=472

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=346:blankes-entsetzen&catid=78:buecher&Itemid=470

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=347:der-fall-eduard-dreher&catid=78:buecher&Itemid=470

 

 

 

 

 

Anmerkungen:

 

1 Täterexkulpation und Opfergedenken, Newsletter des Fritz-Bauer-Instituts Nr. 27 / 2005

 

2 (Un-)Begründete Selbstkritik, Überlegungen zu einer skeptischen Bilanz Fritz Bauers, Tribüne, Heft 190, 2.Quartal 2009

 

3 Mediale Missgriffe – Fritz Bauer im Dokumentarfilm, Einsicht 04 / 2010, Fritz-Bauer-Institut.