Zum heutigen zeitlichen Zusammentreffen von Weihnachten und Chanukka

Erich Mühsam
 
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Dies Gedicht ist wirklich passend zum heutigen Tag, wo Weihnachten und der Beginn des jüdischen Lichterfestes, Chanukka, zusammenfallen. Während der 24. Dezember terminlich gesetzt ist, richtet sich Chanukka  als Anlaß des Aufstands der Makabäer und der Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels 165 v. Chr. nach dem Mondkalender. Wir ehren aber auch den von den Nazis ermordeten Anarchisten und Pazifisten Erich Mühsam. Die Redaktion
 
 

      Heilige Nacht

Geboren ward zu Bethlehem

ein Kindlein aus dem Stamme Sem.

Und ist es auch schon lange her,

seit's in der Krippe lag,

so freun sich doch die Menschen sehr

bis auf den heutigen Tag.

Minister und Agrarier

Bourgeois und Proletarier,

es feiert jeder Arier

zu gleicher Zeit und überall

die Christgeburt im Rindviehstall.

(Das Volk allein, dem es geschah,

das feiert lieber Chanukka.)
 


Erich Mühsam
wurde am 6. April 1878 in Berlin geboren und am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg von der dortigen SS-Wachmannschaft ermordet. Er war im Februar 1933 noch in der Nacht des Reichtagsbrands, mit dem er natürlich überhaupt nichts zu tun hatte, festgenommen und nach Oranienburg deportiert worden.
Er war das Kind jüdischer Eltern, das wie andere von den Nationalsozialisten zum Juden gemacht wurde. Er selbst war sein ganzes Leben lang ein kritischer, nachfragender, opponierender Mensch. Schon in der Schulzeit wurde er am 11. Januar 1896 wegen 'sozialdemokratischer Umstriebe' der Schule verwiesen. Er hatte schulinterne Vorgänge an den Lübecker Volksboten weitergegeben.
Bekannt wurde der Schriftsteller, Anarchist und Pazifist durch seine Beteiligung an der Novemberrevolution Ende 1918 in München, als er Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats wurde und die Absetzung des Königs und die Ausrufung des Freistaates Bayern als demokratische Republik einer bayerischen Räterepublik forderte.
 
Nachdem der am 8. November 1918 gewählte sozialistische Revolutionär und Politiker Kurt Eisner, bis 1917 Sozialdemokrat,  von Rechtsradikalen ermordet worden war, übernahm Mühsam zusmmen mit Ernst Toller und Gustav Landauer - auch kurz darauf ermordet - die Initiative zur Errichtung der Münchner Räterepublik ab 7. April 1919. Noch im April wurde er festgenommen und ins Zuchthaus geworfen, wo er 15 Jahre Haft erhielt, diese aber später im Zuge einer Amnestie verkürzt wurde. Erich Mühsam war und blieb eine den Nationalsozialisten verhaßte Figur, weil sein kritischer Geist in allem das Gegenteil dieser obrigkeitssüchtigen antidemokratischen Bewegung blieb. Wir ehren sein Andenken. Die Redaktion
 
Chanukka
Wir kennen Chanukka vor allem durch die Feiern in den jüdichen Gemeinden und den neunarmigen Leuchter - im Gegensatz zur siebenarmigen Menora -, dessen interessante Geschichte ein andermal kommt. Auf jeden Fall wird täglich ein Licht mehr angezündet, während die neunte Kerze von Anfang an brennt, der sogenannte Diener. Diese sukzessive Vorbereitung auf das eigentliche Ereignis wiederholt sich im vierwöchigen Adventslichterkranz der Christen. Dazu ist allerdings zu sagen, daß dies reine Nachahmung ist, denn diese Art des Weihnachtsfestes und Advents ist aus dem Protestantismus des 19. Jahrhunderts hervorgegangen udn eine gewollte christliche Tradition geworden.
Die jüdischen Makkabäer dagegen hatten sich 165 v. Chr. gegen die griechische Besatzung aufgelehnt und den geschändeten Jerusalemer Tempel wieder eingeweiht. Das Chanukkafest dauert eine Woche und ist - wie bei uns Ostern - vom Mondkalender abhängig. Die Tradition des Chanukkafests mitsamt dem Leuchter ist mindestens seit 1 500 Jahren nachweisbar. Die Redaktion
 
 
Foto: Erich Mühsam, Fotografie aus dem Jahr 1928, kurz vor seinem 50. Geburtstag (c) wikipedia