Werner Renz und der Nimbus von Fritz Bauer, Teil 2

 

Kurt Nelhiebel

 

Bremen (Weltexpresso) - 2011 schrieb Werner Renz, zwei Mythen verstellten den sachlichen und nüchternen Blick auf den Frankfurter Auschwitz-Prozess. Da sei zum einen der Mythos Fritz Bauer, die verklärende und überhöhende Darstellung der Rolle des hessischen Generalstaatsanwalts hinsichtlich der Konzeption des Auschwitz-Verfahren, und da sei zum anderen der Mythos der volkspädagogischen Aufklärung durch NS-Prozesse.

 

Bauer habe das Verfahren gegen den Willen der Frankfurter Staatsanwaltschaft nach Frankfurt geholt. Für deren Unwilligkeit hätten durchaus gute Gründe vorgelegen. Der Verbrechenskomplex Auschwitz habe sich bei der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg in guten staatsanwaltschaftlichen Händen befunden. Die wiederholt zu lesende Feststellung, ohne Bauer hätte es den Auschwitz-Prozess nicht gegeben, sei „demnach ins sachgerechte Licht zu rücken“.4

 

2012 erinnerte Renz daran, dass Fritz Bauer bereits vor dem Sieg über Nazideutschland volkspädagogische Überlegungen angestellt habe. Im „Stile eines Praeceptor Germaniae“ habe er dargelegt, dass das deutsche Volk eine Lektion in geltendem Völkerrecht brauche. Die Prozesse gegen Kriegsverbrecher müssten dem deutschen Volk die Augen öffnen für das, was geschehen sei. Doch so recht überzeugt von seinem „löblichen Vorhaben“ sei Bauer wohl nicht immer gewesen. Öffentlich habe er sich meist voller Hoffnung auf einen Wandel zu Wort gemeldet, insgeheim habe er die Situation viel pessimistischer betrachtet. „Bei sich selbst diagnostizierte er eine intellektuelle, um der Sache willen gleichwohl erkennenden Auges praktizierte ‚Schizophrenie’“ Bei aller moralischen und rechtlichen Notwendigkeit, die Verbrechen zu ahnden, dürfte Bauer im Falle der NS-Täter „nicht frei von Gewissenszweifeln gewesen sein“.5

 

2014 schrieb Werner Renz, gemeinhin würden Fritz Bauer und der Frankfurter Auschwitz-Prozess in einem Atemzug genannt. Die ‚Strafsache gegen Mulka u. a.’ vor dem Frankfurter Landgericht habe jedoch ohne Bauer stattgefunden. Fotos vom Eröffnungstag zeigten Bauer unter dem Publikum. „Offenbar wartete er darauf,. . . dass der Strafprozess, der den Deutschen, so Bauers patriotische Hoffnung, eine ‚Lehre’, eine ‚Lektion’ werden solle, endlich beginnen könne.“ In der Hauptverhandlung komme Bauer nicht vor, in der Vorgeschichte des Verfahrens habe er aber eine wichtige Rolle gespielt.6

 

Im Jahr davor hatte der Leiter der Dokumentation des Fritz-Bauer-Instituts, das sich nach eigenem Bekunden dem geistigen und politischen Erbe Fritz Bauers verpflichtet fühlt, das Vorwort zur Neuauflage eines Buches über den Auschwitz-Prozess verfasst, in dem er den 1968 auf ungeklärte Weise verstorbenen Initiator des Verfahrens völlig totschweigt. Für erwähnenswert hält er hingegen, dass der letzte Angeklagte im Auschwitz-Prozess 2012 verstorben ist.7

 

In einem Rückblick auf den Auschwitz-Prozess hält Werner Renz 2015 dem Initiator des Verfahrens eine „außerrechtliche Zwecksetzung“ vor. Er habe mit dem Prozess „volkspädagogische Absichten“ verfolgt, die mit Blick auf den Adressaten, das westdeutsche Volk, „illusionär“ gewesen sein. Das Rechtsgefühl vieler sei durch die unaufgeklärt gebliebenen NS-Verbrechen keineswegs verletzt gewesen. Nach den Worten von Renz wollten und konnten die Prozessbeteiligten kein Strafrechtstheater inszenieren. Damit machte er sich den von Gerd Roelleke in der FAZ erhobenen Vorwurf zu Eigen, der hessische Generalstaatsanwalt habe „Volksaufklärung durch Strafrechtstheater“ betreiben wollen.8

 

Kommentar: 

Wir wiederholen uns. Wie lange schaut das Institut und sein Förderverein hier noch zu – und eben auch, daß dieser Werner Renz die Filme, die seit dem Ilona Ziok Film nun als Spielfilme Fritz Bauer unters Volk bringen, zur Person Fritz Bauers berät. So sehen sie auch aus, die Filme. Die Redaktion

 

 

Anmerkungen

 

4 Der 1. Frankfurter Prozess 1963-1965 und die deutsche Öffentlichkeit. Anmerkungen zur Entmythologisierung eines NSG-Verfahrens,, in: NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit, Hg. Jörg Osterloh und Clemens Vollnhals, Vandenhoek & Ruprecht, 2011.

 

5 Fritz Bauer zum Zweck der NS-Prozesse. Eine Rekonstruktion, Einsicht 07/2012, (Publikationsorgan des Fritz-Bauer-Instituts)

 

6 Fritz Bauer und der Frankfurter Auschwitz-Prozess, in: Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. Campus Verlag, 2014.

 

7 Vorwort aus: Bernd Naumann, Der Auschwitz-Prozess, CEP Europäische Verlagsanstalt, 2013.

 

8 Werner Renz, Der Frankfurter Auschwitz-Prozess: „Rechtsstaatliches Verfahren“ oder „Strafrechtstheater“? – Kann mithilfe der Strafjustiz politische Aufklärung geleistet werden?, in: NS-Justiz in Hessen, Hrsg. Wolfgang Form, Theo Schiller, Lothar Seitz, Marburg 2015, S. 439-451.