Der Rheingauer Weinmarkt 2012, traditionell auf der Freßgass', vom 29. August bis 7. September
Helga Faber und Gerhard Wiedemann
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist nun schon gute Tradition, wenn zum 34. Mal der Rheingauer Weinmarkt in Frankfurt ausschenkt. Mitten in der Stadt, zwischen den beiden Ehrwürdigen, der Frankfurter Hauptwache und der Alten Oper, eine Fußgängerzeile, die die Einheimischen seit jeher Freßgass' nannten, die aber offiziell Bockenheimer Gasse heißt, was heute kaum einer noch weiß.
Die Lage ist sozusagen ein Selbstläufer, denn auch die umliegenden Werbeagenturen und das nahe Bankenviertel tragen kräftig dazu bei, daß man beim Rheingauer Weinmarkt jährlich das Gefühl haben könnte, irgendwann müßten die Fässer versiegen, denn so viel wird an den über die Freßgass' verteilten Tischchen getrunken. Ja, es stimmt, auch Ehen sind hier schon gestiftet worden, allerdings haben wir keine Statistik, zu wie vielen Scheidungen der Weinmarkt geführt hat, denn, wenn der alte Spruch hieß: „Wein, Weib und Gesang“, kann man hier geradezu zusehen, wie auch Frauen nicht nur trinkfreudig – und vor allem trinkfest – sind, sondern, daß der Wein zu einer näheren Bekanntschaft mit dem anderen Geschlecht durchaus stimuliert.
Die Fakten: Mittwoch, 29. August wird um 18 Uhr der Rheingauer Weinmarkt am Brunnen der Freßgass' von Stadtrat Michael Paris – aufgepaßt, das ist der, der im Vorfeld als aussichtsreicher SPD-Oberbürgermeisterkandidat für den späteren Sieger Peter Feldmann zurückzog – zusammen mit der amtierenden Rheingauer Weinkönigin Elena Benischke eröffnet. Michael Paris muß aufpassen, daß er keinen Apfel dabei hat und nicht eine der weiteren anwesenden Ortsweinköniginnen des Anbaugebietes Rheingau wissen will, welche die schönste Königin sei. Hier nämlich bleiben Kriege ausgespart und der Rheingauer Weinmarkt konzentriert sich aufs Feiern mit mehr als 600 Weinen und Sekte aus 26 Weingütern. Wenn am 7. September dann Schluß ist, muß sich einer schon viel zutrauen, wenn er das Angebot ausgekostet haben möchte.
Für Frankfurter ist der Rheingau seit jeher dazugehörig, ein Naherholungsgebiet, zudem – vom Wein ganz abgesehen – ein Kulturträger. Schon immer war mit dem Benediktinerkloster Kloster Eberbach ein architektonischer Anziehungspunkt gegeben, in dem auch die Musik traditionell eine große Rolle spielte, wie auch in den alten, teilweise kleinen Kirchen dieser Weinregion. Seit jedoch das Rheingau-Musikfestival, das Intendant Michael Herrmann mit Hilfe des Claus Wisser zum größten europäischen regionalen Festereignis machte, so in aller Munde ist und die Zuhörer aus allen Gegenden in dieser liebliche Rheinregion strömen und natürlich den Wein probieren, ist auch der Rheingauer Wein noch bekannter geworden, als seine Hauptsorte: der Riesling es eh schon war.
Eine echte Koexistenz der Wein und die Musik, denn beide brauchen die Sonne und den Regen - hoffentlich nur nachts. 589 mm im Kalenderjahr betragen die Niederschläge und 1649 Sonnenscheinstunden gibt es in der selben Zeit. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 10,7 Grad Celsius und die Rebfläche erstreckt sich über 3133,6 ha, nur 340,6 ha mit mehr als 30 Prozent Steigung. Denn die sanften Weinhänge mit dem Schiefer darunter, der das Wasser hält, ist eines der Erfolgsrezepte, warum im Schnitt von zehn Jahren 2001-2011 pro Jahr 75,94 Hektoliter pro ha zusammenkommen. Dabei entfallen auf den Mostverkauf 15 Prozent, den Faßweinverkauf 25 und den Flaschenweinverkauf 60 Prozent. Wie viel davon durch Weinmärkte ausgeschenkt werden, ist statistisch noch nicht erfaßt, wäre aber interessant.
Denn zunehmend wird ein Weinmarkt ein Gesprächemarkt, ein Kennenlernmarkt, ein Zusammenbringmarkt. Gerade in einer Großstadt, die ihre Anonymität schätzt, gilt als Pendant, daß geselliges Miteinander seinen Platz haben muß. Die Stadt Frankfurt am Main, seit jeher die deutsche Hauptstadt der Wasserhäuschen, wie man Kioske und solche Einrichtungen hier nennt, goutiert solchen Weinmarkt in besonderer Weise. Deshalb konnte man auch aus guten Gründen diesmal auf ein Beiprogramm, eine Bühne mit Veranstaltungen verzichten. Die oft wildfremden Leute haben sich über den Wein soviel zu erzählen, daß anderes nur stört. Natürlich gehen viele auch gemeinsam hin. Gerade in anliegenden Geschäften und Firmen will man nicht nur zusammen arbeiten, sondern dann auch feiern.
Aber vergessen wir nicht die Wißbegierigen. Denn Wein hat ja auch viel mit Geist zu tun, nicht nur dem Weingeist, und seine Herstellung hat viele Geheimnisse, auf die Winzer und Winzerinnen schwören und die Trinker auch! Alleine, welche Rebsorte am besten schmeckt und zu was man welchen Wein anbieten sollte, damit er ideal paßt. Das alles wird auf dem Weinmarkt auch ausgetauscht und für die Stände ist natürlich ein Ziel, daß sich der normale Frankfurter mit seinem hier ertrunkenen Lieblingswein auch das Restjahr über ausstattet. Schließlich funktioniert solch ein Festival nicht nur, wenn es den Gästen schmeckt, sondern grundlegend, wenn die Winzer und Winzerinnen auf ihre Kosten kommen. Das scheint auch im 34. Jahr gegeben!
Info:
Für nicht Ortskundige: Aus dem Osten und Westen (z.B. Bahnhof) mit S- und U-Bahnen, aus dem Norden und Süden mit den U-Bahnen zur HAUPTWACHE. Wer mit der U 6 oder U 7 kommt, kann auch ALTE OPER aussteigen.
Für Weintrinker: Der Riesling ist mit 78,87 Prozent absoluter Spitzenreiter unter den Rebsorten. Auf Spätburgunger entfallen 12,24, auf sonstigen Weißen 6,23 und sonstigen Roten 2,66 Prozent.