Studie: Selbstbild und Selbstwert von Jugendlichen

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Was machen diese Jugendlichen da auf dem freien Platz, so lautete es einst, aber auch heute wird noch so gedacht. Angezeigt ist damit, dass Jugendliche so ihre ganz eigene, abgeschirmte Welt haben, mit der sie sich von der Erwachsenenwelt abgrenzen.

 

Sie fangen irgendwann an, ihr eigenes Ding zu machen, sich eine eigene Welt zu konstruieren und veräußerlichen dies. Zum Thema 'Jugend ungeschminkt' wurde eine Studie von rheingold salon vorgestellt: 'Selbstbild und Selbstwert von Jugendlichen'.

 

 

Jugendliche Erfahrungswelten unterliegen dem Wandel

 

Das jugendliche Leben ist nicht einfach, aber welches wäre es schon in all seiner

Konsequenz, da doch die Welt ein schwieriger Entwicklungs- und Erfahrungsraum ist. Jugend sieht sich mit jeweils eigenen Herausforderungen konfrontiert, daran formt sich ihr Lebensmodell.

 

Die Präsentation des Themas hob an mit der Erkenntnis, dass die Grunderfahrung der Jugend heute an Unsicherheiten und Unwägbarkeiten geknüpft ist, sie sieht sich einer Welt von Krisen gegenüber. So empfindet sie das selbst. Hinzu kommen Nöte und Gefühlsschwankungen, die auch einen Kontrollverlust bedeuten - der zu beheben wäre.

 

Die Studie beruht auf 'Gruppendiskussionen und Einzel-Tiefeninterviews' (Köln, Hamburg, Dresden, München). Sie wurde mit 38 Jungen und jungen Frauen im Alter von 14-21 Jahren durchgeführt. 'Für die repräsentative quantitative Befragung wurden anschließend mehr als 1000 Personen in einem Online-Panel befragt. Insgesamt nahmen 511 Mädchen und 501 Jungen im Alter von 14 bis 21 Jahren teil'. Am bedeutsamsten erschien am Mittag der Eröffnung der Studie auch die Tatsache, dass für 52 Prozent der Jugendlichen Freundschaften wichtiger sind als Partnerschaften. Damit verbindet sich eine bewertende Einschätzung und Festlegung ('Freunde bleiben fürs Leben').

 

 

Gegen Unsicherheit und Kontrollverlust

 

Gegen die gefühlte und erkannte Ungesichertheit und Relativität drinnen/draußen richtet sich, dass die Bedeutsamkeit der gegenwärtigen Familie (83 %) wie auch der künftigen eigenen (80%) schon zur Gegenstrategie des jugendlichen Lebensentwurfs gehören.

 

Private und öffentliche Verhältnisse erscheinen Jugendlichen als 'instabil, unplanbar und unsicher'. Sie bilden also nicht mehr so sehr eine Jugend, die ihren Blick in eine gesicherte Zukunft richtet, sondern eine Jugend der Risikogesellschaft und der Welt der Unsicherheiten, die da im Großraum Welt warten. Das deutet auf eine globale Dimension hin. Die dagegen behütet Aufgewachsenen wollen einfach 'nicht zu stoppen' sein, sie neigen zu Größen- und Allmachtsphantasien, aber doch immerhin 'zwischen Sozialhilfe und Nobelpreis'. Die Körperpflege vermittelt allen eine Sicherheit und einen Halt.

 

Die Präsentation legte dar, dass Körperpflege, Behandlung der Oberfläche - und diese verändern - ein Sicherheitsgefühl und einen Halt im Leben vermitteln. Es wurde klar, dass Jugendliche, die sich dem verweigern (in Dingen Körperbehaarung, Problemzonen und Schwitzen durch Pheromone), zum Objekt von Ekel und von Mobbing werden können. Die Schönheitspflege liefert – sehr jugendlich empfunden – ein Sicherheitsgefühl, die Sehnsucht danach ist ausgeprägt ('Hab´ mein Leben im Griff'). Verhältnisse, die brüchig sind, können gekittet werden. Unter anderem handelt es dabei um die Patchworkfamilie.

