Was die Albert Schweitzer Stiftung dazu meint, Teil 2

 

Anna von Stillmark

 

Wien (Weltexpresso) – Manche Themen veralten nicht nur nicht, manche Themen bleiben frisch, wie es die Fragen um die richtige Ernährung sind, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausfallen – auch ausfallen dürfen, hauptsächlich, man macht sich Gedanken darum und trifft seine eigenen Entscheidungen.

 

Sich vegan zu ernähren oder vegan zu leben ist nun eine Entscheidung, die immer mehr Menschen für sich treffen. Allein in Deutschland leben je nach Schätzung 600.000 bis 1,2 Mio. Veganerinnen und Veganer. Warum das so ist und was evtl. dagegen spricht, beleuchten wir in diesem Artikel. Doch zunächst eine Begriffsbestimmung und die Ankündigung, daß zum Thema bald noch weitere Artikel erscheinen.

 

 

Vegan – die Definition

 

Wer sich vegan ernährt, nimmt keine Produkte zu sich, die vom Tier stammen. Neben Fleisch und Fisch, die auch in der vegetarischen Ernährung nicht vorkommen, beinhaltet das auch Milch und Eier sowie alle anderen Produkte und Zutaten, die aus oder von Tieren gewonnen werden. Insekten werden meist mit eingeschlossen, sodass Veganer auch keinen Honig oder (E-)Stoffe, die z. B. aus Läusen gewonnen werden, konsumieren.

 

Vegan zu leben bedeutet, diese Prinzipien so weit es geht auch auf andere Lebensbereiche wie Kleidung, Kosmetik und Alltagsgegenstände auszuweiten. Wer vegan lebt, greift auf Kunstleder oder Mikrofaserprodukte statt auf Leder zurück, meidet Tierwolle und wählt Kosmetika ohne Tierprodukte und ohne Tierversuche.

 

 

Warum vegan? Die Gründe

 

Der häufigste Weg zum Veganismus führt über die ethisch motivierte vegetarische Ernährung: VegetarierInnen essen kein Fleisch und keinen Fisch, weil sie nicht für das Töten/Schlachten von Tieren mitverantwortlich sein möchten. Wenn diese Menschen erfahren, dass auch die Produktion von Milch und Eiern unabhängig von der Haltungsform nicht ohne das Töten von Tieren auskommt, entscheiden sie sich häufig für die vegane Ernährung.

 

Zur Erläuterung: Milchkühe werden geschlachtet, sobald ihre »Milchleistung« nachlässt (meist nach wenigen Jahren). Zudem werden die Kühe künstlich geschwängert, damit sie Milch geben. Ihre männlichen Nachkommen finden in fast allen Fällen einen sehr frühen Tod (»Kalbsfleisch«), während die weiblichen Nachkommen häufig selbst Milchkühe werden (mit demselben Schicksal ihrer Mutter). Eier werden u. a. gemieden, weil bei der Züchtung von Legehennen zu 50 % männliche Küken entstehen, die direkt nach dem Schlüpfen aussortiert und lebendig in einen Schredder geworfen oder vergast werden.

 

Neben der Tötungsfrage spielt bei diesen Überlegungen auch die Tatsache eine wichtige Rolle, dass den »Nutztieren« während der Haltung, des Transports und der Schlachtung viel Leid widerfährt. Das gilt sogar für Biotierprodukte, denn deren Tierschutzstandards stehen meist im Widerspruch zum guten Ruf, den diese Produkte (noch?) haben.

 

 

Weitere Gründe

 

Es gibt viele weitere Gründe, die dafür sprechen, sich vegan zu ernähren. Da diese für die meisten Veganerinnen und Veganer zwar eine wichtige Rolle spielen, aber i. d. R. nicht die Hauptantriebsfeder sind, seien diese aus Platzgründen hier nur kurz genannt.

 

Die vegane Ernährung leistet einen wichtigen Beitrag zur Lösung von Umweltproblemen – seien es die Folgen der Überdüngung oder die Emission von Treibhausgasen. Auch die Ernährungsgerechtigkeit spielt eine Rolle, denn die Tierhaltung geht in aller Regel mit einer großen Verschwendung von Kalorien, Proteinen und anderen Nährstoffen einher. Das liegt daran, dass die Tiere den größten Teil der ihnen zugeführten Nährstoffe verbrauchen, um ihre Skelette aufzubauen, sich zu bewegen und ihre Körperfunktionen aufrecht zu erhalten. All das produziert keine Lebensmittel. Und schließlich gibt es gesundheitliche Aspekte: Die vegane Ernährung kann helfen, vielen Volkskrankheiten vorzubeugen und sie sogar zu heilen. Zudem ist sie ein Beitrag, den Problemen des Antibiotikamissbrauchs in der Tierhaltung und der Entstehung von Resistenzen entgegenzuwirken.