 

Die Arbeit am Äußeren, an der Oberfläche wird hochgeschätzt. Das schließt ein, dass die Bewertung anderer sich ebenso sehr vom Äußeren ableitet. 51 Prozent bewegen sich regelmäßig in Blogs, Tutorials, wie auch in Apps und 24/7-online auf der beständigen Suche nach wertvollen Tipps. Die Jugendlichen haben allerdings eine realistische Werbeeinschätzung (Nachbearbeitung wird registriert).

 

Das Deo (83%) ist nach Zahnpasta das häufigste der alltäglich gebrauchten Mittel. Danach folgen Duschprodukte und Haarshampoo. 59% der jungen Frauen 'benutzen täglich/mehrmals täglich Mascara, 35 % tun dies mit Concealer, 32% mit Make-up'.

 

 

Jungs und junge Frauen

 

Junge Leute investieren 'viel und vor allem mehr als früher in die Oberfläche'. Ästhetisierung ist 'Grundprinzip ihres Lebens', 'genauso wie die Verdrängung von Unkontrollierbarem, Fiesem und Peinlichem'. Es herrscht ein 'viel größerer Aufwand/'Bohei um Äußerlichkeiten' und ein Hang zum Perfektionismus ist Regel.

 

Jungs streben nach Strähnenpflege (gestylte Harre), zum dynamisch Männlichen und Stromlinienförmigen. Das Tatoo gilt mittlerweile als etwas Sicheres, es ist kein Signal mehr für Rebellion. Grundsätzlich ist die Ichbezogenheit im heutigen Jugendverhalten ausgeprägt. Für Jungs ist der Lebenssinn etwas, worum ihr Sinnen kreist, junge Frauen zieht es mittlerweile weniger hin zu weiblicher Emotionalität.

 

 

Körper und Peinlichkeit gehören zusammen

 

Einem soziologischen Blick fällt auf, dass anhand der Studie die Erfahrung der Sexualität mit einem Gefühl des irgendwie Peinlichen, das nach Verdrängung verlangt, verbunden ist. Die Sexualität ist nämlich wesentlich ein Teil der gegenwärtigen 'Unkontrollierbarkeit'. Die Oberflächenbearbeitung, so menschlich verständlich sie immer war und ist, dient auch der Ablenkung vom Geschlechtlichen. Wäre das so etwas wie ein Ansatz zur einer bedingten Transsexualität? Die Modernen sind aufgeschlossen, aber gerade in dem, was sie am allgemeinsten verbindet, neigen Jugendliche - wie auch Erwachsene - zum Verdrängen. Wichtigste Produkte in diesem Problemfeld: Mascara und Concealer.

 

Doch hinter dem Mobbingphänomen 'gibt es eine brisantere „Story“ - so soll das Deo die aufkommende Sexualität überdecken'.- Die Studie konstatiert eine 'Vermeidung der Sexualität' – 'Keiner der Befragten sprach von sich aus das Thema Sexualität an', obwohl sie die Pubertät wesentlich mitbestimmt.

 

Woher kommt aber dieses Problematischwerden der Sexualität? Immer dann, wenn der Zivilisationsprozeß in eine neue Runde geht, gerät die Sexualität unter Druck, auch wenn sie im Gegenzug Überhöhung erfährt. Sie liegt quer zum Arbeitsprozess, zieht die Triebenergien ab und untergräbt das Funktionieren. Je strikter die Arbeit angelegt, desto ominöser die Sexualität. Die 'Dialektik der Aufklärung' von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno (1944/1969) gibt Hinweise. Einer besagt, dass der Kulturprozess 'bis in die Triebregungen hinein dem von der Kulturindustrie präsentierten Modell entspricht'.

'Die intimsten Reaktionen der Menschen sind ihnen selbst gegenüber so vollkommen verdinglicht, dass die Idee des ihnen Eigentümlichen nur in äußerster Abstraktheit noch fortbesteht: personality bedeutet ihnen kaum mehr als etwas anderes als blendend weiße Zähne und Freiheit von Achselschweiß und Emotionen'. Da scheint doch noch was dran zu sein.

 

Info:

'Jugend ungeschminkt – Selbstbild und Selbstwert von Jugendlichen'/'Gutes Aussehen gegen den Kontrollverlust', Studie durch rheingold salon, erstellt im Auftrag des IKW, Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel e.V., 17. Februar 2016, Präsentation von Ines Imdahl.