 

 

Die Gegenargumente

 

Meistens wird die vegane Ernährung und Lebensweise unsachlich kritisiert, aber es gibt auch einige Gegenargumente, die ernsthaft hervorgebracht werden.

 

Aus ethischer Sicht wird argumentiert, dass auch Pflanzen Lebewesen sind. Manchmal wird zumindest auch die Möglichkeit genannt, dass Pflanzen Schmerzen empfinden könnten (ernstzunehmende Belege dafür sind uns nicht bekannt). Während wir es begrüßen, dass auch Pflanzen in ethische Überlegungen einbezogen werden, sei angemerkt, dass Tiere offensichtlich zu weitaus stärkeren Leiden fähig sind als Pflanzen. Und selbst wenn Pflanzen stärker leiden würden als Tiere, wäre das sogar ein weiteres Argument für die vegane Ernährung, denn wer Tierprodukte isst, konsumiert (wie oben erläutert) indirekt mehr Pflanzen als jemand, der sich vegan ernährt.

 

Aus ökologischer Sicht und aus Aspekten der Ernährungsgerechtigkeit wird angeführt, dass einige Tiere (z. B. Kühe und Kaninchen) Gras in Fleisch umwandeln können, wodurch für den Menschen nicht verwertbares Pflanzenmaterial in konsumierbare Produkte wie Milch und Fleisch umgewandelt wird. Das ist zwar richtig, aber es werden mehrere andere Aspekte ignoriert: Neben der Tötungsfrage wird auch ausgeklammert, dass sich durch Weidetiere nur kleine Mengen Fleisch und Milch produzieren lassen. Da aber der weltweite Konsum dieser Produkte derzeit ein Vielfaches dessen beträgt, was durch Weidetiere produziert werden kann, ist es der beste Beitrag eines jeden Einzelnen, diese Produkte zumindest so lange nicht zu konsumieren, bis der weltweite Konsum auf das entsprechende Niveau abgefallen ist. Ansonsten fördert man direkt oder indirekt intensivere Tierhaltungsformen, bei denen für den Menschen verwertbare Lebensmittel verschwendet werden.

 

Aus gesundheitlicher Sicht wird argumentiert, dass eine »natürliche« Ernährung tierische Produkte enthalten müsse. Dazu ist zu sagen, dass unsere Ernährung und auch unser sonstiges Leben inzwischen völlig unnatürlich ist – unabhängig davon, ob man tierische Produkte konsumiert oder nicht. Die Frage nach der Natürlichkeit ist also die falsche Frage. Die richtige Frage ist, ob die rein pflanzliche Ernährung gesund sein kann. Dies ist eindeutig zu bejahen, wie die oben verlinkten Artikel zu den gesundheitlichen Aspekten der veganen Ernährung zeigen.

 

Und schließlich wird oft angeführt, dass das Töten Teil der Natur sei. Dazu ist zu sagen, dass der Mensch selbstverständlich auch Teil der Natur ist bzw. es einmal war. Aber ein Hauptmerkmal, das den Menschen von anderen Tieren unterscheidet, ist seine tiefgreifende Fähigkeit der ethischen Reflektion und Abwägung. Während ein Löwe keine Wahl hat, außer zu töten, haben wir praktisch immer diese Wahl (vorausgesetzt es herrscht keine gravierende Lebensmittelknappheit). Wir müssen Tieren weder Leid noch den Tod zumuten, damit wir etwas zu essen haben. Deshalb können wir die ethische Entscheidung treffen, durch unseren Konsum das Mästen und Schlachten von Tieren nicht mehr zu unterstützen.

Vegan – der Weg

 

Den wenigsten Menschen gelingt die Umstellung auf eine vegane Ernährungs- oder Lebensweise von heute auf morgen. Umfragen und Studien zeigen sogar, dass plötzliche Umstellungen von (Ernährungs-) Gewohnheiten oft nur von kurzer Dauer sind. Daher plädieren wird dafür, sich im eigenen Tempo auf den Weg zu machen.

 

 

Foto: Warum vegan © Sarmis – Fotolia

 

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